Gesetze der indirecten Anpassung. Jndividuelle Anpassung.
Die indirecte oder potentielle Anpassung äußerte sich, wie Sie sich erinnern werden, in der auffallenden und äußerst wichtigen Thatsache, daß die organischen Jndividuen Umbildungen erleiden und neue Formen annehmen in Folge von Ernährungsveränderungen, welche nicht sie selbst, sondern ihren elterlichen Organismus betrafen. Der umgestaltende Einfluß der äußeren Existenzbedingungen, des Kli- mas, der Nahrung etc. äußert hier seine Wirkung nicht direct, in der Umbildung des Organismus selbst, sondern indirect, in derjenigen sei- ner Nachkommen (Gen. Morph. II., 202).
Als das oberste und allgemeinste von den Gesetzen der indirecten Abänderung können wir das Gesetz der individuellen An- passung hinstellen, nämlich den wichtigen Satz, daß alle organischen Jndividuen von Anbeginn ihrer individuellen Existenz an ungleich, wenn auch oft höchst ähnlich sind. Zum Beweis dieses Satzes können wir zunächst auf die Thatsache hinweisen, daß beim Menschen allge- mein alle Geschwister, alle Kinder eines Elternpaares von Geburt an ungleich sind. Es wird Niemand behaupten, daß zwei Geschwister von der Geburt an vollkommen gleich sind, daß die Größe aller einzel- nen Körpertheile, die Zahl der Kopfhaare, der Oberhautzellen, der Blutzellen in beiden Geschwistern ganz gleich sei, daß beide dieselben Anlagen und Talente mit auf die Welt gebracht haben. Ganz beson- ders beweisend für dieses Gesetz der individuellen Verschiedenheit ist aber die Thatsache, daß bei denjenigen Thieren, welche mehrere Junge werfen, z. B. bei den Hunden und Katzen, alle Jungen eines jeden Wurfes von einander verschieden sind, bald durch geringere, bald durch auffallendere Differenzen in der Größe, Färbung, Länge der einzel- nen Körpertheile, Stärke u. s. w. Nun gilt aber dieses Gesetz ganz allgemein. Alle organischen Jndividuen sind von Anfang an durch ge- wisse, wenn auch oft höchst feine Unterschiede ausgezeichnet und die Ur- sache dieser individuellen Unterschiede, wenn auch im Einzelnen uns gewöhnlich ganz unbekannt, liegt theilweise oder ausschließlich in ge- wissen Einwirkungen, welche die Fortpflanzungsorgane des elterli- chen Organismus erfahren haben.
Geſetze der indirecten Anpaſſung. Jndividuelle Anpaſſung.
Die indirecte oder potentielle Anpaſſung aͤußerte ſich, wie Sie ſich erinnern werden, in der auffallenden und aͤußerſt wichtigen Thatſache, daß die organiſchen Jndividuen Umbildungen erleiden und neue Formen annehmen in Folge von Ernaͤhrungsveraͤnderungen, welche nicht ſie ſelbſt, ſondern ihren elterlichen Organismus betrafen. Der umgeſtaltende Einfluß der aͤußeren Exiſtenzbedingungen, des Kli- mas, der Nahrung ꝛc. aͤußert hier ſeine Wirkung nicht direct, in der Umbildung des Organismus ſelbſt, ſondern indirect, in derjenigen ſei- ner Nachkommen (Gen. Morph. II., 202).
