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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Zusammenhang der Anpassung und der Ernährung.
die Fortpflanzung als allgemeine Grundursache nachwiesen, die Ueber-
tragung der elterlichen Materie auf den kindlichen Körper, so können
wir für die Thatsachen der Anpassung oder Abänderung als die allge-
meine Grundursache die physiologische Thätigkeit der Ernährung
oder des Stoffwechsels hinstellen. Wenn ich Jhnen hier die "Er-
nährung" als Grundursache der Abänderung und Anpassung anführe,
so nehme ich dieses Wort im weitesten Sinne, und verstehe darunter
fast die gesammten materiellen Wechselbeziehungen, welche der Orga-
nismus in allen seinen Theilen zu der ihn umgebenden Außenwelt
besitzt. Es gehört also zur Ernährung nicht allein die Aufnahme der
wirklich nährenden Stoffe und der Einfluß der verschiedenartigen Nah-
rung, sondern auch z. B. die Einwirkung des Wassers und der Ath-
mosphäre, der Einfluß des Sonnenlichts, der Temperatur und aller
derjenigen meteorologischen Erscheinungen, welche man unter dem
Begriff "Klima" zusammenfaßt. Auch der mittelbare und unmittel-
bare Einfluß der Bodenbeschaffenheit und des Wohnorts gehört hier-
her, ferner der äußerst wichtige und vielseitige Einfluß, welchen die
umgebenden Organismen, die Freunde und Nachbarn, die Feinde
und Räuber, die Schmarotzer oder Parasiten u. s. w. auf jedes Thier
und auf jede Pflanze ausüben. Alle diese und noch viele andere höchst
wichtige Einwirkungen, welche alle den Organismus mehr oder we-
niger zu verändern im Stande sind, müssen hier bei der Ernährung in
Betracht gezogen werden. Jn diesem weitesten Sinne ist also die Er-
nährung durch sämmtliche Wechselbeziehungen des Or-
ganismus zu der ihn umgebenden Außenwelt bedingt.

Diese Beziehungen sind natürlich stets ganz materielle, und die Verän-
derungen, welche aus diesen Wechselbeziehungen durch die Anpassung
folgen, beruhen wieder auf rein mechanischen, d. h. physikalischen und
chemischen Ursachen.

Wie sehr jeder Organismus von seiner gesammten äußern Umge-
bung abhängt und durch deren Wechsel verändert wird, ist Jhnen
Allen im Allgemeinen bekannt. Denken Sie bloß daran, wie die
menschliche Thatkraft von der Temperatur der Luft abhängig ist, oder

Zuſammenhang der Anpaſſung und der Ernaͤhrung.
die Fortpflanzung als allgemeine Grundurſache nachwieſen, die Ueber-
tragung der elterlichen Materie auf den kindlichen Koͤrper, ſo koͤnnen
wir fuͤr die Thatſachen der Anpaſſung oder Abaͤnderung als die allge-
meine Grundurſache die phyſiologiſche Thaͤtigkeit der Ernaͤhrung
oder des Stoffwechſels hinſtellen. Wenn ich Jhnen hier die „Er-
naͤhrung“ als Grundurſache der Abaͤnderung und Anpaſſung anfuͤhre,
ſo nehme ich dieſes Wort im weiteſten Sinne, und verſtehe darunter
faſt die geſammten materiellen Wechſelbeziehungen, welche der Orga-
nismus in allen ſeinen Theilen zu der ihn umgebenden Außenwelt
beſitzt. Es gehoͤrt alſo zur Ernaͤhrung nicht allein die Aufnahme der
wirklich naͤhrenden Stoffe und der Einfluß der verſchiedenartigen Nah-
rung, ſondern auch z. B. die Einwirkung des Waſſers und der Ath-
moſphaͤre, der Einfluß des Sonnenlichts, der Temperatur und aller
derjenigen meteorologiſchen Erſcheinungen, welche man unter dem
Begriff „Klima“ zuſammenfaßt. Auch der mittelbare und unmittel-
bare Einfluß der Bodenbeſchaffenheit und des Wohnorts gehoͤrt hier-
her, ferner der aͤußerſt wichtige und vielſeitige Einfluß, welchen die
umgebenden Organismen, die Freunde und Nachbarn, die Feinde
und Raͤuber, die Schmarotzer oder Paraſiten u. ſ. w. auf jedes Thier
und auf jede Pflanze ausuͤben. Alle dieſe und noch viele andere hoͤchſt
wichtige Einwirkungen, welche alle den Organismus mehr oder we-
niger zu veraͤndern im Stande ſind, muͤſſen hier bei der Ernaͤhrung in
Betracht gezogen werden. Jn dieſem weiteſten Sinne iſt alſo die Er-
naͤhrung durch ſaͤmmtliche Wechſelbeziehungen des Or-
ganismus zu der ihn umgebenden Außenwelt bedingt.

