Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

entschieden haben. Und dies nicht allein durch die Masse von Ehrgeiz, Dienstanerbietung, Jntrigue, Leidenschaft, die sich um ihn herum gruppirt, und seine Entschließungen gefangen nehmen will, sondern noch weit mehr durch ihn selbst, durch die Unveränderlichkeit seiner eigenen Jdeen und die Zähigkeit, mit der er billigt und doch verwirft, an sich zieht und doch zurückstößt, freundlich grüßt und damit bedeutungsvoll drohen will, wenig verspricht, ohne abzuweisen, nichts hält, ohne streng genommen für wortbrüchig erklärt werden zu können. Wer ist Louis Philipp? Jezt ein König, ehemals ein Lehrer in der Schweiz, der Unterricht in der Mathematik gab. Er muß die Fähigkeit im höchsten Grade besitzen, sich in fremde Zustände zu versetzen, fremde Resignation nach seinem eigenen Besitzthum zu ermessen, diese große Eigenschaft, welche allen im Glück Gebornen abgeht, und sie entweder gegen den Entbehrenden abstumpft, oder seinen Verlust auf sentimentale Weise viel zu hoch anschlagen läßt. Wer den Geschmack des Besitzes nicht fein und nachhaltig durchkosten kann, versteht auch nie, die Distanzen und Jntervallen abzumessen von Mehr zu Minder, von Allem zu Etwas und von Etwas zu Nichts. Louis Philipp ist kein geborner Herrscher. Er ist nur der Repräsentant einer gewissen rationellen Nothwendigkeit der Monarchie, die gerade er vorzustellen glücklicherweise eine Berechtigung des Blutes hatte. Er ist der Sohn eines Republikaners.

entschieden haben. Und dies nicht allein durch die Masse von Ehrgeiz, Dienstanerbietung, Jntrigue, Leidenschaft, die sich um ihn herum gruppirt, und seine Entschließungen gefangen nehmen will, sondern noch weit mehr durch ihn selbst, durch die Unveränderlichkeit seiner eigenen Jdeen und die Zähigkeit, mit der er billigt und doch verwirft, an sich zieht und doch zurückstößt, freundlich grüßt und damit bedeutungsvoll drohen will, wenig verspricht, ohne abzuweisen, nichts hält, ohne streng genommen für wortbrüchig erklärt werden zu können. Wer ist Louis Philipp? Jezt ein König, ehemals ein Lehrer in der Schweiz, der Unterricht in der Mathematik gab. Er muß die Fähigkeit im höchsten Grade besitzen, sich in fremde Zustände zu versetzen, fremde Resignation nach seinem eigenen Besitzthum zu ermessen, diese große Eigenschaft, welche allen im Glück Gebornen abgeht, und sie entweder gegen den Entbehrenden abstumpft, oder seinen Verlust auf sentimentale Weise viel zu hoch anschlagen läßt. Wer den Geschmack des Besitzes nicht fein und nachhaltig durchkosten kann, versteht auch nie, die Distanzen und Jntervallen abzumessen von Mehr zu Minder, von Allem zu Etwas und von Etwas zu Nichts. Louis Philipp ist kein geborner Herrscher. Er ist nur der Repräsentant einer gewissen rationellen Nothwendigkeit der Monarchie, die gerade er vorzustellen glücklicherweise eine Berechtigung des Blutes hatte. Er ist der Sohn eines Republikaners.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="390"/>
entschieden haben. Und dies nicht allein durch die Masse von Ehrgeiz, Dienstanerbietung, Jntrigue, Leidenschaft, die sich um ihn herum gruppirt, und seine Entschließungen gefangen nehmen will, sondern noch weit mehr durch ihn selbst, durch die Unveränderlichkeit seiner eigenen Jdeen und die Zähigkeit, mit der er billigt und doch verwirft, an sich zieht und doch zurückstößt, freundlich grüßt und damit bedeutungsvoll drohen will, wenig verspricht, ohne abzuweisen, nichts hält, ohne streng genommen für wortbrüchig erklärt werden zu können. Wer ist <hi rendition="#g">Louis Philipp</hi>? Jezt ein König, ehemals ein Lehrer in der Schweiz, der Unterricht in der Mathematik gab. Er muß die Fähigkeit im höchsten Grade besitzen, sich in fremde Zustände zu versetzen, fremde Resignation nach seinem eigenen Besitzthum zu ermessen, diese große Eigenschaft, welche allen im Glück Gebornen abgeht, und sie entweder gegen den Entbehrenden abstumpft, oder seinen Verlust auf sentimentale Weise viel zu hoch anschlagen läßt. Wer den Geschmack des Besitzes nicht fein und nachhaltig durchkosten kann, versteht auch nie, die Distanzen und Jntervallen abzumessen von Mehr zu Minder, von Allem zu Etwas und von Etwas zu Nichts. <hi rendition="#g">Louis Philipp</hi> ist kein geborner Herrscher. Er ist nur der Repräsentant einer gewissen rationellen Nothwendigkeit der Monarchie, die gerade er vorzustellen glücklicherweise eine Berechtigung des Blutes hatte. Er ist der Sohn eines Republikaners.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0392] entschieden haben. Und dies nicht allein durch die Masse von Ehrgeiz, Dienstanerbietung, Jntrigue, Leidenschaft, die sich um ihn herum gruppirt, und seine Entschließungen gefangen nehmen will, sondern noch weit mehr durch ihn selbst, durch die Unveränderlichkeit seiner eigenen Jdeen und die Zähigkeit, mit der er billigt und doch verwirft, an sich zieht und doch zurückstößt, freundlich grüßt und damit bedeutungsvoll drohen will, wenig verspricht, ohne abzuweisen, nichts hält, ohne streng genommen für wortbrüchig erklärt werden zu können. Wer ist Louis Philipp? Jezt ein König, ehemals ein Lehrer in der Schweiz, der Unterricht in der Mathematik gab. Er muß die Fähigkeit im höchsten Grade besitzen, sich in fremde Zustände zu versetzen, fremde Resignation nach seinem eigenen Besitzthum zu ermessen, diese große Eigenschaft, welche allen im Glück Gebornen abgeht, und sie entweder gegen den Entbehrenden abstumpft, oder seinen Verlust auf sentimentale Weise viel zu hoch anschlagen läßt. Wer den Geschmack des Besitzes nicht fein und nachhaltig durchkosten kann, versteht auch nie, die Distanzen und Jntervallen abzumessen von Mehr zu Minder, von Allem zu Etwas und von Etwas zu Nichts. Louis Philipp ist kein geborner Herrscher. Er ist nur der Repräsentant einer gewissen rationellen Nothwendigkeit der Monarchie, die gerade er vorzustellen glücklicherweise eine Berechtigung des Blutes hatte. Er ist der Sohn eines Republikaners.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/392
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/392>, abgerufen am 22.11.2024.