Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Verhältniß der Species zur Bastardzeugnng. schiedenen Arten fruchtbar und können sich fortpflanzen. Fast immerkönnen sie mit einer der beiden Elternarten, bisweilen aber auch rein unter sich fruchtbar sich vermischen. Daraus können aber nach dem "Gesetze der gemischten Vererbung" (S. 165) ganz neue Formen ent- stehen. Jn der That ist so die Bastardzeugung eine Quelle der Ent- stehung neuer Arten, verschieden von der bisher betrachteten Quelle der natürlichen Züchtung. Da im Ganzen diese Erscheinungen noch dunkel und die meisten Beobachtungen noch sehr lückenhaft sind, so wollen wir uns bei denselben hier nicht weiter aufhalten. Nur ein paar Beispiele von neuen Arten, welche durch Bastardzeugung oder Hybridismus entstanden sind, will ich anführen. Zu den interessantesten gehört das Hasen-Kaninchen (Lepus Darwinii), der Bastard vom Hasen und Kaninchen, welcher in Frankreich schon seit 1850 zu ga- stronomischen Zwecken in vielen Generationen gezüchtet worden ist. Jch besitze selbst durch die Güte des Herrn Dr. Conrad, welcher diese Züchtungsversuche auf seinem Gute wiederholt hat, solche Ba- starde, welche aus reiner Jnzucht hervorgegangen sind, d. h. deren beide Eltern selbst Bastarde eines Hasenvaters und einer Kaninchen- mutter sind 17). Nun sind aber Hase und Kaninchen zwei so ver- schiedene Species der Gattung Lepus, daß kein Systematiker sie als Varietäten eines Genus anerkennen wird. Man kennt ferner fruchtbare Bastarde von Schafen und Ziegen, die in Chile seit langer Zeit zu industriellen Zwecken gezogen werden. Welche unwesentliche Um- stände bei der geschlechtlichen Vermischung die Fruchtbarkeit der ver- schiedenen Arten bedingen, das zeigt der Umstand, daß Ziegenböcke und Schafe bei ihrer Vermischung fruchtbare Bastarde erzeugen, wäh- rend Schafbock und Ziege sich überhaupt selten paaren, und dann ohne Erfolg. So sind also die Erscheinungen des Hybridismus, auf welche man irrthümlicherweise ein ganz übertriebenes Gewicht gelegt hat, für den Speciesbegriff von durchaus untergeordneter Bedeutung, so daß wir bei ihnen nicht länger zu verweilen brauchen. Daß die vielen vergeblichen Versuche, den Speciesbegriff theore- Verhaͤltniß der Species zur Baſtardzeugnng. ſchiedenen Arten fruchtbar und koͤnnen ſich fortpflanzen. Faſt immerkoͤnnen ſie mit einer der beiden Elternarten, bisweilen aber auch rein unter ſich fruchtbar ſich vermiſchen. Daraus koͤnnen aber nach dem „Geſetze der gemiſchten Vererbung“ (S. 165) ganz neue Formen ent- ſtehen. Jn der That iſt ſo die Baſtardzeugung eine Quelle der Ent- ſtehung neuer Arten, verſchieden von der bisher betrachteten Quelle der natuͤrlichen Zuͤchtung. Da im Ganzen dieſe Erſcheinungen noch dunkel und die meiſten Beobachtungen noch ſehr luͤckenhaft ſind, ſo wollen wir uns bei denſelben hier nicht weiter aufhalten. Nur ein paar Beiſpiele von neuen Arten, welche durch Baſtardzeugung oder Hybridismus entſtanden ſind, will ich anfuͤhren. Zu den intereſſanteſten gehoͤrt das Haſen-Kaninchen (Lepus Darwinii), der Baſtard vom Haſen und Kaninchen, welcher in Frankreich ſchon ſeit 1850 zu ga- ſtronomiſchen Zwecken in vielen Generationen gezuͤchtet worden iſt. Jch beſitze ſelbſt durch die Guͤte des Herrn Dr. Conrad, welcher dieſe Zuͤchtungsverſuche auf ſeinem Gute wiederholt hat, ſolche Ba- ſtarde, welche aus reiner Jnzucht hervorgegangen ſind, d. h. deren beide Eltern ſelbſt Baſtarde eines Haſenvaters und einer Kaninchen- mutter ſind 17). Nun ſind aber Haſe und Kaninchen zwei ſo ver- ſchiedene Species der Gattung Lepus, daß kein Syſtematiker ſie als Varietaͤten eines Genus anerkennen wird. Man kennt ferner fruchtbare Baſtarde von Schafen und Ziegen, die in Chile ſeit langer Zeit zu induſtriellen Zwecken gezogen werden. Welche unweſentliche Um- ſtaͤnde bei der geſchlechtlichen Vermiſchung