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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Morphologische Individualität der Organismen.
herum neben einander liegen. Antimeren oder Gegenstücke dagegen
sind entsprechende Theile, welche um die Hauptaxe (Längsaxe) des
Körpers herum neben einander liegen. Parameren sind stets unterge-
ordnete Theile eines Form-Individuums erster oder zweiter, Antimeren
dagegen stets vierter oder fünfter Ordnung. Die Parameren verhalten
sich demnach zu den Antimeren ganz analog, wie die sogleich zu
besprechenden Epimeren zu den Metameren.

IV. Morphologische Individuen vierter Ordnung:
Metameren oder Folgestücke.
(Homodyname Theile oder allgemein homologe Theile.)

Mehr Aufmerksamkeit, als den Antimeren, hat man bisher den
Metameren geschenkt, obwohl dieselben gewöhnlich nicht in so con-
stanter Zahl und in so begrenzter Form als gestaltbestimmende Ein-
heiten zu einer Mehrheit zusammentreten, wie es bei jenen der Fall
ist. Da dieselben aber häufiger als die Antimeren die Rolle von
physiologischen Individuen spielen, und ausserdem in der Axe der
Phanerogamen als Stengelglieder, im Rumpfe der Vertebraten und
Articulaten, (dort innerlich als "Wirbelsegmente", hier äusserlich
als Ringe oder Zoniten) sehr auffallend hervortreten, so hat man ihnen
immerhin eingehendere Betrachtungen in einzelnen Stämmen gewidmet.

Das Verhältniss der Metameren zu den Antimeren ist bisher unseres
Wissens nur von dem trefflichen Bronn näher zu bestimmen versucht
worden, welcher sich in seinen morphologischen Studien (p. 410) folgender-
maassen über diese beiderlei wesentlichen Formeinheiten ausspricht: "Man
hat Homologie genannt die vollkommene Uebereinstimmung der Theile
verschiedener Pflanzen und Thiere in ihrer relativen ursprünglichen Lage,
anderen Theilen gegenüber, ohne alle Rücksicht auf ihre Form. So sind
die Vorderbeine aller Wirbelthiere homolog, mögen es nun Flossen, Flügel,
Grab-Apparate, Gehfüsse oder Arme mit Händen sein. Wir haben früher
(1850) Theile eines und desselben Thieres homonom (gleichgesetzlich) ge-
nannt, welche von einerlei Art oder nach einerlei Gesetz oder Plan ge-
bildet sind, müssen aber jetzt der Deutlichkeit wegen noch genauer unter-
scheiden. Wir nennen homotypische solche Organe, welche nach der
Grundform des Typus oder System-Kreises, wozu sie gehören, eine ganz
identische Stelle im Individuum einnehmen und daher auch ihrer Zahl nach
fest bestimmt sind. Sie werden daher in ihrer Lage in Bezug zur Haupt-
axe des Organismus so weit übereinstimmen, dass sie den zwei Polen einer
beliebigen Queraxe oder zweier gleicher Radien desselben entsprechen.
Dann wird es also bei jedem höheren Thiere nur zwei homotypische Beine,
Finger, Rippen, Zähne, und bei den Strahlthieren nur je vier, fünf, sechs
homotypische Strahlen, Arme, Fühlergänge, Strahlenleisten und dgl.

Morphologische Individualität der Organismen.
herum neben einander liegen. Antimeren oder Gegenstücke dagegen
sind entsprechende Theile, welche um die Hauptaxe (Längsaxe) des
Körpers herum neben einander liegen. Parameren sind stets unterge-
ordnete Theile eines Form-Individuums erster oder zweiter, Antimeren
dagegen stets vierter oder fünfter Ordnung. Die Parameren verhalten
sich demnach zu den Antimeren ganz analog, wie die sogleich zu
besprechenden Epimeren zu den Metameren.

IV. Morphologische Individuen vierter Ordnung:
Metameren oder Folgestücke.
(Homodyname Theile oder allgemein homologe Theile.)

Mehr Aufmerksamkeit, als den Antimeren, hat man bisher den
Metameren geschenkt, obwohl dieselben gewöhnlich nicht in so con-
stanter Zahl und in so begrenzter Form als gestaltbestimmende Ein-
heiten zu einer Mehrheit zusammentreten, wie es bei jenen der Fall
ist. Da dieselben aber häufiger als die Antimeren die Rolle von
physiologischen Individuen spielen, und ausserdem in der Axe der
Phanerogamen als Stengelglieder, im Rumpfe der Vertebraten und
Articulaten, (dort innerlich als „Wirbelsegmente“, hier äusserlich
als Ringe oder Zoniten) sehr auffallend hervortreten, so hat man ihnen
immerhin eingehendere Betrachtungen in einzelnen Stämmen gewidmet.