Dieſe Beziehungen ſind natuͤrlich ſtets ganz materielle, und die Veraͤn-
derungen, welche aus dieſen Wechſelbeziehungen durch die Anpaſſung
folgen, beruhen wieder auf rein mechaniſchen, d. h. phyſikaliſchen und
chemiſchen Urſachen.

Wie ſehr jeder Organismus von ſeiner geſammten aͤußern Umge-
bung abhaͤngt und durch deren Wechſel veraͤndert wird, iſt Jhnen
Allen im Allgemeinen bekannt. Denken Sie bloß daran, wie die
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[175/0196] Zuſammenhang der Anpaſſung und der Ernaͤhrung. die Fortpflanzung als allgemeine Grundurſache nachwieſen, die Ueber- tragung der elterlichen Materie auf den kindlichen Koͤrper, ſo koͤnnen wir fuͤr die Thatſachen der Anpaſſung oder Abaͤnderung als die allge- meine Grundurſache die phyſiologiſche Thaͤtigkeit der Ernaͤhrung oder des Stoffwechſels hinſtellen. Wenn ich Jhnen hier die „Er- naͤhrung“ als Grundurſache der Abaͤnderung und Anpaſſung anfuͤhre, ſo nehme ich dieſes Wort im weiteſten Sinne, und verſtehe darunter faſt die geſammten materiellen Wechſelbeziehungen, welche der Orga- nismus in allen ſeinen Theilen zu der ihn umgebenden Außenwelt beſitzt. Es gehoͤrt alſo zur Ernaͤhrung nicht allein die Aufnahme der wirklich naͤhrenden Stoffe und der Einfluß der verſchiedenartigen Nah- rung, ſondern auch z. B. die Einwirkung des Waſſers und der Ath- moſphaͤre, der Einfluß des Sonnenlichts, der Temperatur und aller derjenigen meteorologiſchen Erſcheinungen, welche man unter dem Begriff „Klima“ zuſammenfaßt. Auch der mittelbare und unmittel- bare Einfluß der Bodenbeſchaffenheit und des Wohnorts gehoͤrt hier- her, ferner der aͤußerſt wichtige und vielſeitige Einfluß, welchen die umgebenden Organismen, die Freunde und Nachbarn, die Feinde und Raͤuber, die Schmarotzer oder Paraſiten u. ſ. w. auf jedes Thier und auf jede Pflanze ausuͤben. Alle dieſe und noch viele andere hoͤchſt wichtige Einwirkungen, welche alle den Organismus mehr oder we- niger zu veraͤndern im Stande ſind, muͤſſen hier bei der Ernaͤhrung in Betracht gezogen werden. Jn dieſem weiteſten Sinne iſt alſo die Er- naͤhrung durch ſaͤmmtliche Wechſelbeziehungen des Or- ganismus zu der ihn umgebenden Außenwelt bedingt. Dieſe Beziehungen ſind natuͤrlich ſtets ganz materielle, und die Veraͤn- derungen, welche aus dieſen Wechſelbeziehungen durch die Anpaſſung folgen, beruhen wieder auf rein mechaniſchen, d. h. phyſikaliſchen und chemiſchen Urſachen. Wie ſehr jeder Organismus von ſeiner geſammten aͤußern Umge- bung abhaͤngt und durch deren Wechſel veraͤndert wird, iſt Jhnen Allen im Allgemeinen bekannt. Denken Sie bloß daran, wie die menſchliche Thatkraft von der Temperatur der Luft abhaͤngig iſt, oder

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/196>, abgerufen am 29.11.2024.