Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Vorwort. schreibungen über die allgemeinsten Grundbegriffe zu ver-ständigen. Ueberall in der Anatomie und Entwickelungs- geschichte ist Ueberfluss an unnützen und Mangel an den unentbehrlichsten Bezeichnungen. Viele der wichtigsten und alltäglich gebrauchten Begriffe wie z. B. Zelle, Organ, regulär, symmetrisch, Embryo, Metamorphose, Species, Verwandt- schaft u. s. w. haben gar keine bestimmte Bedeutung mehr, da fast jeder Morphologe, falls er sich überhaupt dabei etwas Bestimmtes denkt, etwas Anderes darunter versteht. In der Botanik und Zoologie, und ebenso in den einzelnen Zweigen dieser Wissenschaften, werden dieselben Objecte mit ver- schiedenen Namen und ganz verschiedene Objecte mit den- selben Namen bezeichnet. Unter diesen Umständen war es unvermeidlich, eine ziemliche Anzahl von neuen Wörtern (dem internationalen Herkommen gemäss aus dem Griechi- schen gebildet) einzuführen, welche bestimmte und klare Be- griffe fest und ausschliesslich bezeichnen sollen. Die dunkeln Schattenseiten der herrschenden organischen Wenn ich auch alle meine Kräfte aufgeboten habe, um die- Vorwort. schreibungen über die allgemeinsten Grundbegriffe zu ver-ständigen. Ueberall in der Anatomie und Entwickelungs- geschichte ist Ueberfluss an unnützen und Mangel an den unentbehrlichsten Bezeichnungen. Viele der wichtigsten und alltäglich gebrauchten Begriffe wie z. B. Zelle, Organ, regulär, symmetrisch, Embryo, Metamorphose, Species, Verwandt- schaft u. s. w. haben gar keine bestimmte Bedeutung mehr, da fast jeder Morphologe, falls er sich überhaupt dabei etwas Bestimmtes denkt, etwas Anderes darunter versteht. In der Botanik und Zoologie, und ebenso in den einzelnen Zweigen dieser Wissenschaften, werden dieselben Objecte mit ver- schiedenen Namen und ganz verschiedene Objecte mit den- selben Namen bezeichnet. Unter diesen Umständen war es unvermeidlich, eine ziemliche Anzahl von neuen Wörtern (dem internationalen Herkommen gemäss aus dem Griechi- schen gebildet) einzuführen, welche bestimmte und klare Be- griffe fest und ausschliesslich bezeichnen sollen. Die dunkeln Schattenseiten der herrschenden organischen Wenn ich auch alle meine Kräfte aufgeboten habe, um die- <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0030" n="XXIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorwort</hi>.</fw><lb/> schreibungen über die allgemeinsten Grundbegriffe zu ver-<lb/> ständigen. Ueberall in der Anatomie und Entwickelungs-<lb/> geschichte ist Ueberfluss an unnützen und Mangel an den<lb/> unentbehrlichsten Bezeichnungen. Viele der wichtigsten und<lb/> alltäglich gebrauchten Begriffe wie z. B. Zelle, Organ, regulär,<lb/> symmetrisch, Embryo, Metamorphose, Species, Verwandt-<lb/> schaft u. s. w. haben gar keine bestimmte Bedeutung mehr,<lb/> da fast jeder Morphologe, falls er sich überhaupt dabei etwas<lb/> Bestimmtes denkt, etwas Anderes darunter versteht. In der<lb/> Botanik und Zoologie, und ebenso in den einzelnen Zweigen<lb/> dieser Wissenschaften, werden dieselben Objecte mit ver-<lb/> schiedenen Namen und ganz verschiedene Objecte mit den-<lb/> selben Namen bezeichnet. Unter diesen Umständen war es<lb/> unvermeidlich, eine ziemliche Anzahl von neuen Wörtern<lb/> (dem internationalen Herkommen gemäss aus dem Griechi-<lb/> schen gebildet) einzuführen, welche bestimmte und klare Be-<lb/> griffe fest und ausschliesslich bezeichnen sollen.</p><lb/> <p>Die dunkeln Schattenseiten der herrschenden organischen<lb/> Morphologie habe ich mir erlaubt scharf zu beleuchten und<lb/> ihre Irrthümer rücksichtslos aufzudecken. Möge man in<lb/> meiner offenen Sprache nicht eitle Selbstüberhebung oder<lb/> Verkennung der wirklichen Verdienste Anderer erblicken,<lb/> sondern lediglich den Ausdruck der festen Ueberzeugung,<lb/> dass nur durch unumwundene <hi rendition="#g">Wahrheit</hi> der Fortschritt in<lb/> der Wissenschaft gefördert werden kann.</p><lb/> <p>Wenn ich auch alle meine Kräfte aufgeboten habe, um die-<lb/> sem ersten systematisch geordneten Versuche einer allgemeinen<lb/> Anatomie und Entwickelungsgeschichte ein möglichst annehm-<lb/> bares Gewand zu geben, so bin ich mir doch wohl bewusst,<lb/> dass das Erreichte weit, sehr weit hinter dem Erstrebten<lb/> zurück geblieben ist. Das Werk soll aber auch nichts Fer-<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [XXIII/0030]
Vorwort.
schreibungen über die allgemeinsten Grundbegriffe zu ver-
ständigen. Ueberall in der Anatomie und Entwickelungs-
geschichte ist Ueberfluss an unnützen und Mangel an den
unentbehrlichsten Bezeichnungen. Viele der wichtigsten und
alltäglich gebrauchten Begriffe wie z. B. Zelle, Organ, regulär,
symmetrisch, Embryo, Metamorphose, Species, Verwandt-
schaft u. s. w. haben gar keine bestimmte Bedeutung mehr,
da fast jeder Morphologe, falls er sich überhaupt dabei etwas
Bestimmtes denkt, etwas Anderes darunter versteht. In der
Botanik und Zoologie, und ebenso in den einzelnen Zweigen
dieser Wissenschaften, werden dieselben Objecte mit ver-
schiedenen Namen und ganz verschiedene Objecte mit den-
selben Namen bezeichnet. Unter diesen Umständen war es
unvermeidlich, eine ziemliche Anzahl von neuen Wörtern
(dem internationalen Herkommen gemäss aus dem Griechi-
schen gebildet) einzuführen, welche bestimmte und klare Be-
griffe fest und ausschliesslich bezeichnen sollen.
Die dunkeln Schattenseiten der herrschenden organischen
Morphologie habe ich mir erlaubt scharf zu beleuchten und
ihre Irrthümer rücksichtslos aufzudecken. Möge man in
meiner offenen Sprache nicht eitle Selbstüberhebung oder
Verkennung der wirklichen Verdienste Anderer erblicken,
sondern lediglich den Ausdruck der festen Ueberzeugung,
dass nur durch unumwundene Wahrheit der Fortschritt in
der Wissenschaft gefördert werden kann.
Wenn ich auch alle meine Kräfte aufgeboten habe, um die-
sem ersten systematisch geordneten Versuche einer allgemeinen
Anatomie und Entwickelungsgeschichte ein möglichst annehm-
bares Gewand zu geben, so bin ich mir doch wohl bewusst,
dass das Erreichte weit, sehr weit hinter dem Erstrebten
zurück geblieben ist. Das Werk soll aber auch nichts Fer-
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