Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Bündel, seiner Guitarre und einigen Büchern aus dem Haus und der Stadt davon. Jm zweiten Gemälde erblicken wir den jungen Flüchtling auf freiem Felde. Lerchen durchwirbeln den schönsten Sonntagsmorgen. Alles eilt aus benachbarten Dörfern und Höfen in die kleine Kirche dort im Thale, nur der Jäger geht seinen eigenen Weg zum Walde hinüber. Martin muß uns das Alles in abgerundeten Naturbildern wiedersagen. Seine Dichtkunst hat das allgemeine Gebiet frommer und dämmernder Träume verlassen. Am unmittelbaren Leben der Natur singt er sich in einen neuen Ton hinein. Doch fehlt ihm Geld, wie soll er's verdienen? Er entschließt sich, als Deklamator aufzutreten, wo es nur sey, im nächsten Wirthshaus, wo er nur ein paar müßige Spieler oder Trinker antreffen wird. Es wird ihm schwer, mit seiner Poesie zu betteln. Es dauert noch bis zum Schluß der Kirche, bis er ins Wirthshaus tritt. Da begegnet ihm rund um einen Tisch herum die leibhafte Prosa; Verwalter und Oekonomen spielen Schafskopf. Martin wäre schon froh, dürfte er nur einmal aus ihren gefüllten Gläsern mittrinken. Zitternd legt er sein Bündel in einen Winkel, nimmt die Guitarre und schleicht sich leise näher zum Tisch der Gäste. Er schlägt sich einige Akkorde an und trägt dann in singender Monotonie das Beste vor, was er kann: "Freude war in Troja's Hallen," oder etwas Aehnliches. Aber man läßt ihn Bündel, seiner Guitarre und einigen Büchern aus dem Haus und der Stadt davon. Jm zweiten Gemälde erblicken wir den jungen Flüchtling auf freiem Felde. Lerchen durchwirbeln den schönsten Sonntagsmorgen. Alles eilt aus benachbarten Dörfern und Höfen in die kleine Kirche dort im Thale, nur der Jäger geht seinen eigenen Weg zum Walde hinüber. Martin muß uns das Alles in abgerundeten Naturbildern wiedersagen. Seine Dichtkunst hat das allgemeine Gebiet frommer und dämmernder Träume verlassen. Am unmittelbaren Leben der Natur singt er sich in einen neuen Ton hinein. Doch fehlt ihm Geld, wie soll er’s verdienen? Er entschließt sich, als Deklamator aufzutreten, wo es nur sey, im nächsten Wirthshaus, wo er nur ein paar müßige Spieler oder Trinker antreffen wird. Es wird ihm schwer, mit seiner Poesie zu betteln. Es dauert noch bis zum Schluß der Kirche, bis er ins Wirthshaus tritt. Da begegnet ihm rund um einen Tisch herum die leibhafte Prosa; Verwalter und Oekonomen spielen Schafskopf. Martin wäre schon froh, dürfte er nur einmal aus ihren gefüllten Gläsern mittrinken. Zitternd legt er sein Bündel in einen Winkel, nimmt die Guitarre und schleicht sich leise näher zum Tisch der Gäste. Er schlägt sich einige Akkorde an und trägt dann in singender Monotonie das Beste vor, was er kann: "Freude war in Troja’s Hallen," oder etwas Aehnliches. Aber man läßt ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0263" n="261"/> Bündel, seiner Guitarre und einigen Büchern aus dem Haus und der Stadt davon.</p> <p>Jm zweiten Gemälde erblicken wir den jungen Flüchtling auf freiem Felde. Lerchen durchwirbeln den schönsten Sonntagsmorgen. Alles eilt aus benachbarten Dörfern und Höfen in die kleine Kirche dort im Thale, nur der Jäger geht seinen eigenen Weg zum Walde hinüber. <hi rendition="#g">Martin</hi> muß uns das Alles in abgerundeten Naturbildern wiedersagen. Seine Dichtkunst hat das allgemeine Gebiet frommer und dämmernder Träume verlassen. Am unmittelbaren Leben der Natur singt er sich in einen neuen Ton hinein. Doch fehlt ihm Geld, wie soll er’s verdienen? Er entschließt sich, als Deklamator aufzutreten, wo es nur sey, im nächsten Wirthshaus, wo er nur ein paar müßige Spieler oder Trinker antreffen wird. Es wird ihm schwer, mit seiner Poesie zu betteln. Es dauert noch bis zum Schluß der Kirche, bis er ins Wirthshaus tritt. Da begegnet ihm rund um einen Tisch herum die leibhafte Prosa; Verwalter und Oekonomen spielen Schafskopf. <hi rendition="#g">Martin</hi> wäre schon froh, dürfte er nur einmal aus ihren gefüllten Gläsern mittrinken. Zitternd legt er sein Bündel in einen Winkel, nimmt die Guitarre und schleicht sich leise näher zum Tisch der Gäste. Er schlägt sich einige Akkorde an und trägt dann in singender Monotonie das Beste vor, was er kann: "Freude war in Troja’s Hallen," oder etwas Aehnliches. Aber man läßt ihn </p> </div> </body> </text> </TEI> [261/0263]
Bündel, seiner Guitarre und einigen Büchern aus dem Haus und der Stadt davon.
Jm zweiten Gemälde erblicken wir den jungen Flüchtling auf freiem Felde. Lerchen durchwirbeln den schönsten Sonntagsmorgen. Alles eilt aus benachbarten Dörfern und Höfen in die kleine Kirche dort im Thale, nur der Jäger geht seinen eigenen Weg zum Walde hinüber. Martin muß uns das Alles in abgerundeten Naturbildern wiedersagen. Seine Dichtkunst hat das allgemeine Gebiet frommer und dämmernder Träume verlassen. Am unmittelbaren Leben der Natur singt er sich in einen neuen Ton hinein. Doch fehlt ihm Geld, wie soll er’s verdienen? Er entschließt sich, als Deklamator aufzutreten, wo es nur sey, im nächsten Wirthshaus, wo er nur ein paar müßige Spieler oder Trinker antreffen wird. Es wird ihm schwer, mit seiner Poesie zu betteln. Es dauert noch bis zum Schluß der Kirche, bis er ins Wirthshaus tritt. Da begegnet ihm rund um einen Tisch herum die leibhafte Prosa; Verwalter und Oekonomen spielen Schafskopf. Martin wäre schon froh, dürfte er nur einmal aus ihren gefüllten Gläsern mittrinken. Zitternd legt er sein Bündel in einen Winkel, nimmt die Guitarre und schleicht sich leise näher zum Tisch der Gäste. Er schlägt sich einige Akkorde an und trägt dann in singender Monotonie das Beste vor, was er kann: "Freude war in Troja’s Hallen," oder etwas Aehnliches. Aber man läßt ihn
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/263>, abgerufen am 16.02.2025. |