Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Ursachen und Folgen des Kampfes um's Dasein. um die Lebensbedürfnisse, von welchem ich Jhnen bereits im siebentenVortrage ein Bild entwarf. Jener Kampf um's Dasein ist es, welcher die natürliche Züchtung veranlaßt, welcher die Wechselwirkung der Vererbungs- und Anpassungserscheinungen züchtend benutzt und da- durch an einer beständigen Umbildung aller organischen Formen ar- beitet. Jmmer werden in jenem Kampf um die Erlangung der noth- wendigen Existenzbedingungen diejenigen Jndividuen ihre Nebenbuhler besiegen, welche irgend eine individuelle Begünstigung, eine vortheil- hafte Eigenschaft besitzen, die ihren Mitbewerbern fehlt. Freilich können wir nur in den wenigsten Fällen, bei uns näher bekannten Thieren und Pflanzen, uns eine ungefähre Vorstellung von der un- endlich complicirten Wechselwirkung der zahlreichen Verhältnisse ma- chen, welche alle hierbei in Frage kommen. Denken Sie nur daran, wie unendlich mannichfaltig und verwickelt die Beziehungen jedes ein- zelnen Menschen zu den übrigen und überhaupt zu der ihn umgeben- den Außenwelt sind. Aehnliche Beziehungen walten aber auch zwi- schen allen Thieren und Pflanzen, die an einem Orte mit einander le- ben. Alle wirken gegenseitig, activ oder passiv, auf einander ein. Jedes Thier, jede Pflanze kämpft direct mit einer Anzahl von Feinden, welche denselben nachstellen, mit Raubthieren, parasitischen Thieren u. s. w. Die zusammenstehenden Pflanzen kämpfen mit einander um den Bodenraum, den ihre Wurzeln bedürfen, um die nothwendige Menge von Licht, Luft, Feuchtigkeit u. s. w. Ebenso ringen die Thiere eines jeden Bezirks mit einander um ihre Nahrung, Wohnung u. s. w. Es wird in diesem äußerst lebhaften und verwickelten Kampf jeder noch so kleine persönliche Vorzug, jeder individuelle Vortheil möglicherweise den Ausschlag geben können, zu Gunsten seines Be- sitzers. Dieses bevorzugte einzelne Jndividuum bleibt im Kampfe Sieger und pflanzt sich fort, während seine Mitbewerber zu Grunde gehen, ehe sie zur Fortpflanzung gelangen. Der persönliche Vorzug, welcher ihm den Sieg verlieh, wird auf seine Nachkommen vererbt, und kann durch weitere Ausbildung die Ursache zur Bildung einer neuen Art werden. Urſachen und Folgen des Kampfes um’s Daſein. um die Lebensbeduͤrfniſſe, von welchem ich Jhnen bereits im ſiebentenVortrage ein Bild entwarf. Jener Kampf um’s Daſein iſt es, welcher die natuͤrliche Zuͤchtung veranlaßt, welcher die Wechſelwirkung der Vererbungs- und Anpaſſungserſcheinungen zuͤchtend benutzt und da- durch an einer beſtaͤndigen Umbildung aller organiſchen Formen ar- beitet. Jmmer werden in jenem Kampf um die Erlangung der noth- wendigen Exiſtenzbedingungen diejenigen Jndividuen ihre Nebenbuhler beſiegen, welche irgend eine individuelle Beguͤnſtigung, eine vortheil- hafte Eigenſchaft beſitzen, die ihren Mitbewerbern fehlt. Freilich koͤnnen wir nur in den wenigſten Faͤllen, bei uns naͤher bekannten Thieren und Pflanzen, uns eine ungefaͤhre Vorſtellung von der un- endlich complicirten Wechſelwirkung der zahlreichen Verhaͤltniſſe ma- chen, welche alle hierbei in Frage kommen. Denken Sie nur daran, wie unendlich mannichfaltig und verwickelt die Beziehungen jedes ein- zelnen Menſchen zu den uͤbrigen und uͤberhaupt zu der ihn umgeben- den Außenwelt ſind. Aehnliche Beziehungen walten aber auch zwi- ſchen allen Thieren und Pflanzen, die an einem Orte mit einander le- ben. Alle wirken gegenſeitig, activ oder paſſiv, auf einander ein. Jedes Thier, jede