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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Gottesdienstes, noch die leere Nüchternheit des protestantischen vermögen auf Gemüther zu wirken, in welchen sich Verstand und Phantasie die Wage halten. Die Messe ist zu viel und die kahlen Wände bei den Protestanten sind zu wenig. Man will erregt seyn, aber ohne Sinnlichkeit, man will Phantasie, aber ohne Täuschung; die Widersprüche, die in den Empfindungen und der Denkweise der gegenwärtigen Welt liegen, können durch die äußere Form unsres Kultus am wenigsten ausgeglichen werden. Er bietet uns etwas Altes an, wo ein großer Theil noch unsern Empfindungen entspricht, der andere Theil aber nur den guten Eindruck des Andern stört. Was bleibt zulezt bei einem Verhältniß übrig, wo sich ohnedies jeder Besonnene gestehen muß, daß Neuerungen hier nicht nur schwierig, sondern auch in dem Falle ganz unmöglich sind, daß wir nicht eine neue Epoche in der Religionsgeschichte annehmen und mit vielem Jnnerlichen im Glauben auch dies Aeußerliche selber neu bestimmen wollen?

Darum soll jedoch nicht gesagt seyn, daß unsre Zeit nicht hie und da Symptome eines starken Dranges nach religiösem Leben aufweist. Nach der Frivolität und dem Kunstenthusiasmus des vorigen Jahrhunderts brachen so gewaltthätige Ereignisse über Europa herein, daß sich eine Schüchternheit und ein nicht selten mürrischer Ernst der Menschen bemächtigte. Unsre Gesinnungen sind strenger und rauher geworden, unsre

Gottesdienstes, noch die leere Nüchternheit des protestantischen vermögen auf Gemüther zu wirken, in welchen sich Verstand und Phantasie die Wage halten. Die Messe ist zu viel und die kahlen Wände bei den Protestanten sind zu wenig. Man will erregt seyn, aber ohne Sinnlichkeit, man will Phantasie, aber ohne Täuschung; die Widersprüche, die in den Empfindungen und der Denkweise der gegenwärtigen Welt liegen, können durch die äußere Form unsres Kultus am wenigsten ausgeglichen werden. Er bietet uns etwas Altes an, wo ein großer Theil noch unsern Empfindungen entspricht, der andere Theil aber nur den guten Eindruck des Andern stört. Was bleibt zulezt bei einem Verhältniß übrig, wo sich ohnedies jeder Besonnene gestehen muß, daß Neuerungen hier nicht nur schwierig, sondern auch in dem Falle ganz unmöglich sind, daß wir nicht eine neue Epoche in der Religionsgeschichte annehmen und mit vielem Jnnerlichen im Glauben auch dies Aeußerliche selber neu bestimmen wollen?

Darum soll jedoch nicht gesagt seyn, daß unsre Zeit nicht hie und da Symptome eines starken Dranges nach religiösem Leben aufweist. Nach der Frivolität und dem Kunstenthusiasmus des vorigen Jahrhunderts brachen so gewaltthätige Ereignisse über Europa herein, daß sich eine Schüchternheit und ein nicht selten mürrischer Ernst der Menschen bemächtigte. Unsre Gesinnungen sind strenger und rauher geworden, unsre

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[197/0199] Gottesdienstes, noch die leere Nüchternheit des protestantischen vermögen auf Gemüther zu wirken, in welchen sich Verstand und Phantasie die Wage halten. Die Messe ist zu viel und die kahlen Wände bei den Protestanten sind zu wenig. Man will erregt seyn, aber ohne Sinnlichkeit, man will Phantasie, aber ohne Täuschung; die Widersprüche, die in den Empfindungen und der Denkweise der gegenwärtigen Welt liegen, können durch die äußere Form unsres Kultus am wenigsten ausgeglichen werden. Er bietet uns etwas Altes an, wo ein großer Theil noch unsern Empfindungen entspricht, der andere Theil aber nur den guten Eindruck des Andern stört. Was bleibt zulezt bei einem Verhältniß übrig, wo sich ohnedies jeder Besonnene gestehen muß, daß Neuerungen hier nicht nur schwierig, sondern auch in dem Falle ganz unmöglich sind, daß wir nicht eine neue Epoche in der Religionsgeschichte annehmen und mit vielem Jnnerlichen im Glauben auch dies Aeußerliche selber neu bestimmen wollen? Darum soll jedoch nicht gesagt seyn, daß unsre Zeit nicht hie und da Symptome eines starken Dranges nach religiösem Leben aufweist. Nach der Frivolität und dem Kunstenthusiasmus des vorigen Jahrhunderts brachen so gewaltthätige Ereignisse über Europa herein, daß sich eine Schüchternheit und ein nicht selten mürrischer Ernst der Menschen bemächtigte. Unsre Gesinnungen sind strenger und rauher geworden, unsre

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/199>, abgerufen am 24.11.2024.