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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Ablagerung der versteinerungsführenden Erdschichten.
den Schutt derselben in die Ebene oder lagert ihn als Schlamm im
stehenden Wasser ab. So arbeitet es beständig an einer Erniedrigung
der Berge und Ausfüllung der Thäler. Ebenso arbeitet die Bran-
dung des Meeres ununterbrochen an der Zerstörung der Küsten und
an der Auffüllung des Meeresbodens durch die herabgeschlämmten
Trümmer. So würde schon die Thätigkeit des Wassers allein, wenn
sie nicht durch andere Umstände wieder aufgewogen würde, mit der
Zeit die ganze Erde nivelliren. Es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die Gebirgsmassen, welche alljährlich als Schlamm dem Meere
zugeführt werden und sich auf dessen Boden absetzen, so bedeutend
sind, daß im Verlauf einer längeren oder kürzeren Periode, vielleicht
von wenigen Millionen Jahren, die Erdoberfläche vollkommen geebnet
und von einer zusammenhängenden Wasserschale umschlossen werden
würde. Daß dies nicht geschieht, verdanken wir der fortdauernden vul-
kanischen und plutonischen Gegenwirkung des feurigflüssigen Erdinnern.
Diese Reaction des geschmolzenen Kerns gegen die feste Rinde bedingt
ununterbrochen wechselnde Hebungen und Senkungen an den verschie-
densten Stellen der Erdoberfläche. Meistens geschehen diese Hebungen
und Senkungen sehr langsam und allmählich; allein indem sie Jahr-
tausende hindurch fortdauern, bringen sie durch Summirung der klei-
nen Einzelwirkungen nicht minder großartige Resultate hervor, wie
die entgegenwirkende und nivellirende Thätigkeit des Wassers.

Jndem die Hebungen und Senkungen der verschiedenen Erdtheile
im Laufe von Jahrmillionen vielfach mit einander wechseln, kömmt
bald dieser bald jener Theil der Erdoberfläche über oder unter den
Spiegel des Meeres. Es giebt vielleicht keinen Oberflächentheil der
Erdrinde, der nicht in Folge dessen schon wiederholt über und unter
dem Meeresspiegel gewesen wäre. Durch diesen vielfachen Wechsel er-
klärt sich die Mannichfaltigkeit und die verschiedene Zusammensetzung
der zahlreichen neptunischen Gesteinsschichten, welche sich an den mei-
sten Stellen in beträchtlicher Dicke über einander abgelagert haben.
Jn den verschiedenen Geschichtsperioden, während deren die Ablage-
rung statt fand, lebte eine mannichfach verschiedene Bevölkerung von

Ablagerung der verſteinerungsfuͤhrenden Erdſchichten.
den Schutt derſelben in die Ebene oder lagert ihn als Schlamm im
ſtehenden Waſſer ab. So arbeitet es beſtaͤndig an einer Erniedrigung
der Berge und Ausfuͤllung der Thaͤler. Ebenſo arbeitet die Bran-
dung des Meeres ununterbrochen an der Zerſtoͤrung der Kuͤſten und
an der Auffuͤllung des Meeresbodens durch die herabgeſchlaͤmmten
Truͤmmer. So wuͤrde ſchon die Thaͤtigkeit des Waſſers allein, wenn
ſie nicht durch andere Umſtaͤnde wieder aufgewogen wuͤrde, mit der
Zeit die ganze Erde nivelliren. Es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die Gebirgsmaſſen, welche alljaͤhrlich als Schlamm dem Meere
zugefuͤhrt werden und ſich auf deſſen Boden abſetzen, ſo bedeutend
ſind, daß im Verlauf einer laͤngeren oder kuͤrzeren Periode, vielleicht
von wenigen Millionen Jahren, die Erdoberflaͤche vollkommen geebnet
und von einer zuſammenhaͤngenden Waſſerſchale umſchloſſen werden
wuͤrde. Daß dies nicht geſchieht, verdanken wir der fortdauernden vul-
kaniſchen und plutoniſchen Gegenwirkung des feurigfluͤſſigen Erdinnern.
Dieſe Reaction des geſchmolzenen Kerns gegen die feſte Rinde bedingt
ununterbrochen wechſelnde Hebungen und Senkungen an den verſchie-
denſten Stellen der Erdoberflaͤche. Meiſtens geſchehen dieſe Hebungen
und Senkungen ſehr langſam und allmaͤhlich; allein indem ſie Jahr-
tauſende hindurch fortdauern, bringen ſie durch Summirung der klei-
nen Einzelwirkungen nicht minder großartige Reſultate hervor, wie
die entgegenwirkende und nivellirende Thaͤtigkeit des Waſſers.

