Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

wurden, und daß die meisten auf dem Lande üblichen Frevel gleich mit dem Zuchthause, das den fernern Sitten der Gefangenen so gefährlich ist, bestraft wurden. Forstfrevel ist z. B. kein absolutes Verbrechen; denn fremdes Wild zu schießen, stößt zwar gegen die Gesetze, aber nicht gegen die Natur. Die Römer, die immer auf das Naturrecht zurückkamen, gaben die Thiere des Waldes und der Luft Jedem frei, der sie erreichen konnte. So sollte auch der Wilddieb, weil keine absolute moralische Verworfenheit zu seinem Verbrechen nöthig ist, nicht mit an die Gefangenenkette geschmiedet werden, die durch das Land ins Zuchthaus wandelt. Das Patrimonialgericht würde ihn empfindlich genug strafen, weil er den Vortheil des Gutsherren ohnehin beeinträchtigt hat; allein die sittliche Zukunft und Besserung des Mannes bliebe vielleicht gesichert, wenn er nur in dem herrschaftlichen Gefängnisse seine Strafzeit überstehen müßte und nicht gleich in die kriminalstatistischen Tabellen des ganzen Staates hineingezogen würde. Der Uebergang von der Unkultur zum Verbrechen ist so leicht, daß man nicht so hurtig seyn sollte, den Gefallenen den Prozeß zu machen. Das ist namentlich die Barbarei der englischen Gesetzgebung, daß sie das geringste Verbrechen mit dem größten fast auf gleiche Stufe stellt. Ein Sacktuch stehlen und eine Uhr stehlen, einen Truthahn stehlen und ein Pferd und eine Summe Geldes; das ist, wenn man in der menschlichen Natur,

wurden, und daß die meisten auf dem Lande üblichen Frevel gleich mit dem Zuchthause, das den fernern Sitten der Gefangenen so gefährlich ist, bestraft wurden. Forstfrevel ist z. B. kein absolutes Verbrechen; denn fremdes Wild zu schießen, stößt zwar gegen die Gesetze, aber nicht gegen die Natur. Die Römer, die immer auf das Naturrecht zurückkamen, gaben die Thiere des Waldes und der Luft Jedem frei, der sie erreichen konnte. So sollte auch der Wilddieb, weil keine absolute moralische Verworfenheit zu seinem Verbrechen nöthig ist, nicht mit an die Gefangenenkette geschmiedet werden, die durch das Land ins Zuchthaus wandelt. Das Patrimonialgericht würde ihn empfindlich genug strafen, weil er den Vortheil des Gutsherren ohnehin beeinträchtigt hat; allein die sittliche Zukunft und Besserung des Mannes bliebe vielleicht gesichert, wenn er nur in dem herrschaftlichen Gefängnisse seine Strafzeit überstehen müßte und nicht gleich in die kriminalstatistischen Tabellen des ganzen Staates hineingezogen würde. Der Uebergang von der Unkultur zum Verbrechen ist so leicht, daß man nicht so hurtig seyn sollte, den Gefallenen den Prozeß zu machen. Das ist namentlich die Barbarei der englischen Gesetzgebung, daß sie das geringste Verbrechen mit dem größten fast auf gleiche Stufe stellt. Ein Sacktuch stehlen und eine Uhr stehlen, einen Truthahn stehlen und ein Pferd und eine Summe Geldes; das ist, wenn man in der menschlichen Natur,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="95"/>
wurden, und daß die meisten auf dem Lande üblichen Frevel gleich mit dem Zuchthause, das den fernern Sitten der Gefangenen so gefährlich ist, bestraft wurden. Forstfrevel ist z. B. kein absolutes Verbrechen; denn fremdes Wild zu schießen, stößt zwar gegen die Gesetze, aber nicht gegen die Natur. Die Römer, die immer auf das Naturrecht zurückkamen, gaben die Thiere des Waldes und der Luft Jedem frei, der sie erreichen konnte. So sollte auch der Wilddieb, weil keine absolute moralische Verworfenheit zu seinem Verbrechen nöthig ist, nicht mit an die Gefangenenkette geschmiedet werden, die durch das Land ins Zuchthaus wandelt. Das Patrimonialgericht würde ihn empfindlich genug strafen, weil er den Vortheil des Gutsherren ohnehin beeinträchtigt hat; allein die sittliche Zukunft und Besserung des Mannes bliebe vielleicht gesichert, wenn er nur in dem herrschaftlichen Gefängnisse seine Strafzeit überstehen müßte und nicht gleich in die kriminalstatistischen Tabellen des ganzen Staates hineingezogen würde. Der Uebergang von der Unkultur zum Verbrechen ist so leicht, daß man nicht so hurtig seyn sollte, den Gefallenen den Prozeß zu machen. Das ist namentlich die Barbarei der englischen Gesetzgebung, daß sie das geringste Verbrechen mit dem größten fast auf gleiche Stufe stellt. Ein Sacktuch stehlen und eine Uhr stehlen, einen Truthahn stehlen und ein Pferd und eine Summe Geldes; das ist, wenn man in der menschlichen Natur,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0097] wurden, und daß die meisten auf dem Lande üblichen Frevel gleich mit dem Zuchthause, das den fernern Sitten der Gefangenen so gefährlich ist, bestraft wurden. Forstfrevel ist z. B. kein absolutes Verbrechen; denn fremdes Wild zu schießen, stößt zwar gegen die Gesetze, aber nicht gegen die Natur. Die Römer, die immer auf das Naturrecht zurückkamen, gaben die Thiere des Waldes und der Luft Jedem frei, der sie erreichen konnte. So sollte auch der Wilddieb, weil keine absolute moralische Verworfenheit zu seinem Verbrechen nöthig ist, nicht mit an die Gefangenenkette geschmiedet werden, die durch das Land ins Zuchthaus wandelt. Das Patrimonialgericht würde ihn empfindlich genug strafen, weil er den Vortheil des Gutsherren ohnehin beeinträchtigt hat; allein die sittliche Zukunft und Besserung des Mannes bliebe vielleicht gesichert, wenn er nur in dem herrschaftlichen Gefängnisse seine Strafzeit überstehen müßte und nicht gleich in die kriminalstatistischen Tabellen des ganzen Staates hineingezogen würde. Der Uebergang von der Unkultur zum Verbrechen ist so leicht, daß man nicht so hurtig seyn sollte, den Gefallenen den Prozeß zu machen. Das ist namentlich die Barbarei der englischen Gesetzgebung, daß sie das geringste Verbrechen mit dem größten fast auf gleiche Stufe stellt. Ein Sacktuch stehlen und eine Uhr stehlen, einen Truthahn stehlen und ein Pferd und eine Summe Geldes; das ist, wenn man in der menschlichen Natur,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/97
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/97>, abgerufen am 23.11.2024.