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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Entwickelung der Sonnen, Planeten und Monde.
Masse, welche in Folge eines außerordentlich hohen Temperaturgra-
des in gasförmigem oder luftförmigem, äußerst dünnem Zustande sich
befand. Die Millionen von Weltkörpern, welche gegenwärtig auf die
verschiedenen Sonnensysteme vertheilt sind, existirten damals noch
nicht. Sie entstanden erst in Folge einer allgemeinen Drehbewegung
oder Rotation, bei welcher sich eine Anzahl von festeren Massengrup-
pen mehr als die übrige gasförmige Masse verdichteten, und nun auf
letztere als Anziehungsmittelpuncte wirkten. So entstand eine Schei-
dung des chaotischen Urnebels oder Weltgases in eine Anzahl von
rotirenden Nebelbällen, welche sich mehr und mehr verdichteten. Auch
unser Sonnensystem war ein solcher riesiger gasförmiger Luftball,
dessen Theilchen sich sämmtlich um einen gemeinsamen Mittelpunct,
den Sonnenkern, herumdrehten. Der Nebelball selbst nahm durch die
Rotationsbewegung, gleich allen übrigen, eine Sphäroidform oder
abgeplattete Kugelgestalt an.

Während die Centripetalkraft die rotirenden Theilchen immer
näher an den festen Mittelpunkt des Nebelballs heranzog, und so diesen
mehr und mehr verdichtete, war umgekehrt die Centrifugalkraft be-
strebt, die peripherischen Theilchen immer weiter von jenem zu entfer-
nen und sie abzuschleudern. An dem Aequatorialrande der an beiden
Polen abgeplatteten Kugel war diese Centrifugalkraft am stärksten, und
sobald sie bei weiter gehender Verdichtung das Uebergewicht über die
Centripetalkraft erlangte, löste sich hier eine ringförmige Nebelmasse
von dem rotirenden Balle ab. Diese Nebelringe zeichneten die Bah-
nen der zukünftigen Planeten vor. Allmählich verdichtete sich die
Nebelmasse des Ringes zu einem Planeten, der sich um seine eigene Axe
drehte und zugleich um den Centralkörper rotirte. Jn ganz gleicher
Weise aber wurden von dem Aequator der Planetenmasse, sobald die
Centrifugalkraft wieder das Uebergewicht über die Centripetalkraft ge-
wann, neue Nebelringe abgeschleudert, welche in gleicher Weise um
die Planeten, wie diese um die Sonne sich bewegten. Auch diese Ne-
belringe verdichteten sich wieder zu rotirenden Bällen. So entstanden
die Monde, von denen nur einer um die Erde, aber vier um den Jupi-

Entwickelung der Sonnen, Planeten und Monde.
Maſſe, welche in Folge eines außerordentlich hohen Temperaturgra-
des in gasfoͤrmigem oder luftfoͤrmigem, aͤußerſt duͤnnem Zuſtande ſich
befand. Die Millionen von Weltkoͤrpern, welche gegenwaͤrtig auf die
verſchiedenen Sonnenſyſteme vertheilt ſind, exiſtirten damals noch
nicht. Sie entſtanden erſt in Folge einer allgemeinen Drehbewegung
oder Rotation, bei welcher ſich eine Anzahl von feſteren Maſſengrup-
pen mehr als die uͤbrige gasfoͤrmige Maſſe verdichteten, und nun auf
letztere als Anziehungsmittelpuncte wirkten. So entſtand eine Schei-
dung des chaotiſchen Urnebels oder Weltgaſes in eine Anzahl von
rotirenden Nebelbaͤllen, welche ſich mehr und mehr verdichteten. Auch
unſer Sonnenſyſtem war ein ſolcher rieſiger gasfoͤrmiger Luftball,
deſſen Theilchen ſich ſaͤmmtlich um einen gemeinſamen Mittelpunct,
den Sonnenkern, herumdrehten. Der Nebelball ſelbſt nahm durch die
Rotationsbewegung, gleich allen uͤbrigen, eine Sphaͤroidform oder
abgeplattete Kugelgeſtalt an.

