wir, die Hervorhebung des Protistenreiches als einer besonderen, den beiden anderen Reichen coordinirten, collectiven Hauptgruppe, dazu beitragen, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Naturforscher immer mehr auf diese äusserst interessante und bisher von den meisten sehr vernachlässigte Gruppe von Organismen hinzulenken, deren Studium für die allein richtige, d. h. die monistische Erkennt- niss, für das mechanisch-causale Verständniss der lebendigen Natur so ungemein lehrreich ist.
X. Wechselwirkung der drei Reiche.
Schon aus der vorhergehenden Characteristik und Vergleichung der drei Reiche wird die innige gegenseitige Wechselwirkung, welche zwischen denselben in vielen biologischen Beziehungen herrscht, klar geworden sein. Doch ist dieselbe von so hohem Interesse und von solcher Wichtigkeit für eine mechanische Erfassung des organischen Naturganzen, dass wir die wichtigsten Punkte dieses Verhältnisses hier nochmals kurz hervorheben wollen.
Zwischen den Thieren und Pflanzen existirt, im Grossen und Ganzen betrachtet, der am meisten durchgreifende Gegensatz zunächst in der Qualität der wichtigsten und allgemeinsten organischen Func- tion, der Ernährung, indem der mit der Ernährung verbundene Stoffwechsel in beiden Reichen geradezu entgegengesetzt ist. Durch diesen "Kreislauf der Stoffe" ist der beständige Gleichgewichtszustand bedingt, den die organische Natur im Grossen und Ganzen zeigt. Die Pflanzen als Reductions-Organismen produciren durch ihre progressive Stoffmetamorphose die zusammengesetzten Kohlenstoffverbindungen (Albuminate, Fette, Kohlenhydrate), welche die Thiere zu ihrer Er- nährung brauchen; und indem die Thiere als Oxydations-Organismen durch ihre regressive Stoffmetamorphose die einfacheren "anorgani- schen" Verbindungen herstellen (Wasser, Kohlensäure, Ammoniak), liefern sie wiederum das Nahrungsmaterial für die Pflanzen.
Diesem Gegensatze im Stoffwechsel der beiden Reiche entspricht ein ähnlicher Gegensatz im Kraftwechsel derselben. Indem die Pflanzen durch Bindung von Licht und Wärme, die sie zu ihren Re- ductionsprocessen bedürfen, lebendige Kräfte in Spannkräfte überfüh- ren, liefern sie den Thieren in ihren verwickelten Kohlenstoff-Verbin- dungen diejenigen Mengen von Spannkräften, welche die Thiere nöthig haben, um lebendige Kräfte entwickeln zu können. Doch ist dieser Kraftwechsel nicht, wie der Stoffwechsel, ein gegenseitiger, sondern nur ein einseitiger, da die lebendigen Kräfte, welche das Thier als thierische Wärme, mechanische Arbeit (Muskelbewegung) und Aus- lösungsthätigkeit (Nervenbewegung) producirt, nicht in der Form frei
Thiere und Pflanzen.
wir, die Hervorhebung des Protistenreiches als einer besonderen, den beiden anderen Reichen coordinirten, collectiven Hauptgruppe, dazu beitragen, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Naturforscher immer mehr auf diese äusserst interessante und bisher von den meisten sehr vernachlässigte Gruppe von Organismen hinzulenken, deren Studium für die allein richtige, d. h. die monistische Erkennt- niss, für das mechanisch-causale Verständniss der lebendigen Natur so ungemein lehrreich ist.
X. Wechselwirkung der drei Reiche.
Schon aus der vorhergehenden Characteristik und Vergleichung der drei Reiche wird die innige gegenseitige Wechselwirkung, welche zwischen denselben in vielen biologischen Beziehungen herrscht, klar geworden sein. Doch ist dieselbe von so hohem Interesse und von solcher Wichtigkeit für eine mechanische Erfassung des organischen Naturganzen, dass wir die wichtigsten Punkte dieses Verhältnisses hier nochmals kurz hervorheben wollen.
