Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Structur und Form der Organismen und Anorgane. Zweck des Lebens zusammenwirken. Dagegen sollten auch die voll-kommensten Anorgane, die Krystalle, durch und durch aus gleich- artiger oder homogener Materie bestehen. Dieser Unterschied erscheint sehr wesentlich. Allein er verliert alle Bedeutung dadurch, daß wir in den letzten Jahren die höchst merkwürdigen und wichtigen Moneren kennen gelernt haben 15). (Vergl. oben S. 142--144). Der ganze Körper dieser einfachsten von allen Organismen, ein festflüssiges, form- loses und structurloses Eiweißklümpchen, besteht in der That nur aus einer einzigen chemischen Verbindung, und ist ebenso vollkommen einfach in seiner Structur, wie jeder Krystall, der aus einer einzigen anorganischen Verbindung, z. B. einem Metallsalze, oder aus einem einzigen Elemente, z. B. Schwefel oder Blei besteht. Ebenso wie in der inneren Structur oder Zusammensetzung, hat Structur und Form der Organismen und Anorgane. Zweck des Lebens zuſammenwirken. Dagegen ſollten auch die voll-kommenſten Anorgane, die Kryſtalle, durch und durch aus gleich- artiger oder homogener Materie beſtehen. Dieſer Unterſchied erſcheint ſehr weſentlich. Allein er verliert alle Bedeutung dadurch, daß wir in den letzten Jahren die hoͤchſt merkwuͤrdigen und wichtigen Moneren kennen gelernt haben 15). (Vergl. oben S. 142—144). Der ganze Koͤrper dieſer einfachſten von allen Organismen, ein feſtfluͤſſiges, form- loſes und ſtructurloſes Eiweißkluͤmpchen, beſteht in der That nur aus einer einzigen chemiſchen Verbindung, und iſt ebenſo vollkommen einfach in ſeiner Structur, wie jeder Kryſtall, der aus einer einzigen anorganiſchen Verbindung, z. B. einem Metallſalze, oder aus einem einzigen Elemente, z. B. Schwefel oder Blei beſteht. Ebenſo wie in der inneren Structur oder Zuſammenſetzung, hat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="274"/><fw place="top" type="header">Structur und Form der Organismen und Anorgane.</fw><lb/> Zweck des Lebens zuſammenwirken. Dagegen ſollten auch die voll-<lb/> kommenſten Anorgane, die Kryſtalle, durch und durch aus gleich-<lb/> artiger oder homogener Materie beſtehen. Dieſer Unterſchied erſcheint<lb/> ſehr weſentlich. Allein er verliert alle Bedeutung dadurch, daß wir<lb/> in den letzten Jahren die hoͤchſt merkwuͤrdigen und wichtigen Moneren<lb/> kennen gelernt haben <hi rendition="#sup">15</hi>). (Vergl. oben S. 142—144). Der ganze<lb/> Koͤrper dieſer einfachſten von allen Organismen, ein feſtfluͤſſiges, form-<lb/> loſes und ſtructurloſes Eiweißkluͤmpchen, beſteht in der That nur<lb/> aus einer einzigen chemiſchen Verbindung, und iſt ebenſo vollkommen<lb/> einfach in ſeiner Structur, wie jeder Kryſtall, der aus einer einzigen<lb/> anorganiſchen Verbindung, z. B. einem Metallſalze, oder aus einem<lb/> einzigen Elemente, z. B. Schwefel oder Blei beſteht.</p><lb/> <p>Ebenſo wie in der inneren Structur oder Zuſammenſetzung, hat<lb/> man auch in der aͤußeren Form durchgreifende Unterſchiede zwiſchen<lb/> den Organismen und Anorganen finden wollen, insbeſondere in der<lb/> mathematiſch beſtimmbaren Kryſtallform der letzteren. Allerdings iſt<lb/> die Kryſtalliſation vorzugsweiſe eine Eigenſchaft der ſogenannten An-<lb/> organe. Die Kryſtalle werden begrenzt von ebenen Flaͤchen, welche<lb/> in geraden Linien und unter beſtimmten meßbaren Winkeln zuſammen-<lb/> ſtoßen. Die