die Fruchtbarkeit der ver- ſchiedenen Arten bedingen, das zeigt der Umſtand, daß Ziegenboͤcke und Schafe bei ihrer Vermiſchung fruchtbare Baſtarde erzeugen, waͤh- rend Schafbock und Ziege ſich uͤberhaupt ſelten paaren, und dann ohne Erfolg. So ſind alſo die Erſcheinungen des Hybridismus, auf welche man irrthuͤmlicherweiſe ein ganz uͤbertriebenes Gewicht gelegt hat, fuͤr den Speciesbegriff von durchaus untergeordneter Bedeutung, ſo daß wir bei ihnen nicht laͤnger zu verweilen brauchen. Daß die vielen vergeblichen Verſuche, den Speciesbegriff theore- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="222"/><fw place="top" type="header">Verhaͤltniß der Species zur Baſtardzeugnng.</fw><lb/> ſchiedenen Arten fruchtbar und koͤnnen ſich fortpflanzen. Faſt immer<lb/> koͤnnen ſie mit einer der beiden Elternarten, bisweilen aber auch rein<lb/> unter ſich fruchtbar ſich vermiſchen. Daraus koͤnnen aber nach dem<lb/> „Geſetze der gemiſchten Vererbung“ (S. 165) ganz neue Formen ent-<lb/> ſtehen. Jn der That iſt ſo die Baſtardzeugung eine Quelle der Ent-<lb/> ſtehung neuer Arten, verſchieden von der bisher betrachteten Quelle der<lb/> natuͤrlichen Zuͤchtung. Da im Ganzen dieſe Erſcheinungen noch dunkel<lb/> und die meiſten Beobachtungen noch ſehr luͤckenhaft ſind, ſo wollen wir<lb/> uns bei denſelben hier nicht weiter aufhalten. Nur ein paar Beiſpiele<lb/> von neuen Arten, welche durch Baſtardzeugung oder Hybridismus<lb/> entſtanden ſind, will ich anfuͤhren. 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Verhaͤltniß der Species zur Baſtardzeugnng.
ſchiedenen Arten fruchtbar und koͤnnen ſich fortpflanzen. Faſt immer
koͤnnen ſie mit einer der beiden Elternarten, bisweilen aber auch rein
unter ſich fruchtbar ſich vermiſchen. Daraus koͤnnen aber nach dem
„Geſetze der gemiſchten Vererbung“ (S. 165) ganz neue Formen ent-
ſtehen. Jn der That iſt ſo die Baſtardzeugung eine Quelle der Ent-
ſtehung neuer Arten, verſchieden von der bisher betrachteten Quelle der
natuͤrlichen Zuͤchtung. Da im Ganzen dieſe Erſcheinungen noch dunkel
und die meiſten Beobachtungen noch ſehr luͤckenhaft ſind, ſo wollen wir
uns bei denſelben hier nicht weiter aufhalten. Nur ein paar Beiſpiele
von neuen Arten, welche durch Baſtardzeugung oder Hybridismus
entſtanden ſind, will ich anfuͤhren. Zu den intereſſanteſten gehoͤrt
das Haſen-Kaninchen (Lepus Darwinii), der Baſtard vom
Haſen und Kaninchen, welcher in Frankreich ſchon ſeit 1850 zu ga-
ſtronomiſchen Zwecken in vielen Generationen gezuͤchtet worden iſt.
Jch beſitze ſelbſt durch die Guͤte des Herrn Dr. Conrad, welcher
dieſe Zuͤchtungsverſuche auf ſeinem Gute wiederholt hat, ſolche Ba-
ſtarde, welche aus reiner Jnzucht hervorgegangen ſind, d. h. deren
beide Eltern ſelbſt Baſtarde eines Haſenvaters und einer Kaninchen-
mutter ſind 17). Nun ſind aber Haſe und Kaninchen zwei ſo ver-
ſchiedene Species der Gattung Lepus, daß kein Syſtematiker ſie als
Varietaͤten eines Genus anerkennen wird. Man kennt ferner fruchtbare
Baſtarde von Schafen und Ziegen, die in Chile ſeit langer Zeit zu
induſtriellen Zwecken gezogen werden. Welche unweſentliche Um-
ſtaͤnde bei der geſchlechtlichen Vermiſchung die Fruchtbarkeit der ver-
ſchiedenen Arten bedingen, das zeigt der Umſtand, daß Ziegenboͤcke
und Schafe bei ihrer Vermiſchung fruchtbare Baſtarde erzeugen, waͤh-
rend Schafbock und Ziege ſich uͤberhaupt ſelten paaren, und dann
ohne Erfolg. So ſind alſo die Erſcheinungen des Hybridismus, auf
welche man irrthuͤmlicherweiſe ein ganz uͤbertriebenes Gewicht gelegt
hat, fuͤr den Speciesbegriff von durchaus untergeordneter Bedeutung,
ſo daß wir bei ihnen nicht laͤnger zu verweilen brauchen.
Daß die vielen vergeblichen Verſuche, den Speciesbegriff theore-
tiſch feſtzuſtellen, mit der praktiſchen Speciesunterſcheidung gar Nichts
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