Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
beiden coordinirten Zweige der Anatomie und der Morphogenie oder Entwickelungsgeschichte spalten.
II. Eintheilung der Anatomie und Morphogenie in vier Wissenschaften.
Grössere Schwierigkeiten als die Unterscheidung bietet uns die weitere Eintheilung der genannten beiden Hauptzweige der Morpholo- gie dar. Die Anatomie wird gewöhnlich in die beiden Zweige der gröberen Anatomie oder Organologie und der feineren (mikroskopi- schen) Anatomie oder Histologie gespalten; der ersteren wird die Untersuchung der Zusammensetzung des Körpers aus seinen ver- schiedenen Organen zugewiesen, der letzteren die Erforschung der Zusammensetzung seiner Gewebe aus den Elementartheilen. Indess beruht diese Unterscheidung auf unvollständiger Basis der Erkenntniss und kann, wie wir unten zeigen werden, nicht in dieser Weise beibe- halten werden.
Um zu einer weiteren Eintheilung der Anatomie und der Morpho- genie in untergeordnete Wissenschaftszweige zu gelangen, erscheint es nothwendig, die verschiedenen Qualitäten der organischen For- men, welche das Object jener Disciplinen bilden, eingehender zu be- trachten. Diese stellen sich am deutlichsten und klarsten heraus, wenn man die anorganischen und organischen Formen mit einander ver- gleicht.
Alle Naturkörper der Erde, Organismen und Anorgane, haben das mit einander gemein, dass sie uns entweder als bestimmt abgeschlossene räumliche Einheiten, als Individuen, unmittelbar entgegentreten, oder dass sie sich in mehrere derartige concrete Raumeinheiten oder In- dividuen zerlegen lassen. Diese Individuen, deren Form des Morpho- logen concretes und nächstes Object ist, sind nun bei Organismen und Anorganen von wesentlich verschiedener Qualität.
Die anorganischen Individuen, wie z. B. die einzelnen Kry- stalle, die einzelnen amorphen Körner unkrystallinischer Verbindungen, die einzelnen Wassertropfen etc., zeigen sich fast stets durch und durch homogen, in sich gleichartig, aus Molekülen einer und der- selben Art zusammengesetzt. Da sie im Inneren nicht aus ungleich- artigen Theilen zusammengesetzt sind, so können wir, wenigstens im gröberen Sinne, keine Organe an denselben unterscheiden; und die ganze Morphologie dieser Körper wird sich daher wesentlich auf eine Untersuchung ihrer äusseren Form beschränken. Von einer Organo- logie kann bei den Anorganen eben so wenig, als von einer Zusam- mensetzung des Körpers aus Individuen verschiedener Ordnung die Rede sein. 1)
1) Wir stellen hier absichtlich die wesentlichen Formunterschiede zwischen Organismen und Anorganen so scharf und durchgreifend gegenüber, wie dies
Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
beiden coordinirten Zweige der Anatomie und der Morphogenie oder Entwickelungsgeschichte spalten.
II. Eintheilung der Anatomie und Morphogenie in vier Wissenschaften.
Grössere Schwierigkeiten als die Unterscheidung bietet uns die weitere Eintheilung der genannten beiden Hauptzweige der Morpholo- gie dar. Die Anatomie wird gewöhnlich in die beiden Zweige der gröberen Anatomie oder Organologie und der feineren (mikroskopi- schen) Anatomie oder Histologie gespalten; der ersteren wird die Untersuchung der Zusammensetzung des Körpers aus seinen ver- schiedenen Organen zugewiesen, der letzteren die Erforschung der Zusammensetzung seiner Gewebe aus den Elementartheilen. Indess beruht diese Unterscheidung auf unvollständiger Basis der Erkenntniss und kann, wie wir unten zeigen werden, nicht in dieser Weise beibe- halten werden.
Um zu einer weiteren Eintheilung der Anatomie und der Morpho- genie in untergeordnete Wissenschaftszweige zu gelangen, erscheint es nothwendig, die verschiedenen Qualitäten der organischen For- men, welche das Object jener Disciplinen bilden, eingehender zu be- trachten. Diese stellen sich am deutlichsten und klarsten heraus, wenn man die anorganischen und organischen Formen mit einander ver- gleicht.
