I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
zellen (Cellulae membranosae, Lepocyta)1) ist das den Kern umschliessende Protoplasma selbst wieder von einer äusseren Membran umgeben oder aber in Intercellularsubstanz eingeschlossen. Hierher gehören die meisten pflanzlichen und viele thierische Zellen.
Die genannten zwei differenten Bestandtheile: Kern (Nucleus) und Zellstoff (Plasma) müssen wir als die beiden integrirenden und zum Begriff nothwendigen Bestandtheile jeder Zelle festhalten; in jeder echten Zelle ist ein Kern innerhalb des Plasma zu irgend einer Zeit ihres Lebens, und zwar constant in der frühesten Zeit, nach- zuweisen, wenn er auch späterhin verschwindet. Ein Plasmaklumpen ohne Kern ist keine Zelle mehr. Zwar sind einige Biologen, wie z. B. Brücke in seinem trefflichen Aufsatz über die Elementar-Organismen, noch weiter gegangen und haben auch den Kern für einen unwesent- lichen und oft fehlenden Bestandtheil der Zelle erklärt. Sie berufen sich darauf, dass ein Kern in sehr vielen Fällen nicht in der Zelle nachzuweisen ist. Allein entweder ist der Kern hier früher einmal vorhanden gewesen, und dann ist die kernlose Zelle nicht mehr voll- ständig, oder er ist nie vorhanden gewesen und dann ist der indivi- duelle organische Körper eben keine Zelle, sondern ein Plasmaklum- pen, welcher noch nicht in inneren Kern und äusseres Plasma sich differenzirt hat, eine Cytode, wie wir es oben genannt haben. Wenn wir den Kern als integrirenden Bestandtheil des Zellenbegriffs aufge- ben, so behalten wir für letzteren nichts übrig, als das individualisirte Protoplasma, einen morphologisch nicht näher bestimmbaren homogenen Eiweisskörper. Die Zelle wird dann zum Lichtenbergischen Messer ohne Griff und Klinge.
Andrerseits müssen wir grosses Gewicht auf die von Brücke und Anderen hervorgehobene Thatsache legen, dass individuelle Elemen- tartheile, und zwar sowohl physiologisch als morphologisch abge- schlossene Einheiten, selbstständige Lebensheerde oder Elementar-Or- ganismen existiren, welche keine Zellen nach unserer Definition sind, indem der Kern ihnen fehlt. Diese kernlosen Elementarorganismen sind es, welche wir als Cytoden bestimmt von den echten (kernhal- tigen) Zellen unterscheiden müssen. Sie bestehen nur aus dem einen wesentlichen Bestandtheile der echten Zellen, aus einem Klumpen von Plasma oder Protoplasma, während der andere integrirende Bestand- theil der letzteren, der Kern, ihnen vollständig und zu jeder Zeit ihrer individuellen Existenz abgeht. Es ist dies der Fall bei sehr vielen Organismen niederster Ordnung, welche weder bestimmte thierische noch deutliche pflanzliche Charactere besitzen, und denen wir desshalb in dem Mittelreiche der Protisten den natürlichsten Platz anzuweisen glauben.
I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
zellen (Cellulae membranosae, Lepocyta)1) ist das den Kern umschliessende Protoplasma selbst wieder von einer äusseren Membran umgeben oder aber in Intercellularsubstanz eingeschlossen. Hierher gehören die meisten pflanzlichen und viele thierische Zellen.
Die genannten zwei differenten Bestandtheile: Kern (Nucleus) und Zellstoff (Plasma) müssen wir als die beiden integrirenden und zum Begriff nothwendigen Bestandtheile jeder Zelle festhalten; in jeder echten Zelle ist ein Kern innerhalb des Plasma zu irgend einer Zeit ihres Lebens, und zwar constant in der frühesten Zeit, nach- zuweisen, wenn er auch späterhin verschwindet. Ein Plasmaklumpen ohne Kern ist keine Zelle mehr. Zwar sind einige Biologen, wie z. B. Brücke in seinem trefflichen Aufsatz über die Elementar-Organismen, noch weiter gegangen und haben auch den Kern für einen unwesent- lichen und oft fehlenden Bestandtheil der Zelle erklärt. Sie berufen sich darauf, dass ein Kern in sehr vielen Fällen nicht in der Zelle nachzuweisen ist. Allein entweder ist der Kern hier früher einmal vorhanden gewesen, und dann ist die kernlose Zelle nicht mehr voll- ständig, oder er ist nie vorhanden gewesen und dann ist der indivi- duelle organische Körper eben keine Zelle, sondern ein Plasmaklum- pen, welcher noch nicht in inneren Kern und äusseres Plasma sich differenzirt hat, eine Cytode, wie wir es oben genannt haben. Wenn wir den Kern als integrirenden Bestandtheil des Zellenbegriffs aufge- ben, so behalten wir für letzteren nichts übrig, als das individualisirte Protoplasma, einen morphologisch nicht näher bestimmbaren homogenen Eiweisskörper. Die Zelle wird dann zum Lichtenbergischen Messer ohne Griff und Klinge.
