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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Vorwort.
der umfassenden Erkenntniss des grossen Ganzen der orga-
nischen Formenwelt, welche das Werk erstrebt, dem allge-
meinen Ueberblick über die grossen Bildungsgesetze jenes
herrlichen und gewaltigen Gestaltenreichs keinen Eintrag thun.

Was die Form des ganzen Werkes betrifft, so erschien
es mir unerlässlich, bei der völligen Zerfahrenheit und Zer-
rissenheit, dem gänzlichen Mangel an Zusammenhang und
Einheit, die auf allen Gebietstheilen der Anatomie und Ent-
wickelungsgeschichte herrschen, die strenge Form eines syste-
matisch geordneten Lehrgebäudes zu wählen. Vorläufig kann
allerdings dieser erste Versuch eines solchen weiter Nichts
sein, als ein nach einem bestimmten Plan und auf festem
Fundament angelegtes Gerüst, ein Fachwerk von Balken,
welches statt geschlossener Wände und bewohnbarer Zimmer
grösstentheils nur durchbrochenes Zimmerwerk und leere
Räume enthält. Mögen andere Naturforscher dieselben aus-
füllen und das Ganze zu einem wohnlichen Gebäude gestal-
ten. Mir schien schon viel gewonnen zu sein, wenn nur erst
jenes feste Gerüst aufgerichtet, und der Raum zur geordne-
ten und übersichtlichen Aufstellung der massenhaft angehäuf-
ten empirischen Schätze gewonnen wäre. Natürlich musste
auch die Behandlung und Ausführung der einzelnen Theile
sehr ungleich ausfallen, entsprechend dem höchst ungleich-
mässig entwickelten Zustande unserer Wissenschaft selbst, von
welcher viele der wichtigsten und interessantesten Theile,
wie namentlich die Genealogie, noch fast unangebaut dalie-
gen. Einzelne Capitel, in denen ich speciellere Studien ge-
macht hatte, sind eingehender ausgeführt; andere, in denen mir
weniger eigenes Material zu Gebote stand, flüchtiger skizzirt.
Das siebente und achte Buch dürfen bloss als aphoristische
Anhänge gelten, die ich bei der hohen Wichtigkeit der darin

b*

Vorwort.
der umfassenden Erkenntniss des grossen Ganzen der orga-
nischen Formenwelt, welche das Werk erstrebt, dem allge-
meinen Ueberblick über die grossen Bildungsgesetze jenes
herrlichen und gewaltigen Gestaltenreichs keinen Eintrag thun.

Was die Form des ganzen Werkes betrifft, so erschien
es mir unerlässlich, bei der völligen Zerfahrenheit und Zer-
rissenheit, dem gänzlichen Mangel an Zusammenhang und
Einheit, die auf allen Gebietstheilen der Anatomie und Ent-
wickelungsgeschichte herrschen, die strenge Form eines syste-
matisch geordneten Lehrgebäudes zu wählen. Vorläufig kann
allerdings dieser erste Versuch eines solchen weiter Nichts
sein, als ein nach einem bestimmten Plan und auf festem
Fundament angelegtes Gerüst, ein Fachwerk von Balken,
welches statt geschlossener Wände und bewohnbarer Zimmer
grösstentheils nur durchbrochenes Zimmerwerk und leere
Räume enthält. Mögen andere Naturforscher dieselben aus-
füllen und das Ganze zu einem wohnlichen Gebäude gestal-
ten. Mir schien schon viel gewonnen zu sein, wenn nur erst
jenes feste Gerüst aufgerichtet, und der Raum zur geordne-
ten und übersichtlichen Aufstellung der massenhaft angehäuf-
ten empirischen Schätze gewonnen wäre. Natürlich musste
auch die Behandlung und Ausführung der einzelnen Theile
sehr ungleich ausfallen, entsprechend dem höchst ungleich-
mässig entwickelten Zustande unserer Wissenschaft selbst, von
welcher viele der wichtigsten und interessantesten Theile,
wie namentlich die Genealogie, noch fast unangebaut dalie-
gen. Einzelne Capitel, in denen ich speciellere Studien ge-
macht hatte, sind eingehender ausgeführt; andere, in denen mir
weniger eigenes Material zu Gebote stand, flüchtiger skizzirt.
Das siebente und achte Buch dürfen bloss als aphoristische
Anhänge gelten, die ich bei der hohen Wichtigkeit der darin

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[XIX/0026] Vorwort. der umfassenden Erkenntniss des grossen Ganzen der orga- nischen Formenwelt, welche das Werk erstrebt, dem allge- meinen Ueberblick über die grossen Bildungsgesetze jenes herrlichen und gewaltigen Gestaltenreichs keinen Eintrag thun. Was die Form des ganzen Werkes betrifft, so erschien es mir unerlässlich, bei der völligen Zerfahrenheit und Zer- rissenheit, dem gänzlichen Mangel an Zusammenhang und Einheit, die auf allen Gebietstheilen der Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte herrschen, die strenge Form eines syste- matisch geordneten Lehrgebäudes zu wählen. Vorläufig kann allerdings dieser erste Versuch eines solchen weiter Nichts sein, als ein nach einem bestimmten Plan und auf festem Fundament angelegtes Gerüst, ein Fachwerk von Balken, welches statt geschlossener Wände und bewohnbarer Zimmer grösstentheils nur durchbrochenes Zimmerwerk und leere Räume enthält. Mögen andere Naturforscher dieselben aus- füllen und das Ganze zu einem wohnlichen Gebäude gestal- ten. Mir schien schon viel gewonnen zu sein, wenn nur erst jenes feste Gerüst aufgerichtet, und der Raum zur geordne- ten und übersichtlichen Aufstellung der massenhaft angehäuf- ten empirischen Schätze gewonnen wäre. Natürlich musste auch die Behandlung und Ausführung der einzelnen Theile sehr ungleich ausfallen, entsprechend dem höchst ungleich- mässig entwickelten Zustande unserer Wissenschaft selbst, von welcher viele der wichtigsten und interessantesten Theile, wie namentlich die Genealogie, noch fast unangebaut dalie- gen. Einzelne Capitel, in denen ich speciellere Studien ge- macht hatte, sind eingehender ausgeführt; andere, in denen mir weniger eigenes Material zu Gebote stand, flüchtiger skizzirt. Das siebente und achte Buch dürfen bloss als aphoristische Anhänge gelten, die ich bei der hohen Wichtigkeit der darin b*

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/26>, abgerufen am 21.11.2024.