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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe.
des Thierkörpers auftretenden, durch gleiche Form und gleiche Verbindung
der in ihre Zusammensetzung eingehenden Elementartheile characterisirten
näheren Formbestandtheile der Organe und Systeme", und unterscheidet
"einfache Gewebe, welche nicht durch eine Vereinigung mehrerer ge-
bildet sind" und "zusammengesetzte Gewebe, welche ausser eigen-
thümlichen Elementen noch einzelne oder mehrere der einfachen enthalten
(Muskel-, Nerven- und Drüsen-Gewebe)". Nach dieser Definition sind aber
die "Gewebe" (ebenso wie nach der von Kölliker gegebenen) nicht von
den "Organen" zu unterscheiden, welche nach Carus nur "eine Summe
bestimmter Elementartheile oder Gewebe in constanter Verbindung und
Form" sind. Carus unterscheidet dann zwar weiter unter den Organen
"einfache Organe, welche von einem einzigen Gewebe gebildet werden
oder andere Elemente nur mehr zufällig beigemengt enthalten" und "zu-
sammengesetzte Organe
", welche aus der Vereinigung mehrerer Gewebe
entstehen. Indess ist nicht einzusehen, wodurch sich die "einfachen Organe"
von den "einfachen Geweben" dann eigentlich unterscheiden.

Noch weniger allgemein anwendbar, und noch reicher an Widersprüchen
und mangelhafter Bestimmung als diese Classification der Gewebe und Or-
gane ist diejenige der "Organ-Complexe" höherer Ordnung, welche man
gewöhnlich entweder als "Systeme" oder als "Apparate" zusammenfasst,
auch wohl diese beiden Namen häufig, ohne sich etwas Bestimmtes dabei
zu denken, vermischt gebraucht. Allerdings kann man den Ausdruck
Organ-System zur Bezeichnung eines Organ-Complexes höherer (vierter)
Ordnung beibehalten. Er muss dann aber ausschliesslich in seinem ur-
sprünglichen morphologischen Sinne zur Bezeichnung eines continuirlich
zusammenhängenden Organcomplexes gebraucht werden, in dem ein einziges
Gewebe, d. h. eine einzige Art von Zellen oder von Zellenstöcken
ganz vorwiegend als wesentlicher Bestandtheil auftritt, wie dies z. B.
beim Nervensystem, beim Muskelsystem, beim System der äusseren Haut-
decken und ihrer Anhänge der Fall ist. Anders verhält es sich mit dem
Ausdruck Organ-Apparat, welcher ursprünglich und auch gewöhnlich
in mehr physiologischem Sinne gebraucht wird, zur Bezeichnung eines
(oft sehr verschiedenartig zusammengesetzten, räumlich getrennten und dis-
continuirlichen) Organcomplexes, der blos durch das gemeinsame Kriterium
der gleichen Function verbunden erscheint, wie z. B. der Bewegungs-
Apparat, der Ernährungs-Apparat. Freilich werden in dem Begriffe des
Organ-Apparates, wie es auch bei den meisten anderen derartigen allge-
meinen Begriffsbildungen so oft stattfindet, physiologische und morphologische
Vorstellungen in mehr oder weniger unklarer Weise vermischt angewendet,
und es gelingt daher nur schwer, befriedigende Definitionen dieser höheren
Organ-Einheiten aufzustellen. Jedoch kann man den Begriff des Organ-
Apparates auch zur Bezeichnung eines rein morphologischen Organ-
Complexes beibehalten, eines solchen einheitlich abgeschlossenen Ganzen
nämlich, welches aus mehreren verschiedenen einfachen und zusammen-
gesetzten Organen aufgebaut ist, in welchem aber nicht, wie beim Organ-
System, eine einzige Plastiden-Art oder eine einzige Gewebs-Form über die
übrigen das volle Uebergewieht hat; z. B. der Bewegungs-Apparat der

II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe.
des Thierkörpers auftretenden, durch gleiche Form und gleiche Verbindung
der in ihre Zusammensetzung eingehenden Elementartheile characterisirten
näheren Formbestandtheile der Organe und Systeme“, und unterscheidet
einfache Gewebe, welche nicht durch eine Vereinigung mehrerer ge-
bildet sind“ und „zusammengesetzte Gewebe, welche ausser eigen-
thümlichen Elementen noch einzelne oder mehrere der einfachen enthalten
(Muskel-, Nerven- und Drüsen-Gewebe)“. Nach dieser Definition sind aber
die „Gewebe“ (ebenso wie nach der von Kölliker gegebenen) nicht von
den „Organen“ zu unterscheiden, welche nach Carus nur „eine Summe
bestimmter Elementartheile oder Gewebe in constanter Verbindung und
Form“ sind. Carus unterscheidet dann zwar weiter unter den Organen
einfache Organe, welche von einem einzigen Gewebe gebildet werden
oder andere Elemente nur mehr zufällig beigemengt enthalten“ und „zu-
sammengesetzte Organe
“, welche aus der Vereinigung mehrerer Gewebe
entstehen. Indess ist nicht einzusehen, wodurch sich die „einfachen Organe“
von den „einfachen Geweben“ dann eigentlich unterscheiden.