Das Verhältniss der Metameren zu den Antimeren ist bisher unseres
Wissens nur von dem trefflichen Bronn näher zu bestimmen versucht
worden, welcher sich in seinen morphologischen Studien (p. 410) folgender-
maassen über diese beiderlei wesentlichen Formeinheiten ausspricht: „Man
hat Homologie genannt die vollkommene Uebereinstimmung der Theile
verschiedener Pflanzen und Thiere in ihrer relativen ursprünglichen Lage,
anderen Theilen gegenüber, ohne alle Rücksicht auf ihre Form. So sind
die Vorderbeine aller Wirbelthiere homolog, mögen es nun Flossen, Flügel,
Grab-Apparate, Gehfüsse oder Arme mit Händen sein. Wir haben früher
(1850) Theile eines und desselben Thieres homonom (gleichgesetzlich) ge-
nannt, welche von einerlei Art oder nach einerlei Gesetz oder Plan ge-
bildet sind, müssen aber jetzt der Deutlichkeit wegen noch genauer unter-
scheiden. Wir nennen homotypische solche Organe, welche nach der
Grundform des Typus oder System-Kreises, wozu sie gehören, eine ganz
identische Stelle im Individuum einnehmen und daher auch ihrer Zahl nach
fest bestimmt sind. Sie werden daher in ihrer Lage in Bezug zur Haupt-
axe des Organismus so weit übereinstimmen, dass sie den zwei Polen einer
beliebigen Queraxe oder zweier gleicher Radien desselben entsprechen.
Dann wird es also bei jedem höheren Thiere nur zwei homotypische Beine,
Finger, Rippen, Zähne, und bei den Strahlthieren nur je vier, fünf, sechs
homotypische Strahlen, Arme, Fühlergänge, Strahlenleisten und dgl.

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[312/0351] Morphologische Individualität der Organismen. herum neben einander liegen. Antimeren oder Gegenstücke dagegen sind entsprechende Theile, welche um die Hauptaxe (Längsaxe) des Körpers herum neben einander liegen. Parameren sind stets unterge- ordnete Theile eines Form-Individuums erster oder zweiter, Antimeren dagegen stets vierter oder fünfter Ordnung. Die Parameren verhalten sich demnach zu den Antimeren ganz analog, wie die sogleich zu besprechenden Epimeren zu den Metameren. IV. Morphologische Individuen vierter Ordnung: Metameren oder Folgestücke. (Homodyname Theile oder allgemein homologe Theile.) Mehr Aufmerksamkeit, als den Antimeren, hat man bisher den Metameren geschenkt, obwohl dieselben gewöhnlich nicht in so con- stanter Zahl und in so begrenzter Form als gestaltbestimmende Ein- heiten zu einer Mehrheit zusammentreten, wie es bei jenen der Fall ist. Da dieselben aber häufiger als die Antimeren die Rolle von physiologischen Individuen spielen, und ausserdem in der Axe der Phanerogamen als Stengelglieder, im Rumpfe der Vertebraten und Articulaten, (dort innerlich als „Wirbelsegmente“, hier äusserlich als Ringe oder Zoniten) sehr auffallend hervortreten, so hat man ihnen immerhin eingehendere Betrachtungen in einzelnen Stämmen gewidmet. Das Verhältniss der Metameren zu den Antimeren ist bisher unseres Wissens nur von dem trefflichen Bronn näher zu bestimmen versucht worden, welcher sich in seinen morphologischen Studien (p. 410) folgender- maassen über diese beiderlei wesentlichen Formeinheiten ausspricht: „Man hat Homologie genannt die vollkommene Uebereinstimmung der Theile verschiedener Pflanzen und Thiere in ihrer relativen ursprünglichen Lage, anderen Theilen gegenüber, ohne alle Rücksicht auf ihre Form. So sind die Vorderbeine aller Wirbelthiere homolog, mögen es nun Flossen, Flügel, Grab-Apparate, Gehfüsse oder Arme mit Händen sein. Wir haben früher (1850) Theile eines und desselben Thieres homonom (gleichgesetzlich) ge- nannt, welche von einerlei Art oder nach einerlei Gesetz oder Plan ge- bildet sind, müssen aber jetzt der Deutlichkeit wegen noch genauer unter- scheiden. Wir nennen homotypische solche Organe, welche nach der Grundform des Typus oder System-Kreises, wozu sie gehören, eine ganz identische Stelle im Individuum einnehmen und daher auch ihrer Zahl nach fest bestimmt sind. Sie werden daher in ihrer Lage in Bezug zur Haupt- axe des Organismus so weit übereinstimmen, dass sie den zwei Polen einer beliebigen Queraxe oder zweier gleicher Radien desselben entsprechen. Dann wird es also bei jedem höheren Thiere nur zwei homotypische Beine, Finger, Rippen, Zähne, und bei den Strahlthieren nur je vier, fünf, sechs homotypische Strahlen, Arme, Fühlergänge, Strahlenleisten und dgl.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/351>, abgerufen am 23.11.2024.