Alle Naturkörper der Erde, Organismen und Anorgane, haben das mit einander gemein, dass sie uns entweder als bestimmt abgeschlossene räumliche Einheiten, als Individuen, unmittelbar entgegentreten, oder dass sie sich in mehrere derartige concrete Raumeinheiten oder In- dividuen zerlegen lassen. Diese Individuen, deren Form des Morpho- logen concretes und nächstes Object ist, sind nun bei Organismen und Anorganen von wesentlich verschiedener Qualität.
Die anorganischen Individuen, wie z. B. die einzelnen Kry- stalle, die einzelnen amorphen Körner unkrystallinischer Verbindungen, die einzelnen Wassertropfen etc., zeigen sich fast stets durch und durch homogen, in sich gleichartig, aus Molekülen einer und der- selben Art zusammengesetzt. Da sie im Inneren nicht aus ungleich- artigen Theilen zusammengesetzt sind, so können wir, wenigstens im gröberen Sinne, keine Organe an denselben unterscheiden; und die ganze Morphologie dieser Körper wird sich daher wesentlich auf eine Untersuchung ihrer äusseren Form beschränken. Von einer Organo- logie kann bei den Anorganen eben so wenig, als von einer Zusam- mensetzung des Körpers aus Individuen verschiedener Ordnung die Rede sein. 1)
1) Wir stellen hier absichtlich die wesentlichen Formunterschiede zwischen Organismen und Anorganen so scharf und durchgreifend gegenüber, wie dies
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Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
beiden coordinirten Zweige der Anatomie und der Morphogenie
oder Entwickelungsgeschichte spalten.
II. Eintheilung der Anatomie und Morphogenie in vier Wissenschaften.
Grössere Schwierigkeiten als die Unterscheidung bietet uns die
weitere Eintheilung der genannten beiden Hauptzweige der Morpholo-
gie dar. Die Anatomie wird gewöhnlich in die beiden Zweige der
gröberen Anatomie oder Organologie und der feineren (mikroskopi-
schen) Anatomie oder Histologie gespalten; der ersteren wird die
Untersuchung der Zusammensetzung des Körpers aus seinen ver-
schiedenen Organen zugewiesen, der letzteren die Erforschung der
Zusammensetzung seiner Gewebe aus den Elementartheilen. Indess
beruht diese Unterscheidung auf unvollständiger Basis der Erkenntniss
und kann, wie wir unten zeigen werden, nicht in dieser Weise beibe-
halten werden.
Um zu einer weiteren Eintheilung der Anatomie und der Morpho-
genie in untergeordnete Wissenschaftszweige zu gelangen, erscheint es
nothwendig, die verschiedenen Qualitäten der organischen For-
men, welche das Object jener Disciplinen bilden, eingehender zu be-
trachten. Diese stellen sich am deutlichsten und klarsten heraus, wenn
man die anorganischen und organischen Formen mit einander ver-
gleicht.
Alle Naturkörper der Erde, Organismen und Anorgane, haben das
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räumliche Einheiten, als Individuen, unmittelbar entgegentreten, oder
dass sie sich in mehrere derartige concrete Raumeinheiten oder In-
dividuen zerlegen lassen. Diese Individuen, deren Form des Morpho-
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Anorganen von wesentlich verschiedener Qualität.
Die anorganischen Individuen, wie z. B. die einzelnen Kry-
stalle, die einzelnen amorphen Körner unkrystallinischer Verbindungen,
die einzelnen Wassertropfen etc., zeigen sich fast stets durch und
durch homogen, in sich gleichartig, aus Molekülen einer und der-
selben Art zusammengesetzt. Da sie im Inneren nicht aus ungleich-
artigen Theilen zusammengesetzt sind, so können wir, wenigstens im
gröberen Sinne, keine Organe an denselben unterscheiden; und die
ganze Morphologie dieser Körper wird sich daher wesentlich auf eine
Untersuchung ihrer äusseren Form beschränken. Von einer Organo-
logie kann bei den Anorganen eben so wenig, als von einer Zusam-
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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