Als das oberſte und allgemeinſte von den Geſetzen der indirecten Abaͤnderung koͤnnen wir das Geſetz der individuellen An- paſſung hinſtellen, naͤmlich den wichtigen Satz, daß alle organiſchen Jndividuen von Anbeginn ihrer individuellen Exiſtenz an ungleich, wenn auch oft hoͤchſt aͤhnlich ſind. Zum Beweis dieſes Satzes koͤnnen wir zunaͤchſt auf die Thatſache hinweiſen, daß beim Menſchen allge- mein alle Geſchwiſter, alle Kinder eines Elternpaares von Geburt an ungleich ſind. Es wird Niemand behaupten, daß zwei Geſchwiſter von der Geburt an vollkommen gleich ſind, daß die Groͤße aller einzel- nen Koͤrpertheile, die Zahl der Kopfhaare, der Oberhautzellen, der Blutzellen in beiden Geſchwiſtern ganz gleich ſei, daß beide dieſelben Anlagen und Talente mit auf die Welt gebracht haben. Ganz beſon- ders beweiſend fuͤr dieſes Geſetz der individuellen Verſchiedenheit iſt aber die Thatſache, daß bei denjenigen Thieren, welche mehrere Junge werfen, z. B. bei den Hunden und Katzen, alle Jungen eines jeden Wurfes von einander verſchieden ſind, bald durch geringere, bald durch auffallendere Differenzen in der Groͤße, Faͤrbung, Laͤnge der einzel- nen Koͤrpertheile, Staͤrke u. ſ. w. Nun gilt aber dieſes Geſetz ganz allgemein. Alle organiſchen Jndividuen ſind von Anfang an durch ge- wiſſe, wenn auch oft hoͤchſt feine Unterſchiede ausgezeichnet und die Ur- ſache dieſer individuellen Unterſchiede, wenn auch im Einzelnen uns gewoͤhnlich ganz unbekannt, liegt theilweiſe oder ausſchließlich in ge- wiſſen Einwirkungen, welche die Fortpflanzungsorgane des elterli- chen Organismus erfahren haben.
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[181/0202]
Geſetze der indirecten Anpaſſung. Jndividuelle Anpaſſung.
Die indirecte oder potentielle Anpaſſung aͤußerte ſich,
wie Sie ſich erinnern werden, in der auffallenden und aͤußerſt wichtigen
Thatſache, daß die organiſchen Jndividuen Umbildungen erleiden und
neue Formen annehmen in Folge von Ernaͤhrungsveraͤnderungen,
welche nicht ſie ſelbſt, ſondern ihren elterlichen Organismus betrafen.
Der umgeſtaltende Einfluß der aͤußeren Exiſtenzbedingungen, des Kli-
mas, der Nahrung ꝛc. aͤußert hier ſeine Wirkung nicht direct, in der
Umbildung des Organismus ſelbſt, ſondern indirect, in derjenigen ſei-
ner Nachkommen (Gen. Morph. II., 202).
Als das oberſte und allgemeinſte von den Geſetzen der indirecten
Abaͤnderung koͤnnen wir das Geſetz der individuellen An-
paſſung hinſtellen, naͤmlich den wichtigen Satz, daß alle organiſchen
Jndividuen von Anbeginn ihrer individuellen Exiſtenz an ungleich,
wenn auch oft hoͤchſt aͤhnlich ſind. Zum Beweis dieſes Satzes koͤnnen
wir zunaͤchſt auf die Thatſache hinweiſen, daß beim Menſchen allge-
mein alle Geſchwiſter, alle Kinder eines Elternpaares von Geburt an
ungleich ſind. Es wird Niemand behaupten, daß zwei Geſchwiſter
von der Geburt an vollkommen gleich ſind, daß die Groͤße aller einzel-
nen Koͤrpertheile, die Zahl der Kopfhaare, der Oberhautzellen, der
Blutzellen in beiden Geſchwiſtern ganz gleich ſei, daß beide dieſelben
Anlagen und Talente mit auf die Welt gebracht haben. Ganz beſon-
ders beweiſend fuͤr dieſes Geſetz der individuellen Verſchiedenheit iſt
aber die Thatſache, daß bei denjenigen Thieren, welche mehrere Junge
werfen, z. B. bei den Hunden und Katzen, alle Jungen eines jeden
Wurfes von einander verſchieden ſind, bald durch geringere, bald durch
auffallendere Differenzen in der Groͤße, Faͤrbung, Laͤnge der einzel-
nen Koͤrpertheile, Staͤrke u. ſ. w. Nun gilt aber dieſes Geſetz ganz
allgemein. Alle organiſchen Jndividuen ſind von Anfang an durch ge-
wiſſe, wenn auch oft hoͤchſt feine Unterſchiede ausgezeichnet und die Ur-
ſache dieſer individuellen Unterſchiede, wenn auch im Einzelnen uns
gewoͤhnlich ganz unbekannt, liegt theilweiſe oder ausſchließlich in ge-
wiſſen Einwirkungen, welche die Fortpflanzungsorgane des elterli-
chen Organismus erfahren haben.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/202>, abgerufen am 29.11.2024.
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