Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842."Als ich in Oxford war, gab es daselbst der theologischen Richtungen mannigfache; jede hatte einen Professor an der Spitze. Der eine basirte den Glauben auf die Vernunft, der andere die Vernunft auf den Glauben. Ein berühmter Gelehrter war da, welcher sich so lange mit philosophischen Vorstudien, wie Magneten, bestrichen hatte, daß er hernach durchs Christenthum wandeln konnte, wo ihm alle Dogmen anschossen und es aussah, als müßten seine philosophischen Meinungen auch eine evangelische Geltung haben. Er behauptete, daß das Christenthum eine Wahrheit des Gemüthes wäre. Ein anderer Theologe, der die innere Regsamkeit des Gedankens, nicht die Wärme des Gefühls hatte, machte das Christenthum zum Schlußstein der höchsten philosophischen Spekulation. Er bewies, daß die Grundwahrheiten des Christenthums einen metaphysisch vollkommnen Sinn hätten, und besaß, trotz dieser fixen Jdee, eine gewisse trockene Jronie, die ihn besonders zur einseitigen Polemik gegen seine Gegner geschickt machte. Ein dritter war Pietist und trotz eines jugendlich hübschen Aussehens in dem Grade, daß er während der Vorlesungen nie die Augen aufschlug, sondern sich in das Holz des Katheders mit seinen Blicken einsog, wahrscheinlich um nicht zu erschrecken, wenn, seinen orthodoxen Behauptungen gegenüber, ihn die Wände so kahl und zweifelnd anblicken sollten. Jnteressant aber durch seine Manieren war allein "Als ich in Oxford war, gab es daselbst der theologischen Richtungen mannigfache; jede hatte einen Professor an der Spitze. Der eine basirte den Glauben auf die Vernunft, der andere die Vernunft auf den Glauben. Ein berühmter Gelehrter war da, welcher sich so lange mit philosophischen Vorstudien, wie Magneten, bestrichen hatte, daß er hernach durchs Christenthum wandeln konnte, wo ihm alle Dogmen anschossen und es aussah, als müßten seine philosophischen Meinungen auch eine evangelische Geltung haben. Er behauptete, daß das Christenthum eine Wahrheit des Gemüthes wäre. Ein anderer Theologe, der die innere Regsamkeit des Gedankens, nicht die Wärme des Gefühls hatte, machte das Christenthum zum Schlußstein der höchsten philosophischen Spekulation. Er bewies, daß die Grundwahrheiten des Christenthums einen metaphysisch vollkommnen Sinn hätten, und besaß, trotz dieser fixen Jdee, eine gewisse trockene Jronie, die ihn besonders zur einseitigen Polemik gegen seine Gegner geschickt machte. Ein dritter war Pietist und trotz eines jugendlich hübschen Aussehens in dem Grade, daß er während der Vorlesungen nie die Augen aufschlug, sondern sich in das Holz des Katheders mit seinen Blicken einsog, wahrscheinlich um nicht zu erschrecken, wenn, seinen orthodoxen Behauptungen gegenüber, ihn die Wände so kahl und zweifelnd anblicken sollten. Jnteressant aber durch seine Manieren war allein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0137" n="135"/> <p> "Als ich in Oxford war, gab es daselbst der theologischen Richtungen mannigfache; jede hatte einen Professor an der Spitze. Der eine basirte den Glauben auf die Vernunft, der andere die Vernunft auf den Glauben. Ein berühmter Gelehrter war da, welcher sich so lange mit philosophischen Vorstudien, wie Magneten, bestrichen hatte, daß er hernach durchs Christenthum wandeln konnte, wo ihm alle Dogmen anschossen und es aussah, als müßten seine philosophischen Meinungen auch eine evangelische Geltung haben. Er behauptete, daß das Christenthum eine Wahrheit des Gemüthes wäre. Ein anderer Theologe, der die innere Regsamkeit des Gedankens, nicht die Wärme des Gefühls hatte, machte das Christenthum zum Schlußstein der höchsten philosophischen Spekulation. Er bewies, daß die Grundwahrheiten des Christenthums einen metaphysisch vollkommnen Sinn hätten, und besaß, trotz dieser fixen Jdee, eine gewisse trockene Jronie, die ihn besonders zur einseitigen Polemik gegen seine Gegner geschickt machte. Ein dritter war Pietist und trotz eines jugendlich hübschen Aussehens in dem Grade, daß er während der Vorlesungen nie die Augen aufschlug, sondern sich in das Holz des Katheders mit seinen Blicken einsog, wahrscheinlich um nicht zu erschrecken, wenn, seinen orthodoxen Behauptungen gegenüber, ihn die Wände so kahl und zweifelnd anblicken sollten. Jnteressant aber durch seine Manieren war allein </p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0137]
"Als ich in Oxford war, gab es daselbst der theologischen Richtungen mannigfache; jede hatte einen Professor an der Spitze. Der eine basirte den Glauben auf die Vernunft, der andere die Vernunft auf den Glauben. Ein berühmter Gelehrter war da, welcher sich so lange mit philosophischen Vorstudien, wie Magneten, bestrichen hatte, daß er hernach durchs Christenthum wandeln konnte, wo ihm alle Dogmen anschossen und es aussah, als müßten seine philosophischen Meinungen auch eine evangelische Geltung haben. Er behauptete, daß das Christenthum eine Wahrheit des Gemüthes wäre. Ein anderer Theologe, der die innere Regsamkeit des Gedankens, nicht die Wärme des Gefühls hatte, machte das Christenthum zum Schlußstein der höchsten philosophischen Spekulation. Er bewies, daß die Grundwahrheiten des Christenthums einen metaphysisch vollkommnen Sinn hätten, und besaß, trotz dieser fixen Jdee, eine gewisse trockene Jronie, die ihn besonders zur einseitigen Polemik gegen seine Gegner geschickt machte. Ein dritter war Pietist und trotz eines jugendlich hübschen Aussehens in dem Grade, daß er während der Vorlesungen nie die Augen aufschlug, sondern sich in das Holz des Katheders mit seinen Blicken einsog, wahrscheinlich um nicht zu erschrecken, wenn, seinen orthodoxen Behauptungen gegenüber, ihn die Wände so kahl und zweifelnd anblicken sollten. Jnteressant aber durch seine Manieren war allein
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/137>, abgerufen am 27.07.2024. |