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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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als Modalität für die unmittelbare Produktion verbunden ist, dann wird der Staat noch Mittel genug haben, ordnend, leitend, und selbst beschränkend auf die Presse einzuwirken, ohne gewaltsam in die Produktionen einzugreifen. Mit einem Worte, die Zensur sey das Mittelbare, die Preßfreiheit das Unmittelbare!

Den formellen Standpunkt mit dem materiellen vertauschend, sehen wir im Gebiet der Wissenschaften stets zwei Gegner mit einander im Kampf liegen, die Empirie und die Spekulation. Jene ist bald Sammlerfleiß auf der untersten Stufe, bald auf höherer scharfsinnige Kombination einzelner, zerstreuter Thatsachen. Diese kömmt aus einem ganzen Stück und wird den Strom der Thatsachen hinauf oft nur von der Phantasie als Ruder weiter geführt. Die Erfahrung verknüpft einzelne Wahrnehmungen zu Resultaten, denen sie den Stempel des Gesetzes aufdrückt. Die Spekulation trachtet nach derselben Nothwendigkeit ihrer Behauptungen und nimmt dafür zunächst die Anerkennung ihrer Prinzipien in Anspruch.

Die Erfahrung und Spekulation bezeichnen beide eine verschiedene Weise, den Stoff der Wissenschaften zu bewältigen. Sie drücken sogar eine Parteiung aus, wie sie fast im Gebiete jeder Wissenschaft sich gegenübersteht, wo die einen nur glauben, was sie sehen, und die andern sagen, selig wären die, welche, noch ehe sie sahen, schon glaubten. So gingen auch beide Methoden in der Entwicklung der Wissenschaften immer

als Modalität für die unmittelbare Produktion verbunden ist, dann wird der Staat noch Mittel genug haben, ordnend, leitend, und selbst beschränkend auf die Presse einzuwirken, ohne gewaltsam in die Produktionen einzugreifen. Mit einem Worte, die Zensur sey das Mittelbare, die Preßfreiheit das Unmittelbare!

Den formellen Standpunkt mit dem materiellen vertauschend, sehen wir im Gebiet der Wissenschaften stets zwei Gegner mit einander im Kampf liegen, die Empirie und die Spekulation. Jene ist bald Sammlerfleiß auf der untersten Stufe, bald auf höherer scharfsinnige Kombination einzelner, zerstreuter Thatsachen. Diese kömmt aus einem ganzen Stück und wird den Strom der Thatsachen hinauf oft nur von der Phantasie als Ruder weiter geführt. Die Erfahrung verknüpft einzelne Wahrnehmungen zu Resultaten, denen sie den Stempel des Gesetzes aufdrückt. Die Spekulation trachtet nach derselben Nothwendigkeit ihrer Behauptungen und nimmt dafür zunächst die Anerkennung ihrer Prinzipien in Anspruch.

Die Erfahrung und Spekulation bezeichnen beide eine verschiedene Weise, den Stoff der Wissenschaften zu bewältigen. Sie drücken sogar eine Parteiung aus, wie sie fast im Gebiete jeder Wissenschaft sich gegenübersteht, wo die einen nur glauben, was sie sehen, und die andern sagen, selig wären die, welche, noch ehe sie sahen, schon glaubten. So gingen auch beide Methoden in der Entwicklung der Wissenschaften immer

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[318/0320] als Modalität für die unmittelbare Produktion verbunden ist, dann wird der Staat noch Mittel genug haben, ordnend, leitend, und selbst beschränkend auf die Presse einzuwirken, ohne gewaltsam in die Produktionen einzugreifen. Mit einem Worte, die Zensur sey das Mittelbare, die Preßfreiheit das Unmittelbare! Den formellen Standpunkt mit dem materiellen vertauschend, sehen wir im Gebiet der Wissenschaften stets zwei Gegner mit einander im Kampf liegen, die Empirie und die Spekulation. Jene ist bald Sammlerfleiß auf der untersten Stufe, bald auf höherer scharfsinnige Kombination einzelner, zerstreuter Thatsachen. Diese kömmt aus einem ganzen Stück und wird den Strom der Thatsachen hinauf oft nur von der Phantasie als Ruder weiter geführt. Die Erfahrung verknüpft einzelne Wahrnehmungen zu Resultaten, denen sie den Stempel des Gesetzes aufdrückt. Die Spekulation trachtet nach derselben Nothwendigkeit ihrer Behauptungen und nimmt dafür zunächst die Anerkennung ihrer Prinzipien in Anspruch. Die Erfahrung und Spekulation bezeichnen beide eine verschiedene Weise, den Stoff der Wissenschaften zu bewältigen. Sie drücken sogar eine Parteiung aus, wie sie fast im Gebiete jeder Wissenschaft sich gegenübersteht, wo die einen nur glauben, was sie sehen, und die andern sagen, selig wären die, welche, noch ehe sie sahen, schon glaubten. So gingen auch beide Methoden in der Entwicklung der Wissenschaften immer

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/320>, abgerufen am 25.11.2024.