Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
Die fünf Zeitalter der organischen Erdgeschichte.

Die fünf großen Hauptabschnitte der organischen Erdgeschichte
oder der paläontologischen Entwickelungsgeschichte bezeichnen wir als
primordiales, primäres, secundäres, tertiäres und quartäres Zeitalter.
Jedes ist durch die vorwiegende Entwickelung bestimmter Thier- und
Pflanzengruppen in demselben bestimmt charakterisirt, und wir könnten
demnach auch die fünf Zeitalter einerseits durch die natürlichen Haupt-
gruppen des Pflanzenreichs, andrerseits durch die verschiedenen Klassen
des Wirbelthierstammes anschaulich bezeichnen. Dann wäre das
erste oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen,
das zweite oder primäre Zeitalter das der Farne und Fische, das
dritte oder secundäre Zeitalter das der Nadelwälder und Schleicher,
das vierte oder tertiäre Zeitalter das der Laubwälder und Säuge-
thiere, endlich das fünfte oder quartäre Zeitalter dasjenige des Men-
schen und seiner Cultur. Die Abschnitte oder Perioden, welche
wir in jedem der fünf Zeitalter unterscheiden, werden durch die
verschiedenen Systeme von Schichten bestimmt, in die jedes der fünf
großen Terrains zerfällt. Lassen Sie uns jetzt noch einen flüchtigen
Blick auf die Reihe dieser Systeme und zugleich auf die charakteristische
Bevölkerung der fünf großen Zeitalter werfen.

Den ersten und längsten Hauptabschnitt der organischen Erdge-
schichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der
Tangwälder,
das auch das archolithische oder archozoische Zeit-
alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von
der ersten Urzeugung, von der Entstehung des ersten irdischen Orga-
nismus, bis zum Ende der silurischen Schichtenbildung. Während
dieses unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrscheinlich viel länger
war, als alle übrigen vier Zeiträume zusammengenommen, lagerten
sich die drei mächtigsten von allen neptunischen Schichtensystemen ab,
nämlich zu unterst das laurentische, darüber das cambrische
und darüber das silurische System. Die ungefähre Dicke oder Mäch-
tigkeit dieser drei Systeme zusammengenommen beträgt siebzigtausend
Fuß. Davon kommen ungefähr 30,000 auf das laurentische, 18,000
auf das cambrische und 22,000 auf das silurische System. Die

Die fuͤnf Zeitalter der organiſchen Erdgeſchichte.

Die fuͤnf großen Hauptabſchnitte der organiſchen Erdgeſchichte
oder der palaͤontologiſchen Entwickelungsgeſchichte bezeichnen wir als
primordiales, primaͤres, ſecundaͤres, tertiaͤres und quartaͤres Zeitalter.
Jedes iſt durch die vorwiegende Entwickelung beſtimmter Thier- und
Pflanzengruppen in demſelben beſtimmt charakteriſirt, und wir koͤnnten
demnach auch die fuͤnf Zeitalter einerſeits durch die natuͤrlichen Haupt-
gruppen des Pflanzenreichs, andrerſeits durch die verſchiedenen Klaſſen
des Wirbelthierſtammes anſchaulich bezeichnen. Dann waͤre das
erſte oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen,
das zweite oder primaͤre Zeitalter das der Farne und Fiſche, das
dritte oder ſecundaͤre Zeitalter das der Nadelwaͤlder und Schleicher,
das vierte oder tertiaͤre Zeitalter das der Laubwaͤlder und Saͤuge-
thiere, endlich das fuͤnfte oder quartaͤre Zeitalter dasjenige des Men-
ſchen und ſeiner Cultur. Die Abſchnitte oder Perioden, welche
wir in jedem der fuͤnf Zeitalter unterſcheiden, werden durch die
verſchiedenen Syſteme von Schichten beſtimmt, in die jedes der fuͤnf
großen Terrains zerfaͤllt. Laſſen Sie uns jetzt noch einen fluͤchtigen
Blick auf die Reihe dieſer Syſteme und zugleich auf die charakteriſtiſche
Bevoͤlkerung der fuͤnf großen Zeitalter werfen.