Waͤhrend die Centripetalkraft die rotirenden Theilchen immer
naͤher an den feſten Mittelpunkt des Nebelballs heranzog, und ſo dieſen
mehr und mehr verdichtete, war umgekehrt die Centrifugalkraft be-
ſtrebt, die peripheriſchen Theilchen immer weiter von jenem zu entfer-
nen und ſie abzuſchleudern. An dem Aequatorialrande der an beiden
Polen abgeplatteten Kugel war dieſe Centrifugalkraft am ſtaͤrkſten, und
ſobald ſie bei weiter gehender Verdichtung das Uebergewicht uͤber die
Centripetalkraft erlangte, loͤſte ſich hier eine ringfoͤrmige Nebelmaſſe
von dem rotirenden Balle ab. Dieſe Nebelringe zeichneten die Bah-
nen der zukuͤnftigen Planeten vor. Allmaͤhlich verdichtete ſich die
Nebelmaſſe des Ringes zu einem Planeten, der ſich um ſeine eigene Axe
drehte und zugleich um den Centralkoͤrper rotirte. Jn ganz gleicher
Weiſe aber wurden von dem Aequator der Planetenmaſſe, ſobald die
Centrifugalkraft wieder das Uebergewicht uͤber die Centripetalkraft ge-
wann, neue Nebelringe abgeſchleudert, welche in gleicher Weiſe um
die Planeten, wie dieſe um die Sonne ſich bewegten. Auch dieſe Ne-
belringe verdichteten ſich wieder zu rotirenden Baͤllen. So entſtanden
die Monde, von denen nur einer um die Erde, aber vier um den Jupi-

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[264/0289] Entwickelung der Sonnen, Planeten und Monde. Maſſe, welche in Folge eines außerordentlich hohen Temperaturgra- des in gasfoͤrmigem oder luftfoͤrmigem, aͤußerſt duͤnnem Zuſtande ſich befand. Die Millionen von Weltkoͤrpern, welche gegenwaͤrtig auf die verſchiedenen Sonnenſyſteme vertheilt ſind, exiſtirten damals noch nicht. Sie entſtanden erſt in Folge einer allgemeinen Drehbewegung oder Rotation, bei welcher ſich eine Anzahl von feſteren Maſſengrup- pen mehr als die uͤbrige gasfoͤrmige Maſſe verdichteten, und nun auf letztere als Anziehungsmittelpuncte wirkten. So entſtand eine Schei- dung des chaotiſchen Urnebels oder Weltgaſes in eine Anzahl von rotirenden Nebelbaͤllen, welche ſich mehr und mehr verdichteten. Auch unſer Sonnenſyſtem war ein ſolcher rieſiger gasfoͤrmiger Luftball, deſſen Theilchen ſich ſaͤmmtlich um einen gemeinſamen Mittelpunct, den Sonnenkern, herumdrehten. Der Nebelball ſelbſt nahm durch die Rotationsbewegung, gleich allen uͤbrigen, eine Sphaͤroidform oder abgeplattete Kugelgeſtalt an. Waͤhrend die Centripetalkraft die rotirenden Theilchen immer naͤher an den feſten Mittelpunkt des Nebelballs heranzog, und ſo dieſen mehr und mehr verdichtete, war umgekehrt die Centrifugalkraft be- ſtrebt, die peripheriſchen Theilchen immer weiter von jenem zu entfer- nen und ſie abzuſchleudern. An dem Aequatorialrande der an beiden Polen abgeplatteten Kugel war dieſe Centrifugalkraft am ſtaͤrkſten, und ſobald ſie bei weiter gehender Verdichtung das Uebergewicht uͤber die Centripetalkraft erlangte, loͤſte ſich hier eine ringfoͤrmige Nebelmaſſe von dem rotirenden Balle ab. Dieſe Nebelringe zeichneten die Bah- nen der zukuͤnftigen Planeten vor. Allmaͤhlich verdichtete ſich die Nebelmaſſe des Ringes zu einem Planeten, der ſich um ſeine eigene Axe drehte und zugleich um den Centralkoͤrper rotirte. Jn ganz gleicher Weiſe aber wurden von dem Aequator der Planetenmaſſe, ſobald die Centrifugalkraft wieder das Uebergewicht uͤber die Centripetalkraft ge- wann, neue Nebelringe abgeſchleudert, welche in gleicher Weiſe um die Planeten, wie dieſe um die Sonne ſich bewegten. Auch dieſe Ne- belringe verdichteten ſich wieder zu rotirenden Baͤllen. So entſtanden die Monde, von denen nur einer um die Erde, aber vier um den Jupi-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/289>, abgerufen am 24.11.2024.