Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sind des Wuchers müde, um so mehr, da sie nicht mehr das Privilegium dazu haben, sondern schon längst von Christen darin übertroffen werden. Den Vorwurf, daß sie zur Emanzipation noch nicht reif wären, können sie insofern zurückweisen, als die an ihnen vermißte Bildung nicht die Ursache, sondern die Folge der Emanzipation seyn kann; denn gibt es Bildung, wo keine Freiheit ist? Werden selbst scharfsinning gebildete Jsraeliten aufhören, eine gewisse eigenthümliche und nicht selten abstoßende Physiognomie zu tragen, wenn man die jüdische Bildung zwingt, sich auf eigene Hand zu erzielen, und nicht vielmehr Thür und Thor öffnet, daß sich die Meinungen und Manieren vermischen und daraus jenes Nivellement erzeuge, welches wir Christen eigentlich unter: Selbstemanzipation der Juden begreifen? Nicht die Barbarei der Juden ist uns anstößig; (denn sind die Christen nicht theilweise roher!) sondern nur der ganze Geruch, der das jüdische Leben begleitet, die Folge der Sklaverei, die wir im Zustande der Sklaverei selbst verbesserlich glauben! Wir stoßen uns an der Specialität und begehren etwas Unmögliches, wenn wir verlangen, die Juden sollten diese durch sich selbst aufheben. So lange nicht die Emanzipation herrscht, werden wir bei den Juden über ihren Ueberzeugungen und Meinungen einen Circumflex finden, von dem wir sagen können, daß es jüdisch und vielleicht fatal ist; allein wenn es den freiesten Geistern sind des Wuchers müde, um so mehr, da sie nicht mehr das Privilegium dazu haben, sondern schon längst von Christen darin übertroffen werden. Den Vorwurf, daß sie zur Emanzipation noch nicht reif wären, können sie insofern zurückweisen, als die an ihnen vermißte Bildung nicht die Ursache, sondern die Folge der Emanzipation seyn kann; denn gibt es Bildung, wo keine Freiheit ist? Werden selbst scharfsinning gebildete Jsraeliten aufhören, eine gewisse eigenthümliche und nicht selten abstoßende Physiognomie zu tragen, wenn man die jüdische Bildung zwingt, sich auf eigene Hand zu erzielen, und nicht vielmehr Thür und Thor öffnet, daß sich die Meinungen und Manieren vermischen und daraus jenes Nivellement erzeuge, welches wir Christen eigentlich unter: Selbstemanzipation der Juden begreifen? Nicht die Barbarei der Juden ist uns anstößig; (denn sind die Christen nicht theilweise roher!) sondern nur der ganze Geruch, der das jüdische Leben begleitet, die Folge der Sklaverei, die wir im Zustande der Sklaverei selbst verbesserlich glauben! Wir stoßen uns an der Specialität und begehren etwas Unmögliches, wenn wir verlangen, die Juden sollten diese durch sich selbst aufheben. So lange nicht die Emanzipation herrscht, werden wir bei den Juden über ihren Ueberzeugungen und Meinungen einen Circumflex finden, von dem wir sagen können, daß es jüdisch und vielleicht fatal ist; allein wenn es den freiesten Geistern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0213" n="211"/> sind des Wuchers müde, um so mehr, da sie nicht mehr das Privilegium dazu haben, sondern schon längst von Christen darin übertroffen werden. Den Vorwurf, daß sie zur Emanzipation noch nicht reif wären, können sie insofern zurückweisen, als die an ihnen vermißte Bildung nicht die Ursache, sondern die <hi rendition="#g">Folge</hi> der Emanzipation seyn kann; denn gibt es Bildung, wo keine Freiheit ist? Werden selbst scharfsinning gebildete Jsraeliten aufhören, eine gewisse eigenthümliche und nicht selten abstoßende Physiognomie zu tragen, wenn man die jüdische Bildung zwingt, sich auf eigene Hand zu erzielen, und nicht vielmehr Thür und Thor öffnet, daß sich die Meinungen und Manieren vermischen und daraus jenes Nivellement erzeuge, welches wir Christen eigentlich unter: <hi rendition="#g">Selbste</hi>manzipation der Juden begreifen? Nicht die Barbarei der Juden ist uns anstößig; (denn sind die Christen nicht theilweise roher!) sondern nur der ganze Geruch, der das jüdische Leben begleitet, die <hi rendition="#g">Folge</hi> der Sklaverei, die wir im Zustande der Sklaverei selbst verbesserlich glauben! Wir stoßen uns an der Specialität und begehren etwas Unmögliches, wenn wir verlangen, die Juden sollten diese durch sich selbst aufheben. So lange nicht die Emanzipation herrscht, werden wir bei den Juden über ihren Ueberzeugungen und Meinungen einen Circumflex finden, von dem wir sagen können, daß es jüdisch und vielleicht fatal ist; allein wenn es den freiesten Geistern </p> </div> </body> </text> </TEI> [211/0213]
sind des Wuchers müde, um so mehr, da sie nicht mehr das Privilegium dazu haben, sondern schon längst von Christen darin übertroffen werden. Den Vorwurf, daß sie zur Emanzipation noch nicht reif wären, können sie insofern zurückweisen, als die an ihnen vermißte Bildung nicht die Ursache, sondern die Folge der Emanzipation seyn kann; denn gibt es Bildung, wo keine Freiheit ist? Werden selbst scharfsinning gebildete Jsraeliten aufhören, eine gewisse eigenthümliche und nicht selten abstoßende Physiognomie zu tragen, wenn man die jüdische Bildung zwingt, sich auf eigene Hand zu erzielen, und nicht vielmehr Thür und Thor öffnet, daß sich die Meinungen und Manieren vermischen und daraus jenes Nivellement erzeuge, welches wir Christen eigentlich unter: Selbstemanzipation der Juden begreifen? Nicht die Barbarei der Juden ist uns anstößig; (denn sind die Christen nicht theilweise roher!) sondern nur der ganze Geruch, der das jüdische Leben begleitet, die Folge der Sklaverei, die wir im Zustande der Sklaverei selbst verbesserlich glauben! Wir stoßen uns an der Specialität und begehren etwas Unmögliches, wenn wir verlangen, die Juden sollten diese durch sich selbst aufheben. So lange nicht die Emanzipation herrscht, werden wir bei den Juden über ihren Ueberzeugungen und Meinungen einen Circumflex finden, von dem wir sagen können, daß es jüdisch und vielleicht fatal ist; allein wenn es den freiesten Geistern
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/213>, abgerufen am 16.02.2025. |