Den erſten und laͤngſten Hauptabſchnitt der organiſchen Erdge-
ſchichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der
Tangwaͤlder,
das auch das archolithiſche oder archozoiſche Zeit-
alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von
der erſten Urzeugung, von der Entſtehung des erſten irdiſchen Orga-
nismus, bis zum Ende der ſiluriſchen Schichtenbildung. Waͤhrend
dieſes unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrſcheinlich viel laͤnger
war, als alle uͤbrigen vier Zeitraͤume zuſammengenommen, lagerten
ſich die drei maͤchtigſten von allen neptuniſchen Schichtenſyſtemen ab,
naͤmlich zu unterſt das laurentiſche, daruͤber das cambriſche
und daruͤber das ſiluriſche Syſtem. Die ungefaͤhre Dicke oder Maͤch-
tigkeit dieſer drei Syſteme zuſammengenommen betraͤgt ſiebzigtauſend
Fuß. Davon kommen ungefaͤhr 30,000 auf das laurentiſche, 18,000
auf das cambriſche und 22,000 auf das ſiluriſche Syſtem. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0320" n="295"/>
        <fw place="top" type="header">Die fu&#x0364;nf Zeitalter der organi&#x017F;chen Erdge&#x017F;chichte.</fw><lb/>
        <p>Die fu&#x0364;nf großen Hauptab&#x017F;chnitte der organi&#x017F;chen Erdge&#x017F;chichte<lb/>
oder der pala&#x0364;ontologi&#x017F;chen Entwickelungsge&#x017F;chichte bezeichnen wir als<lb/>
primordiales, prima&#x0364;res, &#x017F;ecunda&#x0364;res, tertia&#x0364;res und quarta&#x0364;res Zeitalter.<lb/>
Jedes i&#x017F;t durch die vorwiegende Entwickelung be&#x017F;timmter Thier- und<lb/>
Pflanzengruppen in dem&#x017F;elben be&#x017F;timmt charakteri&#x017F;irt, und wir ko&#x0364;nnten<lb/>
demnach auch die fu&#x0364;nf Zeitalter einer&#x017F;eits durch die natu&#x0364;rlichen Haupt-<lb/>
gruppen des Pflanzenreichs, andrer&#x017F;eits durch die ver&#x017F;chiedenen Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
des Wirbelthier&#x017F;tammes an&#x017F;chaulich bezeichnen. Dann wa&#x0364;re das<lb/><hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen,<lb/>
das <hi rendition="#g">zweite</hi> oder prima&#x0364;re Zeitalter das der Farne und Fi&#x017F;che, das<lb/><hi rendition="#g">dritte</hi> oder &#x017F;ecunda&#x0364;re Zeitalter das der Nadelwa&#x0364;lder und Schleicher,<lb/>
das <hi rendition="#g">vierte</hi> oder tertia&#x0364;re Zeitalter das der Laubwa&#x0364;lder und Sa&#x0364;uge-<lb/>
thiere, endlich das <hi rendition="#g">fu&#x0364;nfte</hi> oder quarta&#x0364;re Zeitalter dasjenige des Men-<lb/>
&#x017F;chen und &#x017F;einer Cultur. Die Ab&#x017F;chnitte oder <hi rendition="#g">Perioden,</hi> welche<lb/>
wir in jedem der fu&#x0364;nf <hi rendition="#g">Zeitalter</hi> unter&#x017F;cheiden, werden durch die<lb/>
ver&#x017F;chiedenen <hi rendition="#g">Sy&#x017F;teme</hi> von Schichten be&#x017F;timmt, in die jedes der fu&#x0364;nf<lb/>
großen <hi rendition="#g">Terrains</hi> zerfa&#x0364;llt. La&#x017F;&#x017F;en Sie uns jetzt noch einen flu&#x0364;chtigen<lb/>
Blick auf die Reihe die&#x017F;er Sy&#x017F;teme und zugleich auf die charakteri&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Bevo&#x0364;lkerung der fu&#x0364;nf großen Zeitalter werfen.</p><lb/>
        <p>Den er&#x017F;ten und la&#x0364;ng&#x017F;ten Hauptab&#x017F;chnitt der organi&#x017F;chen Erdge-<lb/>
&#x017F;chichte bildet die <hi rendition="#g">Primordialzeit</hi> oder das <hi rendition="#g">Zeitalter der<lb/>
Tangwa&#x0364;lder,</hi> das auch das archolithi&#x017F;che oder archozoi&#x017F;che Zeit-<lb/>
alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von<lb/>