Thier- und Pflanzengeſtalt dagegen ſcheint auf den erſten<lb/> Blick keine derartige geometriſche Beſtimmung zuzulaſſen. Sie iſt<lb/> meiſtens von gebogenen Flaͤchen und krummen Linien begrenzt, welche<lb/> unter veraͤnderlichen Winkeln zuſammenſtoßen. Allein wir haben in<lb/> neuerer Zeit in den Radiolarien <hi rendition="#sup">23</hi>) und in vielen anderen Protiſten<lb/> eine große Anzahl von niederen Organismen kennen gelernt, bei<lb/> denen der Koͤrper in gleicher Weiſe, wie bei den Kryſtallen, auf eine<lb/> mathematiſch beſtimmbare Grundform ſich zuruͤckfuͤhren laͤßt, bei<lb/> denen die Geſtalt im Ganzen wie im Einzelnen durch geometriſch be-<lb/> ſtimmbare Flaͤchen, Kanten und Winkel begrenzt wird. Jn meiner all-<lb/> gemeinen <hi rendition="#g">Grundformenlehre oder Promorphologie</hi> habe<lb/> ich hierfuͤr die ausfuͤhrlichen Beweiſe geliefert, und zugleich ein allge-<lb/> meines Formenſyſtem aufgeſtellt, deſſen ideale ſtereometriſche Grund-<lb/> formen ebenſo gut die realen Formen der anorganiſchen Kryſtalle wie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0299]
Structur und Form der Organismen und Anorgane.
Zweck des Lebens zuſammenwirken. Dagegen ſollten auch die voll-
kommenſten Anorgane, die Kryſtalle, durch und durch aus gleich-
artiger oder homogener Materie beſtehen. Dieſer Unterſchied erſcheint
ſehr weſentlich. Allein er verliert alle Bedeutung dadurch, daß wir
in den letzten Jahren die hoͤchſt merkwuͤrdigen und wichtigen Moneren
kennen gelernt haben 15). (Vergl. oben S. 142—144). Der ganze
Koͤrper dieſer einfachſten von allen Organismen, ein feſtfluͤſſiges, form-
loſes und ſtructurloſes Eiweißkluͤmpchen, beſteht in der That nur
aus einer einzigen chemiſchen Verbindung, und iſt ebenſo vollkommen
einfach in ſeiner Structur, wie jeder Kryſtall, der aus einer einzigen
anorganiſchen Verbindung, z. B. einem Metallſalze, oder aus einem
einzigen Elemente, z. B. Schwefel oder Blei beſteht.
Ebenſo wie in der inneren Structur oder Zuſammenſetzung, hat
man auch in der aͤußeren Form durchgreifende Unterſchiede zwiſchen
den Organismen und Anorganen finden wollen, insbeſondere in der
mathematiſch beſtimmbaren Kryſtallform der letzteren. Allerdings iſt
die Kryſtalliſation vorzugsweiſe eine Eigenſchaft der ſogenannten An-
organe. Die Kryſtalle werden begrenzt von ebenen Flaͤchen, welche
in geraden Linien und unter beſtimmten meßbaren Winkeln zuſammen-
ſtoßen. Die Thier- und Pflanzengeſtalt dagegen ſcheint auf den erſten
Blick keine derartige geometriſche Beſtimmung zuzulaſſen. Sie iſt
meiſtens von gebogenen Flaͤchen und krummen Linien begrenzt, welche
unter veraͤnderlichen Winkeln zuſammenſtoßen. Allein wir haben in
neuerer Zeit in den Radiolarien 23) und in vielen anderen Protiſten
eine große Anzahl von niederen Organismen kennen gelernt, bei
denen der Koͤrper in gleicher Weiſe, wie bei den Kryſtallen, auf eine
mathematiſch beſtimmbare Grundform ſich zuruͤckfuͤhren laͤßt, bei
denen die Geſtalt im Ganzen wie im Einzelnen durch geometriſch be-
ſtimmbare Flaͤchen, Kanten und Winkel begrenzt wird. Jn meiner all-
gemeinen Grundformenlehre oder Promorphologie habe
ich hierfuͤr die ausfuͤhrlichen Beweiſe geliefert, und zugleich ein allge-
meines Formenſyſtem aufgeſtellt, deſſen ideale ſtereometriſche Grund-
formen ebenſo gut die realen Formen der anorganiſchen Kryſtalle wie
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