Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.derselben haben erhalten und mit ihren Tugenden und Fehlern in die Annalen der Geschichte einschreiben können. Einen allgemeinen Durchschnittscharakter der neuesten Poesie zu zeichnen, ist schwer, wenn man die Stellung derselben bei den einzelnen Nationen bedenkt. Deutschland leistet wenig oder nichts, oder doch nur so spezielles, daß davon über die heimischen Grenzen nichts kommen kann, wie doch Schiller und Göthe kamen. Frankreich hat jedenfalls dichterischen Aufschwung erlebt, der, wenn man die innere Kraft, die Neuheit der Bewegung und das Kolorit der französischen Sprache bedenkt, alles hinter sich läßt, was frühere Epochen in Frankreich geleistet haben. England erlebte einige schöne poetische Beispiele; doch haben sich seine Talente auf eine fast holländische Breite verlegt, die von der englischen Poesie zwar beweist, daß sie viel Kombination, aber wenig Feuer in sich hat. Flammengeister lodern in England jezt keine auf. Es ist auch fast unmöglich, daß in England die Genialität sich anders als gegen die Majorität aussprechen kann. Allein die jezt in England herrschende whigistische Majorität entspricht so sehr einfachen, gesunden und bürgerlichen Begriffen, die Majorität ist selbst so in polemischem Zustand begriffen, daß sich ein Geist, in dem das Feuer die Vernunft nicht versengt hat, nicht entschließen kann, gegen diese Majorität aufzutreten. Einige spanische, italienische, schwedische, polnische und sogar russische derselben haben erhalten und mit ihren Tugenden und Fehlern in die Annalen der Geschichte einschreiben können. Einen allgemeinen Durchschnittscharakter der neuesten Poesie zu zeichnen, ist schwer, wenn man die Stellung derselben bei den einzelnen Nationen bedenkt. Deutschland leistet wenig oder nichts, oder doch nur so spezielles, daß davon über die heimischen Grenzen nichts kommen kann, wie doch Schiller und Göthe kamen. Frankreich hat jedenfalls dichterischen Aufschwung erlebt, der, wenn man die innere Kraft, die Neuheit der Bewegung und das Kolorit der französischen Sprache bedenkt, alles hinter sich läßt, was frühere Epochen in Frankreich geleistet haben. England erlebte einige schöne poetische Beispiele; doch haben sich seine Talente auf eine fast holländische Breite verlegt, die von der englischen Poesie zwar beweist, daß sie viel Kombination, aber wenig Feuer in sich hat. Flammengeister lodern in England jezt keine auf. Es ist auch fast unmöglich, daß in England die Genialität sich anders als gegen die Majorität aussprechen kann. Allein die jezt in England herrschende whigistische Majorität entspricht so sehr einfachen, gesunden und bürgerlichen Begriffen, die Majorität ist selbst so in polemischem Zustand begriffen, daß sich ein Geist, in dem das Feuer die Vernunft nicht versengt hat, nicht entschließen kann, gegen diese Majorität aufzutreten. Einige spanische, italienische, schwedische, polnische und sogar russische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0280" n="278"/> derselben haben erhalten und mit ihren Tugenden und Fehlern in die Annalen der Geschichte einschreiben können. Einen allgemeinen Durchschnittscharakter der neuesten Poesie zu zeichnen, ist schwer, wenn man die Stellung derselben bei den einzelnen Nationen bedenkt. Deutschland leistet wenig oder nichts, oder doch nur so spezielles, daß davon über die heimischen Grenzen nichts kommen kann, wie doch <hi rendition="#g">Schiller</hi> und <hi rendition="#g">Göthe</hi> kamen. Frankreich hat jedenfalls dichterischen Aufschwung erlebt, der, wenn man die innere Kraft, die Neuheit der Bewegung und das Kolorit der französischen Sprache bedenkt, alles hinter sich läßt, was frühere Epochen in Frankreich geleistet haben. England erlebte einige schöne poetische Beispiele; doch haben sich seine Talente auf eine fast holländische Breite verlegt, die von der englischen Poesie zwar beweist, daß sie viel Kombination, aber wenig Feuer in sich hat. Flammengeister lodern in England jezt keine auf. Es ist auch fast unmöglich, daß in England die Genialität sich anders als <hi rendition="#g">gegen die Majorität</hi> aussprechen kann. Allein die jezt in England herrschende whigistische Majorität entspricht so sehr einfachen, gesunden und bürgerlichen Begriffen, die Majorität ist selbst so in polemischem Zustand begriffen, daß sich ein Geist, in dem das Feuer die Vernunft nicht versengt hat, nicht entschließen kann, gegen diese Majorität aufzutreten. Einige spanische, italienische, schwedische, polnische und sogar russische </p> </div> </body> </text> </TEI> [278/0280]
derselben haben erhalten und mit ihren Tugenden und Fehlern in die Annalen der Geschichte einschreiben können. Einen allgemeinen Durchschnittscharakter der neuesten Poesie zu zeichnen, ist schwer, wenn man die Stellung derselben bei den einzelnen Nationen bedenkt. Deutschland leistet wenig oder nichts, oder doch nur so spezielles, daß davon über die heimischen Grenzen nichts kommen kann, wie doch Schiller und Göthe kamen. Frankreich hat jedenfalls dichterischen Aufschwung erlebt, der, wenn man die innere Kraft, die Neuheit der Bewegung und das Kolorit der französischen Sprache bedenkt, alles hinter sich läßt, was frühere Epochen in Frankreich geleistet haben. England erlebte einige schöne poetische Beispiele; doch haben sich seine Talente auf eine fast holländische Breite verlegt, die von der englischen Poesie zwar beweist, daß sie viel Kombination, aber wenig Feuer in sich hat. Flammengeister lodern in England jezt keine auf. Es ist auch fast unmöglich, daß in England die Genialität sich anders als gegen die Majorität aussprechen kann. Allein die jezt in England herrschende whigistische Majorität entspricht so sehr einfachen, gesunden und bürgerlichen Begriffen, die Majorität ist selbst so in polemischem Zustand begriffen, daß sich ein Geist, in dem das Feuer die Vernunft nicht versengt hat, nicht entschließen kann, gegen diese Majorität aufzutreten. Einige spanische, italienische, schwedische, polnische und sogar russische
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/280>, abgerufen am 16.02.2025. |