Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

da Einigkeit und Vertrauen in das politische Leben kommen, wo sich durch den dritten Stand hindurch Namen drängen, die eine ganz unverdiente Auszeichnung besitzen und einen Unterschied erzeugen, der auf faktische Verhältnisse gar nicht begründet ist? Erst, wenn nur die adlig sind, welche ein gewisses Quantum von Länderbesitz haben und die, welche sich diesen Länderbesitz auch erwerben, es ohne weiteres werden können, dann würde der Adel, sowie der Doktortitel die Gelehrsamkeit bedeutet, so nichts als den Güterbesitz bezeichnen. Er würde dann nichts Exklusives für den Bürgerstand mehr seyn, und nicht mehr jenes große Hinderniß eines behaglichen Staatslebens bilden, welches er bis jezt noch immer in Deutschland und minder emanzipirten Ländern ist. Und wie mit dem Adel, so auch mit der Kirche. Der Zeitgeist wird sich nie mehr bereitwillig finden, ihr politische Rechte einzuräumen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so soll die Kirche selbst aufhören, in Rücksicht auf die Religion in der Art eine Korporation zu bilden, daß sie etwa Staatskirche genannt wird oder sonst einen Vorzug vor jeder andern beliebigen religiösen Ueberzeugung genießt. Man kann diesen Zeitgeist verdammen, aber wo ist die Kraft, die ihn tödten könnte?

Endlich verlangt das Jahrhundert Freiheit für Handel und Gewerbe. Niemanden, es sey denn einen Erfinder, soll ein Monopol schützen. Der Staat soll

da Einigkeit und Vertrauen in das politische Leben kommen, wo sich durch den dritten Stand hindurch Namen drängen, die eine ganz unverdiente Auszeichnung besitzen und einen Unterschied erzeugen, der auf faktische Verhältnisse gar nicht begründet ist? Erst, wenn nur die adlig sind, welche ein gewisses Quantum von Länderbesitz haben und die, welche sich diesen Länderbesitz auch erwerben, es ohne weiteres werden können, dann würde der Adel, sowie der Doktortitel die Gelehrsamkeit bedeutet, so nichts als den Güterbesitz bezeichnen. Er würde dann nichts Exklusives für den Bürgerstand mehr seyn, und nicht mehr jenes große Hinderniß eines behaglichen Staatslebens bilden, welches er bis jezt noch immer in Deutschland und minder emanzipirten Ländern ist. Und wie mit dem Adel, so auch mit der Kirche. Der Zeitgeist wird sich nie mehr bereitwillig finden, ihr politische Rechte einzuräumen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so soll die Kirche selbst aufhören, in Rücksicht auf die Religion in der Art eine Korporation zu bilden, daß sie etwa Staatskirche genannt wird oder sonst einen Vorzug vor jeder andern beliebigen religiösen Ueberzeugung genießt. Man kann diesen Zeitgeist verdammen, aber wo ist die Kraft, die ihn tödten könnte?

Endlich verlangt das Jahrhundert Freiheit für Handel und Gewerbe. Niemanden, es sey denn einen Erfinder, soll ein Monopol schützen. Der Staat soll

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0380" n="378"/>
da Einigkeit und Vertrauen in das politische Leben kommen, wo sich durch den dritten Stand hindurch Namen drängen, die eine ganz unverdiente Auszeichnung besitzen und einen Unterschied erzeugen, der auf faktische Verhältnisse gar nicht begründet ist? Erst, wenn nur die adlig sind, welche ein gewisses Quantum von Länderbesitz haben und die, welche sich diesen Länderbesitz auch erwerben, es ohne weiteres werden können, dann würde der Adel, sowie der Doktortitel die Gelehrsamkeit bedeutet, so nichts als den Güterbesitz bezeichnen. Er würde dann nichts Exklusives für den Bürgerstand mehr seyn, und nicht mehr jenes große Hinderniß eines behaglichen Staatslebens bilden, welches er bis jezt noch immer in Deutschland und minder emanzipirten Ländern ist. Und wie mit dem Adel, so auch mit der Kirche. Der Zeitgeist wird sich nie mehr bereitwillig finden, ihr politische Rechte einzuräumen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so soll die Kirche selbst aufhören, in Rücksicht auf die Religion in der Art eine Korporation zu bilden, daß sie etwa Staatskirche genannt wird oder sonst einen Vorzug vor jeder andern beliebigen religiösen Ueberzeugung genießt. Man kann diesen Zeitgeist verdammen, aber wo ist die Kraft, die ihn tödten könnte?</p>
        <p>Endlich verlangt das Jahrhundert Freiheit für Handel und Gewerbe. Niemanden, es sey denn einen Erfinder, soll ein Monopol schützen. Der Staat soll
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0380] da Einigkeit und Vertrauen in das politische Leben kommen, wo sich durch den dritten Stand hindurch Namen drängen, die eine ganz unverdiente Auszeichnung besitzen und einen Unterschied erzeugen, der auf faktische Verhältnisse gar nicht begründet ist? Erst, wenn nur die adlig sind, welche ein gewisses Quantum von Länderbesitz haben und die, welche sich diesen Länderbesitz auch erwerben, es ohne weiteres werden können, dann würde der Adel, sowie der Doktortitel die Gelehrsamkeit bedeutet, so nichts als den Güterbesitz bezeichnen. Er würde dann nichts Exklusives für den Bürgerstand mehr seyn, und nicht mehr jenes große Hinderniß eines behaglichen Staatslebens bilden, welches er bis jezt noch immer in Deutschland und minder emanzipirten Ländern ist. Und wie mit dem Adel, so auch mit der Kirche. Der Zeitgeist wird sich nie mehr bereitwillig finden, ihr politische Rechte einzuräumen, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so soll die Kirche selbst aufhören, in Rücksicht auf die Religion in der Art eine Korporation zu bilden, daß sie etwa Staatskirche genannt wird oder sonst einen Vorzug vor jeder andern beliebigen religiösen Ueberzeugung genießt. Man kann diesen Zeitgeist verdammen, aber wo ist die Kraft, die ihn tödten könnte? Endlich verlangt das Jahrhundert Freiheit für Handel und Gewerbe. Niemanden, es sey denn einen Erfinder, soll ein Monopol schützen. Der Staat soll

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/380
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/380>, abgerufen am 06.07.2024.