Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.nicht zu Ende; eine solche Störung bringt die Spieler aus dem Zusammenhang, man weist ihn zur Ruh. Thränen im Aug muß er in irgend einen Winkel sein sorgenschweres Haupt auf die Hand stützen. Seine Meisterschaft auf der Guitarre war noch nicht weit her. Er wußte nicht, woher er Nahrung nehmen sollte. Dies ist der Punkt, bis zu welchem man gekommen seyn muß, wenn man eine neue Lebensrichtung erhalten will. Für einen Zwiespalt mit sich und der Welt sind alle Voraussetzungen gegeben, und deßhalb sehen wir denn auch, daß jener grüne Jägersmann, der lieber in den Wald als in die Kirche ging, zu unserm Dichter herantritt und den Höllenbrand der Zwietracht in ihn hineinwirft. Doch legt er nur ruhig das Pulver auf die Pfanne. Das Losdrücken überläßt er späterer Zeit. Wer Martin war und was ihm fehlte, hatte der wilde Jäger, der zu ihm herantrat, bald erkundschaftet; er gab ihm einen guten Rath, nämlich den, sich an einen reichen Kaufmann anzuschließen, dessen Familie so eben im Wirthshause abgestiegen wäre und von der Stadt in eine Sommerwohnung auf dem Lande zöge. Martin mußte mehr vorstellen, als er war, er mußte ein Kandidat seyn, der eine Pfarre sucht und einstweilen auch mit einer Hauslehrerstelle vorlieb nehme. Die erste Lüge war da, ein Riß von oben bis unten; Martin stieg in die Bresche seines Gewissens ein, gefiel der Dame, die ihn sogleich engagirte, und schauderte, wie sich der nicht zu Ende; eine solche Störung bringt die Spieler aus dem Zusammenhang, man weist ihn zur Ruh. Thränen im Aug muß er in irgend einen Winkel sein sorgenschweres Haupt auf die Hand stützen. Seine Meisterschaft auf der Guitarre war noch nicht weit her. Er wußte nicht, woher er Nahrung nehmen sollte. Dies ist der Punkt, bis zu welchem man gekommen seyn muß, wenn man eine neue Lebensrichtung erhalten will. Für einen Zwiespalt mit sich und der Welt sind alle Voraussetzungen gegeben, und deßhalb sehen wir denn auch, daß jener grüne Jägersmann, der lieber in den Wald als in die Kirche ging, zu unserm Dichter herantritt und den Höllenbrand der Zwietracht in ihn hineinwirft. Doch legt er nur ruhig das Pulver auf die Pfanne. Das Losdrücken überläßt er späterer Zeit. Wer Martin war und was ihm fehlte, hatte der wilde Jäger, der zu ihm herantrat, bald erkundschaftet; er gab ihm einen guten Rath, nämlich den, sich an einen reichen Kaufmann anzuschließen, dessen Familie so eben im Wirthshause abgestiegen wäre und von der Stadt in eine Sommerwohnung auf dem Lande zöge. Martin mußte mehr vorstellen, als er war, er mußte ein Kandidat seyn, der eine Pfarre sucht und einstweilen auch mit einer Hauslehrerstelle vorlieb nehme. Die erste Lüge war da, ein Riß von oben bis unten; Martin stieg in die Bresche seines Gewissens ein, gefiel der Dame, die ihn sogleich engagirte, und schauderte, wie sich der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0264" n="262"/> nicht zu Ende; eine solche Störung bringt die Spieler aus dem Zusammenhang, man weist ihn zur Ruh. Thränen im Aug muß er in irgend einen Winkel sein sorgenschweres Haupt auf die Hand stützen. Seine Meisterschaft auf der Guitarre war noch nicht weit her. Er wußte nicht, woher er Nahrung nehmen sollte. Dies ist der Punkt, bis zu welchem man gekommen seyn muß, wenn man eine neue Lebensrichtung erhalten will. Für einen Zwiespalt mit sich und der Welt sind alle Voraussetzungen gegeben, und deßhalb sehen wir denn auch, daß jener grüne Jägersmann, der lieber in den Wald als in die Kirche ging, zu unserm Dichter herantritt und den Höllenbrand der Zwietracht in ihn hineinwirft. Doch legt er nur ruhig das Pulver auf die Pfanne. Das Losdrücken überläßt er späterer Zeit. Wer <hi rendition="#g">Martin</hi> war und was ihm fehlte, hatte der wilde Jäger, der zu ihm herantrat, bald erkundschaftet; er gab ihm einen guten Rath, nämlich den, sich an einen reichen Kaufmann anzuschließen, dessen Familie so eben im Wirthshause abgestiegen wäre und von der Stadt in eine Sommerwohnung auf dem Lande zöge. <hi rendition="#g">Martin</hi> mußte mehr vorstellen, als er war, er mußte ein Kandidat seyn, der eine Pfarre sucht und einstweilen auch mit einer Hauslehrerstelle vorlieb nehme. Die erste Lüge war da, ein Riß von oben bis unten; <hi rendition="#g">Martin</hi> stieg in die Bresche seines Gewissens ein, gefiel der Dame, die ihn sogleich engagirte, und schauderte, wie sich der </p> </div> </body> </text> </TEI> [262/0264]
nicht zu Ende; eine solche Störung bringt die Spieler aus dem Zusammenhang, man weist ihn zur Ruh. Thränen im Aug muß er in irgend einen Winkel sein sorgenschweres Haupt auf die Hand stützen. Seine Meisterschaft auf der Guitarre war noch nicht weit her. Er wußte nicht, woher er Nahrung nehmen sollte. Dies ist der Punkt, bis zu welchem man gekommen seyn muß, wenn man eine neue Lebensrichtung erhalten will. Für einen Zwiespalt mit sich und der Welt sind alle Voraussetzungen gegeben, und deßhalb sehen wir denn auch, daß jener grüne Jägersmann, der lieber in den Wald als in die Kirche ging, zu unserm Dichter herantritt und den Höllenbrand der Zwietracht in ihn hineinwirft. Doch legt er nur ruhig das Pulver auf die Pfanne. Das Losdrücken überläßt er späterer Zeit. Wer Martin war und was ihm fehlte, hatte der wilde Jäger, der zu ihm herantrat, bald erkundschaftet; er gab ihm einen guten Rath, nämlich den, sich an einen reichen Kaufmann anzuschließen, dessen Familie so eben im Wirthshause abgestiegen wäre und von der Stadt in eine Sommerwohnung auf dem Lande zöge. Martin mußte mehr vorstellen, als er war, er mußte ein Kandidat seyn, der eine Pfarre sucht und einstweilen auch mit einer Hauslehrerstelle vorlieb nehme. Die erste Lüge war da, ein Riß von oben bis unten; Martin stieg in die Bresche seines Gewissens ein, gefiel der Dame, die ihn sogleich engagirte, und schauderte, wie sich der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/264 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/264>, abgerufen am 16.07.2024. |