Jndem die Hebungen und Senkungen der verſchiedenen Erdtheile
im Laufe von Jahrmillionen vielfach mit einander wechſeln, koͤmmt
bald dieſer bald jener Theil der Erdoberflaͤche uͤber oder unter den
Spiegel des Meeres. Es giebt vielleicht keinen Oberflaͤchentheil der
Erdrinde, der nicht in Folge deſſen ſchon wiederholt uͤber und unter
dem Meeresſpiegel geweſen waͤre. Durch dieſen vielfachen Wechſel er-
klaͤrt ſich die Mannichfaltigkeit und die verſchiedene Zuſammenſetzung
der zahlreichen neptuniſchen Geſteinsſchichten, welche ſich an den mei-
ſten Stellen in betraͤchtlicher Dicke uͤber einander abgelagert haben.
Jn den verſchiedenen Geſchichtsperioden, waͤhrend deren die Ablage-
rung ſtatt fand, lebte eine mannichfach verſchiedene Bevoͤlkerung von

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[292/0317] Ablagerung der verſteinerungsfuͤhrenden Erdſchichten. den Schutt derſelben in die Ebene oder lagert ihn als Schlamm im ſtehenden Waſſer ab. So arbeitet es beſtaͤndig an einer Erniedrigung der Berge und Ausfuͤllung der Thaͤler. Ebenſo arbeitet die Bran- dung des Meeres ununterbrochen an der Zerſtoͤrung der Kuͤſten und an der Auffuͤllung des Meeresbodens durch die herabgeſchlaͤmmten Truͤmmer. So wuͤrde ſchon die Thaͤtigkeit des Waſſers allein, wenn ſie nicht durch andere Umſtaͤnde wieder aufgewogen wuͤrde, mit der Zeit die ganze Erde nivelliren. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Gebirgsmaſſen, welche alljaͤhrlich als Schlamm dem Meere zugefuͤhrt werden und ſich auf deſſen Boden abſetzen, ſo bedeutend ſind, daß im Verlauf einer laͤngeren oder kuͤrzeren Periode, vielleicht von wenigen Millionen Jahren, die Erdoberflaͤche vollkommen geebnet und von einer zuſammenhaͤngenden Waſſerſchale umſchloſſen werden wuͤrde. Daß dies nicht geſchieht, verdanken wir der fortdauernden vul- kaniſchen und plutoniſchen Gegenwirkung des feurigfluͤſſigen Erdinnern. Dieſe Reaction des geſchmolzenen Kerns gegen die feſte Rinde bedingt ununterbrochen wechſelnde Hebungen und Senkungen an den verſchie- denſten Stellen der Erdoberflaͤche. Meiſtens geſchehen dieſe Hebungen und Senkungen ſehr langſam und allmaͤhlich; allein indem ſie Jahr- tauſende hindurch fortdauern, bringen ſie durch Summirung der klei- nen Einzelwirkungen nicht minder großartige Reſultate hervor, wie die entgegenwirkende und nivellirende Thaͤtigkeit des Waſſers. Jndem die Hebungen und Senkungen der verſchiedenen Erdtheile im Laufe von Jahrmillionen vielfach mit einander wechſeln, koͤmmt bald dieſer bald jener Theil der Erdoberflaͤche uͤber oder unter den Spiegel des Meeres. Es giebt vielleicht keinen Oberflaͤchentheil der Erdrinde, der nicht in Folge deſſen ſchon wiederholt uͤber und unter dem Meeresſpiegel geweſen waͤre. Durch dieſen vielfachen Wechſel er- klaͤrt ſich die Mannichfaltigkeit und die verſchiedene Zuſammenſetzung der zahlreichen neptuniſchen Geſteinsſchichten, welche ſich an den mei- ſten Stellen in betraͤchtlicher Dicke uͤber einander abgelagert haben. Jn den verſchiedenen Geſchichtsperioden, waͤhrend deren die Ablage- rung ſtatt fand, lebte eine mannichfach verſchiedene Bevoͤlkerung von

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/317>, abgerufen am 25.11.2024.