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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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keinen Theil, und die Geistlichkeit selbst fühlt wohl, daß das ihr anvertraute Kleinod der christlichen Lehre durch die Einfassung nicht schöner wird und es nur auf den Glanz und das Wasser desselben am Sonnenlicht der Aufklärung ankommt. Die Theologen fühlen zu gut, wie sehr zersplittert ihre Jnteressen sind, wie zahlreich die Auffassungen der christlichen Wahrheiten, wie unmöglich es ist, den Glauben jezt noch auf etwas Anderes zu gründen, als auf die Macht der individuellen Ueberzeugung, eine Grundlage, die etwas Besonderes, keine Allgemeinheit ist. Man weiß wohl, daß der Zeitgeist nicht die Lasten, die Stände und die Privilegien vom Staate emanzipiren will, sondern gerade von ihnen die Einzelnen. Würde nun gar noch die Kirche eine Autorität bekommen, so würden wir bald außer dem Staatszwang noch einen Kirchenzwang haben. Die Kirche würde sich zu etwas Ständigem organisiren, und, wenn auch vielleicht keine intoleranten Ansprüche machen, doch Verbesserungen und wissenschaftlichen Fortschritten unzugänglicher werden. Man hüte sich wohl und traue dem Priester nicht, wenn er sagt: "Freiheit der Kirche!" Und wenn er die salbungsvollsten Deklamationen gegen den politischen Despotismus einfließen läßt, wenn er noch so viel gegen Cabinetspolitik spricht und sich beliebter und auf der Tagesordnung stehender Redensarten bedient; er will nichts Anderes sagen, als: "Herrschaft der Kirche!" Was er Würde der Religion nennt, ist nicht selten

keinen Theil, und die Geistlichkeit selbst fühlt wohl, daß das ihr anvertraute Kleinod der christlichen Lehre durch die Einfassung nicht schöner wird und es nur auf den Glanz und das Wasser desselben am Sonnenlicht der Aufklärung ankommt. Die Theologen fühlen zu gut, wie sehr zersplittert ihre Jnteressen sind, wie zahlreich die Auffassungen der christlichen Wahrheiten, wie unmöglich es ist, den Glauben jezt noch auf etwas Anderes zu gründen, als auf die Macht der individuellen Ueberzeugung, eine Grundlage, die etwas Besonderes, keine Allgemeinheit ist. Man weiß wohl, daß der Zeitgeist nicht die Lasten, die Stände und die Privilegien vom Staate emanzipiren will, sondern gerade von ihnen die Einzelnen. Würde nun gar noch die Kirche eine Autorität bekommen, so würden wir bald außer dem Staatszwang noch einen Kirchenzwang haben. Die Kirche würde sich zu etwas Ständigem organisiren, und, wenn auch vielleicht keine intoleranten Ansprüche machen, doch Verbesserungen und wissenschaftlichen Fortschritten unzugänglicher werden. Man hüte sich wohl und traue dem Priester nicht, wenn er sagt: "Freiheit der Kirche!" Und wenn er die salbungsvollsten Deklamationen gegen den politischen Despotismus einfließen läßt, wenn er noch so viel gegen Cabinetspolitik spricht und sich beliebter und auf der Tagesordnung stehender Redensarten bedient; er will nichts Anderes sagen, als: "Herrschaft der Kirche!" Was er Würde der Religion nennt, ist nicht selten

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[188/0190] keinen Theil, und die Geistlichkeit selbst fühlt wohl, daß das ihr anvertraute Kleinod der christlichen Lehre durch die Einfassung nicht schöner wird und es nur auf den Glanz und das Wasser desselben am Sonnenlicht der Aufklärung ankommt. Die Theologen fühlen zu gut, wie sehr zersplittert ihre Jnteressen sind, wie zahlreich die Auffassungen der christlichen Wahrheiten, wie unmöglich es ist, den Glauben jezt noch auf etwas Anderes zu gründen, als auf die Macht der individuellen Ueberzeugung, eine Grundlage, die etwas Besonderes, keine Allgemeinheit ist. Man weiß wohl, daß der Zeitgeist nicht die Lasten, die Stände und die Privilegien vom Staate emanzipiren will, sondern gerade von ihnen die Einzelnen. Würde nun gar noch die Kirche eine Autorität bekommen, so würden wir bald außer dem Staatszwang noch einen Kirchenzwang haben. Die Kirche würde sich zu etwas Ständigem organisiren, und, wenn auch vielleicht keine intoleranten Ansprüche machen, doch Verbesserungen und wissenschaftlichen Fortschritten unzugänglicher werden. Man hüte sich wohl und traue dem Priester nicht, wenn er sagt: "Freiheit der Kirche!" Und wenn er die salbungsvollsten Deklamationen gegen den politischen Despotismus einfließen läßt, wenn er noch so viel gegen Cabinetspolitik spricht und sich beliebter und auf der Tagesordnung stehender Redensarten bedient; er will nichts Anderes sagen, als: "Herrschaft der Kirche!" Was er Würde der Religion nennt, ist nicht selten

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/190>, abgerufen am 24.11.2024.