Andrerseits müssen wir grosses Gewicht auf die von Brücke und Anderen hervorgehobene Thatsache legen, dass individuelle Elemen- tartheile, und zwar sowohl physiologisch als morphologisch abge- schlossene Einheiten, selbstständige Lebensheerde oder Elementar-Or- ganismen existiren, welche keine Zellen nach unserer Definition sind, indem der Kern ihnen fehlt. Diese kernlosen Elementarorganismen sind es, welche wir als Cytoden bestimmt von den echten (kernhal- tigen) Zellen unterscheiden müssen. Sie bestehen nur aus dem einen wesentlichen Bestandtheile der echten Zellen, aus einem Klumpen von Plasma oder Protoplasma, während der andere integrirende Bestand- theil der letzteren, der Kern, ihnen vollständig und zu jeder Zeit ihrer individuellen Existenz abgeht. Es ist dies der Fall bei sehr vielen Organismen niederster Ordnung, welche weder bestimmte thierische noch deutliche pflanzliche Charactere besitzen, und denen wir desshalb in dem Mittelreiche der Protisten den natürlichsten Platz anzuweisen glauben.
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I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
zellen (Cellulae membranosae, Lepocyta) 1) ist das den Kern
umschliessende Protoplasma selbst wieder von einer äusseren Membran
umgeben oder aber in Intercellularsubstanz eingeschlossen. Hierher
gehören die meisten pflanzlichen und viele thierische Zellen.
Die genannten zwei differenten Bestandtheile: Kern (Nucleus)
und Zellstoff (Plasma) müssen wir als die beiden integrirenden und
zum Begriff nothwendigen Bestandtheile jeder Zelle festhalten;
in jeder echten Zelle ist ein Kern innerhalb des Plasma zu irgend
einer Zeit ihres Lebens, und zwar constant in der frühesten Zeit, nach-
zuweisen, wenn er auch späterhin verschwindet. Ein Plasmaklumpen
ohne Kern ist keine Zelle mehr. Zwar sind einige Biologen, wie z. B.
Brücke in seinem trefflichen Aufsatz über die Elementar-Organismen,
noch weiter gegangen und haben auch den Kern für einen unwesent-
lichen und oft fehlenden Bestandtheil der Zelle erklärt. Sie berufen
sich darauf, dass ein Kern in sehr vielen Fällen nicht in der Zelle
nachzuweisen ist. Allein entweder ist der Kern hier früher einmal
vorhanden gewesen, und dann ist die kernlose Zelle nicht mehr voll-
ständig, oder er ist nie vorhanden gewesen und dann ist der indivi-
duelle organische Körper eben keine Zelle, sondern ein Plasmaklum-
pen, welcher noch nicht in inneren Kern und äusseres Plasma sich
differenzirt hat, eine Cytode, wie wir es oben genannt haben. Wenn
wir den Kern als integrirenden Bestandtheil des Zellenbegriffs aufge-
ben, so behalten wir für letzteren nichts übrig, als das individualisirte
Protoplasma, einen morphologisch nicht näher bestimmbaren homogenen
Eiweisskörper. Die Zelle wird dann zum Lichtenbergischen Messer
ohne Griff und Klinge.
Andrerseits müssen wir grosses Gewicht auf die von Brücke und
Anderen hervorgehobene Thatsache legen, dass individuelle Elemen-
tartheile, und zwar sowohl physiologisch als morphologisch abge-
schlossene Einheiten, selbstständige Lebensheerde oder Elementar-Or-
ganismen existiren, welche keine Zellen nach unserer Definition sind,
indem der Kern ihnen fehlt. Diese kernlosen Elementarorganismen
sind es, welche wir als Cytoden bestimmt von den echten (kernhal-
tigen) Zellen unterscheiden müssen. Sie bestehen nur aus dem einen
wesentlichen Bestandtheile der echten Zellen, aus einem Klumpen von
Plasma oder Protoplasma, während der andere integrirende Bestand-
theil der letzteren, der Kern, ihnen vollständig und zu jeder Zeit ihrer
individuellen Existenz abgeht. Es ist dies der Fall bei sehr vielen
Organismen niederster Ordnung, welche weder bestimmte thierische
noch deutliche pflanzliche Charactere besitzen, und denen wir desshalb in
dem Mittelreiche der Protisten den natürlichsten Platz anzuweisen glauben.
1) λέπος (τὸ) Rinde, Hülle, Schale; κύπος (τὸ) Zelle.
Haeckel, Generelle Morphologie. 18
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/312>, abgerufen am 25.11.2024.
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