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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Vorwort.
kurz berührten Fragen nicht weglassen mochte, deren specielle
Ausführung aber, ebenso wie die des sechsten Buches, ich
mir für eine andere Arbeit verspare. Dasselbe gilt von der
"genealogischen Uebersicht des natürlichen Systems der Or-
ganismen", welche ich als "systematische Einleitung in die
allgemeine Entwickelungsgeschichte" dem zweiten Bande vor-
angeschickt habe. Da dieselbe eine kurze Uebersicht der
speciellen Phylogenie giebt, gehört sie eigentlich nicht in
die "generelle Morphologie" der Organismen oder könnte
hier nur als specielle Erläuterung des vierundzwanzigsten
Capitels ihre Stelle finden. Da jedoch die meisten Zoolo-
gen und Botaniker der Gegenwart überhaupt nur ein gerin-
ges oder gar kein Interesse für allgemeine und umfassende
Fragen haben, sondern lediglich den Cultus des Einzelnen
und Speciellen betreiben, so werden dieselben wohl gerade
auf diese specielle Anwendung der Descendenz-Theorie das
grösste Gewicht legen, und desshalb schien es mir passend,
sie dem zweiten Bande voran zu stellen. Sie dient zugleich
zur Erläuterung der angehängten genealogischen Tafeln, dem
ersten Versuche dieser Art, der hoffentlich bald viele und
bessere Nachfolger finden wird. Der Entwurf der organi-
schen Stammbäume, obwohl gegenwärtig noch äusserst
schwierig und bedenklich, wird meines Erachtens die wich-
tigste und interessanteste Aufgabe für die Morphologie der
Zukunft bilden.

Besonderer Nachsicht bedarf der botanische Theil meiner
Morphologie. Bei der ausserordentlich weit vorgeschrittenen
Arbeitstheilung der neuesten Zeit ist die völlige Decentrali-
sation aller biologischen Wissenschaftsgebiete zu dem Grade
gediehen, dass es überhaupt nur noch sehr wenige Zoologen
und Botaniker im vollen Sinne des Wortes giebt, und statt

Vorwort.
kurz berührten Fragen nicht weglassen mochte, deren specielle
Ausführung aber, ebenso wie die des sechsten Buches, ich
mir für eine andere Arbeit verspare. Dasselbe gilt von der
„genealogischen Uebersicht des natürlichen Systems der Or-
ganismen“, welche ich als „systematische Einleitung in die
allgemeine Entwickelungsgeschichte“ dem zweiten Bande vor-
angeschickt habe. Da dieselbe eine kurze Uebersicht der
speciellen Phylogenie giebt, gehört sie eigentlich nicht in
die „generelle Morphologie“ der Organismen oder könnte
hier nur als specielle Erläuterung des vierundzwanzigsten
Capitels ihre Stelle finden. Da jedoch die meisten Zoolo-
gen und Botaniker der Gegenwart überhaupt nur ein gerin-
ges oder gar kein Interesse für allgemeine und umfassende
Fragen haben, sondern lediglich den Cultus des Einzelnen
und Speciellen betreiben, so werden dieselben wohl gerade
auf diese specielle Anwendung der Descendenz-Theorie das
grösste Gewicht legen, und desshalb schien es mir passend,
sie dem zweiten Bande voran zu stellen. Sie dient zugleich
zur Erläuterung der angehängten genealogischen Tafeln, dem
ersten Versuche dieser Art, der hoffentlich bald viele und
bessere Nachfolger finden wird. Der Entwurf der organi-
schen Stammbäume, obwohl gegenwärtig noch äusserst
schwierig und bedenklich, wird meines Erachtens die wich-
tigste und interessanteste Aufgabe für die Morphologie der
Zukunft bilden.

Besonderer Nachsicht bedarf der botanische Theil meiner
Morphologie. Bei der ausserordentlich weit vorgeschrittenen
Arbeitstheilung der neuesten Zeit ist die völlige Decentrali-
sation aller biologischen Wissenschaftsgebiete zu dem Grade
gediehen, dass es überhaupt nur noch sehr wenige Zoologen
und Botaniker im vollen Sinne des Wortes giebt, und statt

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[XX/0027] Vorwort. kurz berührten Fragen nicht weglassen mochte, deren specielle Ausführung aber, ebenso wie die des sechsten Buches, ich mir für eine andere Arbeit verspare. Dasselbe gilt von der „genealogischen Uebersicht des natürlichen Systems der Or- ganismen“, welche ich als „systematische Einleitung in die allgemeine Entwickelungsgeschichte“ dem zweiten Bande vor- angeschickt habe. Da dieselbe eine kurze Uebersicht der speciellen Phylogenie giebt, gehört sie eigentlich nicht in die „generelle Morphologie“ der Organismen oder könnte hier nur als specielle Erläuterung des vierundzwanzigsten Capitels ihre Stelle finden. Da jedoch die meisten Zoolo- gen und Botaniker der Gegenwart überhaupt nur ein gerin- ges oder gar kein Interesse für allgemeine und umfassende Fragen haben, sondern lediglich den Cultus des Einzelnen und Speciellen betreiben, so werden dieselben wohl gerade auf diese specielle Anwendung der Descendenz-Theorie das grösste Gewicht legen, und desshalb schien es mir passend, sie dem zweiten Bande voran zu stellen. Sie dient zugleich zur Erläuterung der angehängten genealogischen Tafeln, dem ersten Versuche dieser Art, der hoffentlich bald viele und bessere Nachfolger finden wird. Der Entwurf der organi- schen Stammbäume, obwohl gegenwärtig noch äusserst schwierig und bedenklich, wird meines Erachtens die wich- tigste und interessanteste Aufgabe für die Morphologie der Zukunft bilden. Besonderer Nachsicht bedarf der botanische Theil meiner Morphologie. Bei der ausserordentlich weit vorgeschrittenen Arbeitstheilung der neuesten Zeit ist die völlige Decentrali- sation aller biologischen Wissenschaftsgebiete zu dem Grade gediehen, dass es überhaupt nur noch sehr wenige Zoologen und Botaniker im vollen Sinne des Wortes giebt, und statt

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/27>, abgerufen am 02.05.2024.