Die weitere Entwickelung des kugeligen Zellenhaufens, welcher den jungen Säugethierkörper jetzt repräsentirt, besteht zunächst darin, daß derselbe sich in eine kugelige Blase verwandelt, indem im Jnneren sich Flüssigkeit ansammelt. Diese Blase nennt man Keimblase (Vesi- cula blastodermica). Die Wand derselben ist anfangs aus lauter gleichartigen Zellen zusammengesetzt. Bald aber entsteht an einer Stelle der Wand eine scheibenförmige Verdickung, indem sich hier die Zellen rasch vermehren; und diese Verdickung ist nun die Anlage für den eigentlichen Leib des Keims oder Embryo, während der übrige Theil der Keimblase bloß zur Ernährung des Embryo verwendet wird. Die verdickte Scheibe der Embryonalanlage nimmt bald eine länglich runde und dann, indem rechter und linker Seitenrand ausgeschweift wer- den, eine geigenförmige oder bisquitförmige Gestalt an (Fig. 9, S. 248). Jn diesem Stadium der Entwickelung, in der ersten Anlage des Keims oder Embryo, sind nicht allein alle Säugethiere mit Jnbegriff des Menschen, sondern sogar alle Wirbelthiere überhaupt, alle Säugethiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, entweder gar nicht oder nur durch ihre Größe, oder durch höchst unbedeutende Merkmale in Form und äußerem Umriß von einander zu unterscheiden. Bei Allen be- steht der ganze Leib aus weiter Nichts, als aus einer ganz einfachen, länglichrunden, ovalen oder geigenförmigen, dünnen Scheibe, welche aus drei über einander liegenden, eng verbundenen Blättern zusammen- gesetzt ist. Jedes dieser drei Keimblätter besteht aus weiter Nichts, als aus gleichartigen Zellen; jedes hat aber eine andere Bedeutung für den Aufbau des Wirbelthierkörpers. Aus dem oberen oder äußeren Keimblatt entsteht bloß die äußere Oberhaut (Epidermis) nebst den Centraltheilen des Nervensystems (Rückenmark und Gehirn); aus dem unteren oder inneren Blatt entsteht bloß die innere zarte Haut (Epithelium), welche den ganzen Darmcanal vom Mund bis zum After, nebst allen seinen Anhangsdrüsen (Lunge, Leber, Speicheldrü- sen, Darmdrüsen u. s. w.) auskleidet; aus dem zwischen beiden ge- legenen mittleren Keimblatt entstehen alle übrigen Organe.
Bildung und Bedeutung der drei Keimblaͤtter.
Die weitere Entwickelung des kugeligen Zellenhaufens, welcher den jungen Saͤugethierkoͤrper jetzt repraͤſentirt, beſteht zunaͤchſt darin, daß derſelbe ſich in eine kugelige Blaſe verwandelt, indem im Jnneren ſich Fluͤſſigkeit anſammelt. Dieſe Blaſe nennt man Keimblaſe (Vesi- cula blastodermica). Die Wand derſelben iſt anfangs aus lauter gleichartigen Zellen zuſammengeſetzt. Bald aber entſteht an einer Stelle der Wand eine ſcheibenfoͤrmige Verdickung, indem ſich hier die Zellen raſch vermehren; und dieſe Verdickung iſt nun die Anlage fuͤr den eigentlichen Leib des Keims oder Embryo, waͤhrend der uͤbrige Theil der Keimblaſe bloß zur Ernaͤhrung des Embryo verwendet wird. Die verdickte Scheibe der Embryonalanlage nimmt bald eine laͤnglich runde und dann, indem rechter und linker Seitenrand ausgeſchweift wer- den, eine geigenfoͤrmige oder bisquitfoͤrmige Geſtalt an (Fig. 9, S. 248). Jn dieſem Stadium der Entwickelung, in der erſten Anlage des Keims oder Embryo, ſind nicht allein alle Saͤugethiere mit Jnbegriff des Menſchen, ſondern ſogar alle Wirbelthiere uͤberhaupt, alle Saͤugethiere, Voͤgel, Reptilien, Amphibien und Fiſche, entweder gar nicht oder nur durch ihre Groͤße, oder durch hoͤchſt unbedeutende Merkmale in Form und aͤußerem Umriß von einander zu unterſcheiden. Bei Allen be- ſteht der ganze Leib aus weiter Nichts, als aus einer ganz einfachen, laͤnglichrunden, ovalen oder geigenfoͤrmigen, duͤnnen Scheibe, welche aus drei uͤber einander liegenden, eng verbundenen Blaͤttern zuſammen- geſetzt iſt. Jedes dieſer drei Keimblaͤtter beſteht aus weiter Nichts, als aus gleichartigen Zellen; jedes hat aber eine andere Bedeutung fuͤr den Aufbau des Wirbelthierkoͤrpers. Aus dem oberen oder aͤußeren Keimblatt entſteht bloß die aͤußere Oberhaut (Epidermis) nebſt den Centraltheilen des Nervenſyſtems (Ruͤckenmark und Gehirn); aus dem unteren oder inneren Blatt entſteht bloß die innere zarte Haut (Epithelium), welche den ganzen Darmcanal vom Mund bis zum After, nebſt allen ſeinen Anhangsdruͤſen (Lunge, Leber, Speicheldruͤ- ſen, Darmdruͤſen u. ſ. w.) auskleidet; aus dem zwiſchen beiden ge- legenen mittleren Keimblatt entſtehen alle uͤbrigen Organe.
