Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.unsere Brust gesenkten, gemeinsamen kategorischen Jmperativ. Daß man die Sitten durch Gesetze nicht ändern kann, ist eine geschichtliche Erfahrung, welche die Fürsten an dem Baldachine ihres Thrones aufschreiben sollten. Despoten haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Sie haben auf irgend eine Gewohnheit eine Strafe gelegt und damit doch nichts anders bewirken können, als daß sie die Strafen fortwährend in Anwendung bringen mußten und eben den despotischen Charakter ihrer Regierung deutlich genug zur Schau trugen. Starben sie, so traten die alten Gewohnheiten, die sich nur versteckt hatten, wieder an das Tageslicht. Die Sitten kann man nur durch Einführung anderer Sitten ausrotten, das heißt, indem man den Motiven, die der Festhaltung irgend einer Gewohnheit zum Grunde liegen, die innere Haltung nimmt und sie entweder am Ehrgeiz, am Nachahmungstriebe, oder sonst einer Leidenschaft scheitern läßt. Peter der Große konnte die Sitten seines Volkes weit mehr dadurch ändern, daß er ihnen andere gegenüberstellte als dadurch, daß er sie durch Gesetze verbot. Peter der Große konnte weder den Bart, noch den Kleiderschnitt der Russen abändern, denn beide haben trotz seiner tyrannischen Vorschriften noch bis auf den heutigen Tag sich erhalten. Allein er konnte z. B. die Frauen aus ihrem zurückgesezten Zustande, in welchem sie sich immer in despotischen Staaten befinden, befreien, als er die französischen unsere Brust gesenkten, gemeinsamen kategorischen Jmperativ. Daß man die Sitten durch Gesetze nicht ändern kann, ist eine geschichtliche Erfahrung, welche die Fürsten an dem Baldachine ihres Thrones aufschreiben sollten. Despoten haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Sie haben auf irgend eine Gewohnheit eine Strafe gelegt und damit doch nichts anders bewirken können, als daß sie die Strafen fortwährend in Anwendung bringen mußten und eben den despotischen Charakter ihrer Regierung deutlich genug zur Schau trugen. Starben sie, so traten die alten Gewohnheiten, die sich nur versteckt hatten, wieder an das Tageslicht. Die Sitten kann man nur durch Einführung anderer Sitten ausrotten, das heißt, indem man den Motiven, die der Festhaltung irgend einer Gewohnheit zum Grunde liegen, die innere Haltung nimmt und sie entweder am Ehrgeiz, am Nachahmungstriebe, oder sonst einer Leidenschaft scheitern läßt. Peter der Große konnte die Sitten seines Volkes weit mehr dadurch ändern, daß er ihnen andere gegenüberstellte als dadurch, daß er sie durch Gesetze verbot. Peter der Große konnte weder den Bart, noch den Kleiderschnitt der Russen abändern, denn beide haben trotz seiner tyrannischen Vorschriften noch bis auf den heutigen Tag sich erhalten. Allein er konnte z. B. die Frauen aus ihrem zurückgesezten Zustande, in welchem sie sich immer in despotischen Staaten befinden, befreien, als er die französischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="17"/> unsere Brust gesenkten, gemeinsamen kategorischen Jmperativ. Daß man die Sitten durch Gesetze nicht ändern kann, ist eine geschichtliche Erfahrung, welche die Fürsten an dem Baldachine ihres Thrones aufschreiben sollten. Despoten haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Sie haben auf irgend eine Gewohnheit eine Strafe gelegt und damit doch nichts anders bewirken können, als daß sie die Strafen fortwährend in Anwendung bringen mußten und eben den despotischen Charakter ihrer Regierung deutlich genug zur Schau trugen. Starben sie, so traten die alten Gewohnheiten, die sich nur versteckt hatten, wieder an das Tageslicht. Die Sitten kann man nur durch Einführung <hi rendition="#g">anderer</hi> Sitten ausrotten, das heißt, indem man den Motiven, die der Festhaltung irgend einer Gewohnheit zum Grunde liegen, die innere Haltung nimmt und sie entweder am Ehrgeiz, am Nachahmungstriebe, oder sonst einer Leidenschaft scheitern läßt. <hi rendition="#g">Peter</hi> der Große konnte die Sitten seines Volkes weit mehr dadurch ändern, daß er ihnen andere gegenüberstellte als dadurch, daß er sie durch Gesetze verbot. <hi rendition="#g">Peter</hi> der Große konnte weder den Bart, noch den Kleiderschnitt der Russen abändern, denn beide haben trotz seiner tyrannischen Vorschriften noch bis auf den heutigen Tag sich erhalten. Allein er konnte z. B. die Frauen aus ihrem zurückgesezten Zustande, in welchem sie sich immer in despotischen Staaten befinden, befreien, als er die französischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0019]
unsere Brust gesenkten, gemeinsamen kategorischen Jmperativ. Daß man die Sitten durch Gesetze nicht ändern kann, ist eine geschichtliche Erfahrung, welche die Fürsten an dem Baldachine ihres Thrones aufschreiben sollten. Despoten haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Sie haben auf irgend eine Gewohnheit eine Strafe gelegt und damit doch nichts anders bewirken können, als daß sie die Strafen fortwährend in Anwendung bringen mußten und eben den despotischen Charakter ihrer Regierung deutlich genug zur Schau trugen. Starben sie, so traten die alten Gewohnheiten, die sich nur versteckt hatten, wieder an das Tageslicht. Die Sitten kann man nur durch Einführung anderer Sitten ausrotten, das heißt, indem man den Motiven, die der Festhaltung irgend einer Gewohnheit zum Grunde liegen, die innere Haltung nimmt und sie entweder am Ehrgeiz, am Nachahmungstriebe, oder sonst einer Leidenschaft scheitern läßt. Peter der Große konnte die Sitten seines Volkes weit mehr dadurch ändern, daß er ihnen andere gegenüberstellte als dadurch, daß er sie durch Gesetze verbot. Peter der Große konnte weder den Bart, noch den Kleiderschnitt der Russen abändern, denn beide haben trotz seiner tyrannischen Vorschriften noch bis auf den heutigen Tag sich erhalten. Allein er konnte z. B. die Frauen aus ihrem zurückgesezten Zustande, in welchem sie sich immer in despotischen Staaten befinden, befreien, als er die französischen
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/19>, abgerufen am 27.07.2024. |