Noch weniger allgemein anwendbar, und noch reicher an Widersprüchen
und mangelhafter Bestimmung als diese Classification der Gewebe und Or-
gane ist diejenige der „Organ-Complexe“ höherer Ordnung, welche man
gewöhnlich entweder als „Systeme“ oder als „Apparate“ zusammenfasst,
auch wohl diese beiden Namen häufig, ohne sich etwas Bestimmtes dabei
zu denken, vermischt gebraucht. Allerdings kann man den Ausdruck
Organ-System zur Bezeichnung eines Organ-Complexes höherer (vierter)
Ordnung beibehalten. Er muss dann aber ausschliesslich in seinem ur-
sprünglichen morphologischen Sinne zur Bezeichnung eines continuirlich
zusammenhängenden Organcomplexes gebraucht werden, in dem ein einziges
Gewebe, d. h. eine einzige Art von Zellen oder von Zellenstöcken
ganz vorwiegend als wesentlicher Bestandtheil auftritt, wie dies z. B.
beim Nervensystem, beim Muskelsystem, beim System der äusseren Haut-
decken und ihrer Anhänge der Fall ist. Anders verhält es sich mit dem
Ausdruck Organ-Apparat, welcher ursprünglich und auch gewöhnlich
in mehr physiologischem Sinne gebraucht wird, zur Bezeichnung eines
(oft sehr verschiedenartig zusammengesetzten, räumlich getrennten und dis-
continuirlichen) Organcomplexes, der blos durch das gemeinsame Kriterium
der gleichen Function verbunden erscheint, wie z. B. der Bewegungs-
Apparat, der Ernährungs-Apparat. Freilich werden in dem Begriffe des
Organ-Apparates, wie es auch bei den meisten anderen derartigen allge-
meinen Begriffsbildungen so oft stattfindet, physiologische und morphologische
Vorstellungen in mehr oder weniger unklarer Weise vermischt angewendet,
und es gelingt daher nur schwer, befriedigende Definitionen dieser höheren
Organ-Einheiten aufzustellen. Jedoch kann man den Begriff des Organ-
Apparates auch zur Bezeichnung eines rein morphologischen Organ-
Complexes beibehalten, eines solchen einheitlich abgeschlossenen Ganzen
nämlich, welches aus mehreren verschiedenen einfachen und zusammen-
gesetzten Organen aufgebaut ist, in welchem aber nicht, wie beim Organ-
System, eine einzige Plastiden-Art oder eine einzige Gewebs-Form über die
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[293/0332] II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe. des Thierkörpers auftretenden, durch gleiche Form und gleiche Verbindung der in ihre Zusammensetzung eingehenden Elementartheile characterisirten näheren Formbestandtheile der Organe und Systeme“, und unterscheidet „einfache Gewebe, welche nicht durch eine Vereinigung mehrerer ge- bildet sind“ und „zusammengesetzte Gewebe, welche ausser eigen- thümlichen Elementen noch einzelne oder mehrere der einfachen enthalten (Muskel-, Nerven- und Drüsen-Gewebe)“. Nach dieser Definition sind aber die „Gewebe“ (ebenso wie nach der von Kölliker gegebenen) nicht von den „Organen“ zu unterscheiden, welche nach Carus nur „eine Summe bestimmter Elementartheile oder Gewebe in constanter Verbindung und Form“ sind. Carus unterscheidet dann zwar weiter unter den Organen „einfache Organe, welche von einem einzigen Gewebe gebildet werden oder andere Elemente nur mehr zufällig beigemengt enthalten“ und „zu- sammengesetzte Organe“, welche aus der Vereinigung mehrerer Gewebe entstehen. Indess ist nicht einzusehen, wodurch sich die „einfachen Organe“ von den „einfachen Geweben“ dann eigentlich unterscheiden. Noch weniger allgemein anwendbar, und noch reicher an Widersprüchen und mangelhafter Bestimmung als diese Classification der Gewebe und Or- gane ist diejenige der „Organ-Complexe“ höherer Ordnung, welche man gewöhnlich entweder als „Systeme“ oder als „Apparate“ zusammenfasst, auch wohl diese beiden Namen häufig, ohne sich etwas Bestimmtes dabei zu denken, vermischt gebraucht. Allerdings kann man den Ausdruck Organ-System zur Bezeichnung eines Organ-Complexes höherer (vierter) Ordnung beibehalten. Er muss dann aber ausschliesslich in seinem ur- sprünglichen morphologischen Sinne zur Bezeichnung eines continuirlich zusammenhängenden Organcomplexes gebraucht werden, in dem ein einziges Gewebe, d. h. eine einzige Art von Zellen oder von Zellenstöcken ganz vorwiegend als wesentlicher Bestandtheil auftritt, wie dies z. B. beim Nervensystem, beim Muskelsystem, beim System der äusseren Haut- decken und ihrer Anhänge der Fall ist. Anders verhält es sich mit dem Ausdruck Organ-Apparat, welcher ursprünglich und auch gewöhnlich in mehr physiologischem Sinne gebraucht wird, zur Bezeichnung eines (oft sehr verschiedenartig zusammengesetzten, räumlich getrennten und dis- continuirlichen) Organcomplexes, der blos durch das gemeinsame Kriterium der gleichen Function verbunden erscheint, wie z. B. der Bewegungs- Apparat, der Ernährungs-Apparat. Freilich werden in dem Begriffe des Organ-Apparates, wie es auch bei den meisten anderen derartigen allge- meinen Begriffsbildungen so oft stattfindet, physiologische und morphologische Vorstellungen in mehr oder weniger unklarer Weise vermischt angewendet, und es gelingt daher nur schwer, befriedigende Definitionen dieser höheren Organ-Einheiten aufzustellen. Jedoch kann man den Begriff des Organ- Apparates auch zur Bezeichnung eines rein morphologischen Organ- Complexes beibehalten, eines solchen einheitlich abgeschlossenen Ganzen nämlich, welches aus mehreren verschiedenen einfachen und zusammen- gesetzten Organen aufgebaut ist, in welchem aber nicht, wie beim Organ- System, eine einzige Plastiden-Art oder eine einzige Gewebs-Form über die übrigen das volle Uebergewieht hat; z. B. der Bewegungs-Apparat der

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/332>, abgerufen am 25.11.2024.