Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.hat in seinen Opern Akt auf Akt, Scene auf Scene, Nummer auf Nummer nach den Regeln der bürgerlichen Baukunst gefügt. Jm Allgemeinen ist die Oper jezt im Verfalle. Die Virtuosität, namentlich der Klavierspieler, hat überdies im Moment eine so ungeheure Höhe erreicht, daß man bald nur noch von einigen wenigen Meistern reden und jene ungeheure Fluth von Dilettanten und Wunderkindern, die auf den Beutel des Publikums spekuliren, vergessen wird. Das Leichtfaßliche, Angenehme und vorzugsweise Erheiternde in der Musik wird in der Gesellschaft als ein Surrogat für die Erziehung zurückbleiben. Jm eigentlichen Bereich der Kunst aber dürfte viel Aussterbens eintreten und es dem wahrhaften Genius jezt mehr, als je, leicht werden, die vakante Theilnahme des Publikums an sich zu reißen. Die neuere Dichtkunst hat in ihrem Schooße fast eben so viele Umwälzungen erlebt, als die neuere Geschichte. Das poetische Vermächtniß des vorigen Jahrhunderts an das Unsrige war reich und herrlich in dem, was von einzelnen Geistern ausging, in den Saatkeimen einer bessern Theorie, die in ihren Werken lagen. Allein wir übernahmen zu gleicher Zeit ein solches Chaos von Regeln und Anforderungen an die Dichtkunst, so viel Schulweisheit und kritische Anmaßung, daß es zu verwundern ist, wie neuere Dichter nach den gefährlichsten Kämpfen mit einer auf Leben und Tod erkennenden Kritik sich doch trotz hat in seinen Opern Akt auf Akt, Scene auf Scene, Nummer auf Nummer nach den Regeln der bürgerlichen Baukunst gefügt. Jm Allgemeinen ist die Oper jezt im Verfalle. Die Virtuosität, namentlich der Klavierspieler, hat überdies im Moment eine so ungeheure Höhe erreicht, daß man bald nur noch von einigen wenigen Meistern reden und jene ungeheure Fluth von Dilettanten und Wunderkindern, die auf den Beutel des Publikums spekuliren, vergessen wird. Das Leichtfaßliche, Angenehme und vorzugsweise Erheiternde in der Musik wird in der Gesellschaft als ein Surrogat für die Erziehung zurückbleiben. Jm eigentlichen Bereich der Kunst aber dürfte viel Aussterbens eintreten und es dem wahrhaften Genius jezt mehr, als je, leicht werden, die vakante Theilnahme des Publikums an sich zu reißen. Die neuere Dichtkunst hat in ihrem Schooße fast eben so viele Umwälzungen erlebt, als die neuere Geschichte. Das poetische Vermächtniß des vorigen Jahrhunderts an das Unsrige war reich und herrlich in dem, was von einzelnen Geistern ausging, in den Saatkeimen einer bessern Theorie, die in ihren Werken lagen. Allein wir übernahmen zu gleicher Zeit ein solches Chaos von Regeln und Anforderungen an die Dichtkunst, so viel Schulweisheit und kritische Anmaßung, daß es zu verwundern ist, wie neuere Dichter nach den gefährlichsten Kämpfen mit einer auf Leben und Tod erkennenden Kritik sich doch trotz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="277"/> hat in seinen Opern Akt auf Akt, Scene auf Scene, Nummer auf Nummer nach den Regeln der bürgerlichen Baukunst gefügt. Jm Allgemeinen ist die Oper jezt im Verfalle. Die Virtuosität, namentlich der Klavierspieler, hat überdies im Moment eine so ungeheure Höhe erreicht, daß man bald nur noch von einigen wenigen Meistern reden und jene ungeheure Fluth von Dilettanten und Wunderkindern, die auf den Beutel des Publikums spekuliren, vergessen wird. Das Leichtfaßliche, Angenehme und vorzugsweise Erheiternde in der Musik wird in der Gesellschaft als ein Surrogat für die Erziehung zurückbleiben. Jm eigentlichen Bereich der Kunst aber dürfte viel Aussterbens eintreten und es dem wahrhaften Genius jezt mehr, als je, leicht werden, die vakante Theilnahme des Publikums an sich zu reißen.</p> <p>Die neuere Dichtkunst hat in ihrem Schooße fast eben so viele Umwälzungen erlebt, als die neuere Geschichte. Das poetische Vermächtniß des vorigen Jahrhunderts an das Unsrige war reich und herrlich in dem, was von einzelnen Geistern ausging, in den Saatkeimen einer bessern Theorie, die in ihren Werken lagen. Allein wir übernahmen zu gleicher Zeit ein solches Chaos von Regeln und Anforderungen an die Dichtkunst, so viel Schulweisheit und kritische Anmaßung, daß es zu verwundern ist, wie neuere Dichter nach den gefährlichsten Kämpfen mit einer auf Leben und Tod erkennenden Kritik sich doch trotz </p> </div> </body> </text> </TEI> [277/0279]
hat in seinen Opern Akt auf Akt, Scene auf Scene, Nummer auf Nummer nach den Regeln der bürgerlichen Baukunst gefügt. Jm Allgemeinen ist die Oper jezt im Verfalle. Die Virtuosität, namentlich der Klavierspieler, hat überdies im Moment eine so ungeheure Höhe erreicht, daß man bald nur noch von einigen wenigen Meistern reden und jene ungeheure Fluth von Dilettanten und Wunderkindern, die auf den Beutel des Publikums spekuliren, vergessen wird. Das Leichtfaßliche, Angenehme und vorzugsweise Erheiternde in der Musik wird in der Gesellschaft als ein Surrogat für die Erziehung zurückbleiben. Jm eigentlichen Bereich der Kunst aber dürfte viel Aussterbens eintreten und es dem wahrhaften Genius jezt mehr, als je, leicht werden, die vakante Theilnahme des Publikums an sich zu reißen.
Die neuere Dichtkunst hat in ihrem Schooße fast eben so viele Umwälzungen erlebt, als die neuere Geschichte. Das poetische Vermächtniß des vorigen Jahrhunderts an das Unsrige war reich und herrlich in dem, was von einzelnen Geistern ausging, in den Saatkeimen einer bessern Theorie, die in ihren Werken lagen. Allein wir übernahmen zu gleicher Zeit ein solches Chaos von Regeln und Anforderungen an die Dichtkunst, so viel Schulweisheit und kritische Anmaßung, daß es zu verwundern ist, wie neuere Dichter nach den gefährlichsten Kämpfen mit einer auf Leben und Tod erkennenden Kritik sich doch trotz
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