der er&#x017F;ten Urzeugung, von der Ent&#x017F;tehung des er&#x017F;ten irdi&#x017F;chen Orga-<lb/>
nismus, bis zum Ende der &#x017F;iluri&#x017F;chen Schichtenbildung. Wa&#x0364;hrend<lb/>
die&#x017F;es unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahr&#x017F;cheinlich viel la&#x0364;nger<lb/>
war, als alle u&#x0364;brigen vier Zeitra&#x0364;ume zu&#x017F;ammengenommen, lagerten<lb/>
&#x017F;ich die drei ma&#x0364;chtig&#x017F;ten von allen neptuni&#x017F;chen Schichten&#x017F;y&#x017F;temen ab,<lb/>
na&#x0364;mlich zu unter&#x017F;t das <hi rendition="#g">laurenti&#x017F;che,</hi> daru&#x0364;ber das <hi rendition="#g">cambri&#x017F;che</hi><lb/>
und daru&#x0364;ber das <hi rendition="#g">&#x017F;iluri&#x017F;che</hi> Sy&#x017F;tem. Die ungefa&#x0364;hre Dicke oder Ma&#x0364;ch-<lb/>
tigkeit die&#x017F;er drei Sy&#x017F;teme zu&#x017F;ammengenommen betra&#x0364;gt &#x017F;iebzigtau&#x017F;end<lb/>
Fuß. Davon kommen ungefa&#x0364;hr 30,000 auf das laurenti&#x017F;che, 18,000<lb/>
auf das cambri&#x017F;che und 22,000 auf das &#x017F;iluri&#x017F;che Sy&#x017F;tem. Die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0320] Die fuͤnf Zeitalter der organiſchen Erdgeſchichte. Die fuͤnf großen Hauptabſchnitte der organiſchen Erdgeſchichte oder der palaͤontologiſchen Entwickelungsgeſchichte bezeichnen wir als primordiales, primaͤres, ſecundaͤres, tertiaͤres und quartaͤres Zeitalter. Jedes iſt durch die vorwiegende Entwickelung beſtimmter Thier- und Pflanzengruppen in demſelben beſtimmt charakteriſirt, und wir koͤnnten demnach auch die fuͤnf Zeitalter einerſeits durch die natuͤrlichen Haupt- gruppen des Pflanzenreichs, andrerſeits durch die verſchiedenen Klaſſen des Wirbelthierſtammes anſchaulich bezeichnen. Dann waͤre das erſte oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen, das zweite oder primaͤre Zeitalter das der Farne und Fiſche, das dritte oder ſecundaͤre Zeitalter das der Nadelwaͤlder und Schleicher, das vierte oder tertiaͤre Zeitalter das der Laubwaͤlder und Saͤuge- thiere, endlich das fuͤnfte oder quartaͤre Zeitalter dasjenige des Men- ſchen und ſeiner Cultur. Die Abſchnitte oder Perioden, welche wir in jedem der fuͤnf Zeitalter unterſcheiden, werden durch die verſchiedenen Syſteme von Schichten beſtimmt, in die jedes der fuͤnf großen Terrains zerfaͤllt. Laſſen Sie uns jetzt noch einen fluͤchtigen Blick auf die Reihe dieſer Syſteme und zugleich auf die charakteriſtiſche Bevoͤlkerung der fuͤnf großen Zeitalter werfen. Den erſten und laͤngſten Hauptabſchnitt der organiſchen Erdge- ſchichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der Tangwaͤlder, das auch das archolithiſche oder archozoiſche Zeit- alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von der erſten Urzeugung, von der Entſtehung des erſten irdiſchen Orga- nismus, bis zum Ende der ſiluriſchen Schichtenbildung. Waͤhrend dieſes unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrſcheinlich viel laͤnger war, als alle uͤbrigen vier Zeitraͤume zuſammengenommen, lagerten ſich die drei maͤchtigſten von allen neptuniſchen Schichtenſyſtemen ab, naͤmlich zu unterſt das laurentiſche, daruͤber das cambriſche und daruͤber das ſiluriſche Syſtem. Die ungefaͤhre Dicke oder Maͤch- tigkeit dieſer drei Syſteme zuſammengenommen betraͤgt ſiebzigtauſend Fuß. Davon kommen ungefaͤhr 30,000 auf das laurentiſche, 18,000 auf das cambriſche und 22,000 auf das ſiluriſche Syſtem. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/320
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/320>, abgerufen am 26.11.2024.