Pflanze kaͤmpft direct mit einer Anzahl von Feinden, welche denſelben nachſtellen, mit Raubthieren, paraſitiſchen Thieren u. ſ. w. Die zuſammenſtehenden Pflanzen kaͤmpfen mit einander um den Bodenraum, den ihre Wurzeln beduͤrfen, um die nothwendige Menge von Licht, Luft, Feuchtigkeit u. ſ. w. Ebenſo ringen die Thiere eines jeden Bezirks mit einander um ihre Nahrung, Wohnung u. ſ. w. Es wird in dieſem aͤußerſt lebhaften und verwickelten Kampf jeder noch ſo kleine perſoͤnliche Vorzug, jeder individuelle Vortheil moͤglicherweiſe den Ausſchlag geben koͤnnen, zu Gunſten ſeines Be- ſitzers. Dieſes bevorzugte einzelne Jndividuum bleibt im Kampfe Sieger und pflanzt ſich fort, waͤhrend ſeine Mitbewerber zu Grunde gehen, ehe ſie zur Fortpflanzung gelangen. Der perſoͤnliche Vorzug, welcher ihm den Sieg verlieh, wird auf ſeine Nachkommen vererbt, und kann durch weitere Ausbildung die Urſache zur Bildung einer neuen Art werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0228" n="207"/><fw place="top" type="header">Urſachen und Folgen des Kampfes um’s Daſein.</fw><lb/> um die Lebensbeduͤrfniſſe, von welchem ich Jhnen bereits im ſiebenten<lb/> Vortrage ein Bild entwarf. Jener Kampf um’s Daſein iſt es, welcher<lb/> die natuͤrliche Zuͤchtung veranlaßt, welcher die Wechſelwirkung der<lb/> Vererbungs- und Anpaſſungserſcheinungen zuͤchtend benutzt und da-<lb/> durch an einer beſtaͤndigen Umbildung aller organiſchen Formen ar-<lb/> beitet. Jmmer werden in jenem Kampf um die Erlangung der noth-<lb/> wendigen Exiſtenzbedingungen diejenigen Jndividuen ihre Nebenbuhler<lb/> beſiegen, welche irgend eine individuelle Beguͤnſtigung, eine vortheil-<lb/> hafte Eigenſchaft beſitzen, die ihren Mitbewerbern fehlt. Freilich<lb/> koͤnnen wir nur in den wenigſten Faͤllen, bei uns naͤher bekannten<lb/> Thieren und Pflanzen, uns eine ungefaͤhre Vorſtellung von der un-<lb/> endlich complicirten Wechſelwirkung der zahlreichen Verhaͤltniſſe ma-<lb/> chen, welche alle hierbei in Frage kommen. Denken Sie nur daran,<lb/> wie unendlich mannichfaltig und verwickelt die Beziehungen jedes ein-<lb/> zelnen Menſchen zu den uͤbrigen und uͤberhaupt zu der ihn umgeben-<lb/> den Außenwelt ſind. Aehnliche Beziehungen walten aber auch zwi-<lb/> ſchen allen Thieren und Pflanzen, die an einem Orte mit einander le-<lb/> ben. Alle wirken gegenſeitig, activ oder paſſiv, auf einander ein.<lb/> Jedes Thier, jede Pflanze kaͤmpft direct mit einer Anzahl von Feinden,<lb/> welche denſelben nachſtellen, mit Raubthieren, paraſitiſchen Thieren<lb/> u. ſ. w. Die zuſammenſtehenden Pflanzen kaͤmpfen mit einander um<lb/> den Bodenraum, den ihre Wurzeln beduͤrfen, um die nothwendige<lb/> Menge von Licht, Luft, Feuchtigkeit u. ſ. w. Ebenſo ringen die<lb/> Thiere eines jeden Bezirks mit einander um ihre Nahrung, Wohnung<lb/> u. ſ. w. Es wird in dieſem aͤußerſt lebhaften und verwickelten Kampf<lb/> jeder noch ſo kleine perſoͤnliche Vorzug, jeder individuelle Vortheil<lb/> moͤglicherweiſe den Ausſchlag geben koͤnnen, zu Gunſten ſeines Be-<lb/> ſitzers. Dieſes bevorzugte einzelne Jndividuum bleibt im Kampfe<lb/> Sieger und pflanzt ſich fort, waͤhrend ſeine Mitbewerber zu Grunde<lb/> gehen, ehe ſie zur Fortpflanzung gelangen. Der perſoͤnliche Vorzug,<lb/> welcher ihm den Sieg verlieh, wird auf ſeine Nachkommen vererbt,<lb/> und kann durch weitere Ausbildung die Urſache zur Bildung einer<lb/> neuen Art werden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [207/0228]
Urſachen und Folgen des Kampfes um’s Daſein.