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Bildung und Bedeutung der drei Keimblaͤtter.
Die weitere Entwickelung des kugeligen Zellenhaufens, welcher
den jungen Saͤugethierkoͤrper jetzt repraͤſentirt, beſteht zunaͤchſt darin,
daß derſelbe ſich in eine kugelige Blaſe verwandelt, indem im Jnneren
ſich Fluͤſſigkeit anſammelt. Dieſe Blaſe nennt man Keimblaſe (Vesi-
cula blastodermica). Die Wand derſelben iſt anfangs aus lauter
gleichartigen Zellen zuſammengeſetzt. Bald aber entſteht an einer
Stelle der Wand eine ſcheibenfoͤrmige Verdickung, indem ſich hier die
Zellen raſch vermehren; und dieſe Verdickung iſt nun die Anlage fuͤr
den eigentlichen Leib des Keims oder Embryo, waͤhrend der uͤbrige
Theil der Keimblaſe bloß zur Ernaͤhrung des Embryo verwendet wird.
Die verdickte Scheibe der Embryonalanlage nimmt bald eine laͤnglich
runde und dann, indem rechter und linker Seitenrand ausgeſchweift wer-
den, eine geigenfoͤrmige oder bisquitfoͤrmige Geſtalt an (Fig. 9, S. 248).
Jn dieſem Stadium der Entwickelung, in der erſten Anlage des Keims
oder Embryo, ſind nicht allein alle Saͤugethiere mit Jnbegriff des
Menſchen, ſondern ſogar alle Wirbelthiere uͤberhaupt, alle Saͤugethiere,
Voͤgel, Reptilien, Amphibien und Fiſche, entweder gar nicht oder nur
durch ihre Groͤße, oder durch hoͤchſt unbedeutende Merkmale in Form
und aͤußerem Umriß von einander zu unterſcheiden. Bei Allen be-
ſteht der ganze Leib aus weiter Nichts, als aus einer ganz einfachen,
laͤnglichrunden, ovalen oder geigenfoͤrmigen, duͤnnen Scheibe, welche
aus drei uͤber einander liegenden, eng verbundenen Blaͤttern zuſammen-
geſetzt iſt. Jedes dieſer drei Keimblaͤtter beſteht aus weiter Nichts,
als aus gleichartigen Zellen; jedes hat aber eine andere Bedeutung
fuͤr den Aufbau des Wirbelthierkoͤrpers. Aus dem oberen oder aͤußeren
Keimblatt entſteht bloß die aͤußere Oberhaut (Epidermis) nebſt den
Centraltheilen des Nervenſyſtems (Ruͤckenmark und Gehirn); aus
dem unteren oder inneren Blatt entſteht bloß die innere zarte Haut
(Epithelium), welche den ganzen Darmcanal vom Mund bis zum
After, nebſt allen ſeinen Anhangsdruͤſen (Lunge, Leber, Speicheldruͤ-
ſen, Darmdruͤſen u. ſ. w.) auskleidet; aus dem zwiſchen beiden ge-
legenen mittleren Keimblatt entſtehen alle uͤbrigen Organe.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/270>, abgerufen am 24.11.2024.
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