Zwischen den Thieren und Pflanzen existirt, im Grossen und Ganzen betrachtet, der am meisten durchgreifende Gegensatz zunächst in der Qualität der wichtigsten und allgemeinsten organischen Func- tion, der Ernährung, indem der mit der Ernährung verbundene Stoffwechsel in beiden Reichen geradezu entgegengesetzt ist. Durch diesen „Kreislauf der Stoffe“ ist der beständige Gleichgewichtszustand bedingt, den die organische Natur im Grossen und Ganzen zeigt. Die Pflanzen als Reductions-Organismen produciren durch ihre progressive Stoffmetamorphose die zusammengesetzten Kohlenstoffverbindungen (Albuminate, Fette, Kohlenhydrate), welche die Thiere zu ihrer Er- nährung brauchen; und indem die Thiere als Oxydations-Organismen durch ihre regressive Stoffmetamorphose die einfacheren „anorgani- schen“ Verbindungen herstellen (Wasser, Kohlensäure, Ammoniak), liefern sie wiederum das Nahrungsmaterial für die Pflanzen.
Diesem Gegensatze im Stoffwechsel der beiden Reiche entspricht ein ähnlicher Gegensatz im Kraftwechsel derselben. Indem die Pflanzen durch Bindung von Licht und Wärme, die sie zu ihren Re- ductionsprocessen bedürfen, lebendige Kräfte in Spannkräfte überfüh- ren, liefern sie den Thieren in ihren verwickelten Kohlenstoff-Verbin- dungen diejenigen Mengen von Spannkräften, welche die Thiere nöthig haben, um lebendige Kräfte entwickeln zu können. Doch ist dieser Kraftwechsel nicht, wie der Stoffwechsel, ein gegenseitiger, sondern nur ein einseitiger, da die lebendigen Kräfte, welche das Thier als thierische Wärme, mechanische Arbeit (Muskelbewegung) und Aus- lösungsthätigkeit (Nervenbewegung) producirt, nicht in der Form frei
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Thiere und Pflanzen.
wir, die Hervorhebung des Protistenreiches als einer besonderen, den
beiden anderen Reichen coordinirten, collectiven Hauptgruppe, dazu
beitragen, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Naturforscher
immer mehr auf diese äusserst interessante und bisher von den
meisten sehr vernachlässigte Gruppe von Organismen hinzulenken,
deren Studium für die allein richtige, d. h. die monistische Erkennt-
niss, für das mechanisch-causale Verständniss der lebendigen Natur
so ungemein lehrreich ist.
X. Wechselwirkung der drei Reiche.
Schon aus der vorhergehenden Characteristik und Vergleichung
der drei Reiche wird die innige gegenseitige Wechselwirkung, welche
zwischen denselben in vielen biologischen Beziehungen herrscht, klar
geworden sein. Doch ist dieselbe von so hohem Interesse und von
solcher Wichtigkeit für eine mechanische Erfassung des organischen
Naturganzen, dass wir die wichtigsten Punkte dieses Verhältnisses
hier nochmals kurz hervorheben wollen.
Zwischen den Thieren und Pflanzen existirt, im Grossen und
Ganzen betrachtet, der am meisten durchgreifende Gegensatz zunächst
in der Qualität der wichtigsten und allgemeinsten organischen Func-
tion, der Ernährung, indem der mit der Ernährung verbundene
Stoffwechsel in beiden Reichen geradezu entgegengesetzt ist. Durch
diesen „Kreislauf der Stoffe“ ist der beständige Gleichgewichtszustand
bedingt, den die organische Natur im Grossen und Ganzen zeigt. Die
Pflanzen als Reductions-Organismen produciren durch ihre progressive
Stoffmetamorphose die zusammengesetzten Kohlenstoffverbindungen
(Albuminate, Fette, Kohlenhydrate), welche die Thiere zu ihrer Er-
nährung brauchen; und indem die Thiere als Oxydations-Organismen
durch ihre regressive Stoffmetamorphose die einfacheren „anorgani-
schen“ Verbindungen herstellen (Wasser, Kohlensäure, Ammoniak),
liefern sie wiederum das Nahrungsmaterial für die Pflanzen.
Diesem Gegensatze im Stoffwechsel der beiden Reiche entspricht
ein ähnlicher Gegensatz im Kraftwechsel derselben. Indem die
Pflanzen durch Bindung von Licht und Wärme, die sie zu ihren Re-
ductionsprocessen bedürfen, lebendige Kräfte in Spannkräfte überfüh-
ren, liefern sie den Thieren in ihren verwickelten Kohlenstoff-Verbin-
dungen diejenigen Mengen von Spannkräften, welche die Thiere nöthig
haben, um lebendige Kräfte entwickeln zu können. Doch ist dieser
Kraftwechsel nicht, wie der Stoffwechsel, ein gegenseitiger, sondern
nur ein einseitiger, da die lebendigen Kräfte, welche das Thier als
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lösungsthätigkeit (Nervenbewegung) producirt, nicht in der Form frei
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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