um die Lebensbeduͤrfniſſe, von welchem ich Jhnen bereits im ſiebenten
Vortrage ein Bild entwarf. Jener Kampf um’s Daſein iſt es, welcher
die natuͤrliche Zuͤchtung veranlaßt, welcher die Wechſelwirkung der
Vererbungs- und Anpaſſungserſcheinungen zuͤchtend benutzt und da-
durch an einer beſtaͤndigen Umbildung aller organiſchen Formen ar-
beitet. Jmmer werden in jenem Kampf um die Erlangung der noth-
wendigen Exiſtenzbedingungen diejenigen Jndividuen ihre Nebenbuhler
beſiegen, welche irgend eine individuelle Beguͤnſtigung, eine vortheil-
hafte Eigenſchaft beſitzen, die ihren Mitbewerbern fehlt. Freilich
koͤnnen wir nur in den wenigſten Faͤllen, bei uns naͤher bekannten
Thieren und Pflanzen, uns eine ungefaͤhre Vorſtellung von der un-
endlich complicirten Wechſelwirkung der zahlreichen Verhaͤltniſſe ma-
chen, welche alle hierbei in Frage kommen. Denken Sie nur daran,
wie unendlich mannichfaltig und verwickelt die Beziehungen jedes ein-
zelnen Menſchen zu den uͤbrigen und uͤberhaupt zu der ihn umgeben-
den Außenwelt ſind. Aehnliche Beziehungen walten aber auch zwi-
ſchen allen Thieren und Pflanzen, die an einem Orte mit einander le-
ben. Alle wirken gegenſeitig, activ oder paſſiv, auf einander ein.
Jedes Thier, jede Pflanze kaͤmpft direct mit einer Anzahl von Feinden,
welche denſelben nachſtellen, mit Raubthieren, paraſitiſchen Thieren
u. ſ. w. Die zuſammenſtehenden Pflanzen kaͤmpfen mit einander um
den Bodenraum, den ihre Wurzeln beduͤrfen, um die nothwendige
Menge von Licht, Luft, Feuchtigkeit u. ſ. w. Ebenſo ringen die
Thiere eines jeden Bezirks mit einander um ihre Nahrung, Wohnung
u. ſ. w. Es wird in dieſem aͤußerſt lebhaften und verwickelten Kampf
jeder noch ſo kleine perſoͤnliche Vorzug, jeder individuelle Vortheil
moͤglicherweiſe den Ausſchlag geben koͤnnen, zu Gunſten ſeines Be-
ſitzers. Dieſes bevorzugte einzelne Jndividuum bleibt im Kampfe
Sieger und pflanzt ſich fort, waͤhrend ſeine Mitbewerber zu Grunde
gehen, ehe ſie zur Fortpflanzung gelangen. Der perſoͤnliche Vorzug,
welcher ihm den Sieg verlieh, wird auf ſeine Nachkommen vererbt,
und kann durch weitere Ausbildung die Urſache zur Bildung einer
neuen Art werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |