Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Glauben an Christus gelöst schien. Weil dieser gottselige Mann nur wenig Sinn für Menschenkenntniß hatte, so hatten Heuchler in seiner Herzensgüte gut fischen; es gab deren genug, welche, obschon so jung, eine geistliche Augendienerei trieben, die ihr Patron nicht durchschauen konnte. Es waren oft drei, vier Auserwählte, die sich ihm so zur Nothwendigkeit zu machen wußten, daß er ihren Aussagen blindes Vertrauen schenkte. Wen sie verkezerten, den verdammte er; wen sie anpriesen, den zog er in seine Nähe. Unvergeßlich werden mir jene theologischen Thees bleiben, wo oft mehr als zwanzig junge Theologen in der Bibliothek ihres Meisters empfangen und zu einer heitern Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände angeleitet wurden. Einige der Studenten übernahmen die Bereitung des Thees, andere verwalteten die Zuckerbüchse, andere endlich den Rum. Es geschah nun wohl bei dem Uebermuth der Studenten, daß Zucker und Rum in einem Grade konsumirt wurden, welcher zum Thee in gar keinem Verhältniß stand und obschon ein ganzer Korb Zwieback für diese theologischen Unterhaltungen vom Bäcker geliefert wurde, so konnte es Neulingen des Clubbs doch wohl begegnen, daß sie in ihre zweite Tasse nur noch die Brosamen des ausgeleerten Korbes schütten konnten. Das Meiste von dem, was gesprochen wurde, war gleisnerisch; die jungen Geistlichen hatten nur die Absicht, sich bemerkbar zu machen und warfen Glauben an Christus gelöst schien. Weil dieser gottselige Mann nur wenig Sinn für Menschenkenntniß hatte, so hatten Heuchler in seiner Herzensgüte gut fischen; es gab deren genug, welche, obschon so jung, eine geistliche Augendienerei trieben, die ihr Patron nicht durchschauen konnte. Es waren oft drei, vier Auserwählte, die sich ihm so zur Nothwendigkeit zu machen wußten, daß er ihren Aussagen blindes Vertrauen schenkte. Wen sie verkezerten, den verdammte er; wen sie anpriesen, den zog er in seine Nähe. Unvergeßlich werden mir jene theologischen Thees bleiben, wo oft mehr als zwanzig junge Theologen in der Bibliothek ihres Meisters empfangen und zu einer heitern Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände angeleitet wurden. Einige der Studenten übernahmen die Bereitung des Thees, andere verwalteten die Zuckerbüchse, andere endlich den Rum. Es geschah nun wohl bei dem Uebermuth der Studenten, daß Zucker und Rum in einem Grade konsumirt wurden, welcher zum Thee in gar keinem Verhältniß stand und obschon ein ganzer Korb Zwieback für diese theologischen Unterhaltungen vom Bäcker geliefert wurde, so konnte es Neulingen des Clubbs doch wohl begegnen, daß sie in ihre zweite Tasse nur noch die Brosamen des ausgeleerten Korbes schütten konnten. Das Meiste von dem, was gesprochen wurde, war gleisnerisch; die jungen Geistlichen hatten nur die Absicht, sich bemerkbar zu machen und warfen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="138"/> Glauben an Christus gelöst schien. Weil dieser gottselige Mann nur wenig Sinn für Menschenkenntniß hatte, so hatten Heuchler in seiner Herzensgüte gut fischen; es gab deren genug, welche, obschon so jung, eine geistliche Augendienerei trieben, die ihr Patron nicht durchschauen konnte. Es waren oft drei, vier Auserwählte, die sich ihm so zur Nothwendigkeit zu machen wußten, daß er ihren Aussagen blindes Vertrauen schenkte. Wen sie verkezerten, den verdammte er; wen sie anpriesen, den zog er in seine Nähe. Unvergeßlich werden mir jene theologischen Thees bleiben, wo oft mehr als zwanzig junge Theologen in der Bibliothek ihres Meisters empfangen und zu einer heitern Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände angeleitet wurden. Einige der Studenten übernahmen die Bereitung des Thees, andere verwalteten die Zuckerbüchse, andere endlich den Rum. Es geschah nun wohl bei dem Uebermuth der Studenten, daß Zucker und Rum in einem Grade konsumirt wurden, welcher zum Thee in gar keinem Verhältniß stand und obschon ein ganzer Korb Zwieback für diese theologischen Unterhaltungen vom Bäcker geliefert wurde, so konnte es Neulingen des Clubbs doch wohl begegnen, daß sie in ihre zweite Tasse nur noch die Brosamen des ausgeleerten Korbes schütten konnten. Das Meiste von dem, was gesprochen wurde, war gleisnerisch; die jungen Geistlichen hatten nur die Absicht, sich bemerkbar zu machen und warfen </p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0140]
Glauben an Christus gelöst schien. Weil dieser gottselige Mann nur wenig Sinn für Menschenkenntniß hatte, so hatten Heuchler in seiner Herzensgüte gut fischen; es gab deren genug, welche, obschon so jung, eine geistliche Augendienerei trieben, die ihr Patron nicht durchschauen konnte. Es waren oft drei, vier Auserwählte, die sich ihm so zur Nothwendigkeit zu machen wußten, daß er ihren Aussagen blindes Vertrauen schenkte. Wen sie verkezerten, den verdammte er; wen sie anpriesen, den zog er in seine Nähe. Unvergeßlich werden mir jene theologischen Thees bleiben, wo oft mehr als zwanzig junge Theologen in der Bibliothek ihres Meisters empfangen und zu einer heitern Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände angeleitet wurden. Einige der Studenten übernahmen die Bereitung des Thees, andere verwalteten die Zuckerbüchse, andere endlich den Rum. Es geschah nun wohl bei dem Uebermuth der Studenten, daß Zucker und Rum in einem Grade konsumirt wurden, welcher zum Thee in gar keinem Verhältniß stand und obschon ein ganzer Korb Zwieback für diese theologischen Unterhaltungen vom Bäcker geliefert wurde, so konnte es Neulingen des Clubbs doch wohl begegnen, daß sie in ihre zweite Tasse nur noch die Brosamen des ausgeleerten Korbes schütten konnten. Das Meiste von dem, was gesprochen wurde, war gleisnerisch; die jungen Geistlichen hatten nur die Absicht, sich bemerkbar zu machen und warfen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/140 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/140>, abgerufen am 16.02.2025. |