Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.sondern auch gewinnen, locken, überzeugen. Um über einen einzigen Sünder den Sieg zu gewinnen, wird der pietistische Geistliche Jahrelang nicht müde, sondern umstrickt ihn so lange mit seinen oft spitzfindigen Erörterungen, bis jener matt wird und sich ergibt. Diese Geistlichen, die unter den Dissenters so häufig sind, wenden sich im Leben und in der Kirche immer gern an den Einzelnen, wenn sie bekehren und an die Masse, wenn sie verdammen wollen. Die Masse verwerfen sie, aber sie suchen Einen nach dem Andern von ihr abzusondern. Sie besuchen seine Wohnung und helfen, wenn er darbt; sie geben ihm die Bücher, die ihm zu seiner Erweckung und Erbauung fehlen. Diese Geistlichen sind in einer ewigen Aufregung, weil natürlich das Gepräge aller der Dinge und Verhältnisse, die wir um uns her sehen, durchaus nicht mehr apostolisch ist; wüßten sie ein Mittel, alle Künste, Gewerbe und Handelszweige in Berührung mit der Kirche zu bringen! Wüßten sie eine neue Hierarchie herzustellen, bei der sie weit entfernt sind, das Pabstthum nachzuahmen, sondern nur die erste christliche Gesellschaftsverfassung! Um das Zusammenleben junger und älterer Theologen, wie es sich z. B. in unserer Zeit findet, zu charakterisiren, will ich hier die Mittheilung eines Freundes hersetzen, der zuerst geistlich studirte, später den Stand verließ und jezt sogar für einen Gegner desselben gehalten wird. Karl .... erzählte mir: sondern auch gewinnen, locken, überzeugen. Um über einen einzigen Sünder den Sieg zu gewinnen, wird der pietistische Geistliche Jahrelang nicht müde, sondern umstrickt ihn so lange mit seinen oft spitzfindigen Erörterungen, bis jener matt wird und sich ergibt. Diese Geistlichen, die unter den Dissenters so häufig sind, wenden sich im Leben und in der Kirche immer gern an den Einzelnen, wenn sie bekehren und an die Masse, wenn sie verdammen wollen. Die Masse verwerfen sie, aber sie suchen Einen nach dem Andern von ihr abzusondern. Sie besuchen seine Wohnung und helfen, wenn er darbt; sie geben ihm die Bücher, die ihm zu seiner Erweckung und Erbauung fehlen. Diese Geistlichen sind in einer ewigen Aufregung, weil natürlich das Gepräge aller der Dinge und Verhältnisse, die wir um uns her sehen, durchaus nicht mehr apostolisch ist; wüßten sie ein Mittel, alle Künste, Gewerbe und Handelszweige in Berührung mit der Kirche zu bringen! Wüßten sie eine neue Hierarchie herzustellen, bei der sie weit entfernt sind, das Pabstthum nachzuahmen, sondern nur die erste christliche Gesellschaftsverfassung! Um das Zusammenleben junger und älterer Theologen, wie es sich z. B. in unserer Zeit findet, zu charakterisiren, will ich hier die Mittheilung eines Freundes hersetzen, der zuerst geistlich studirte, später den Stand verließ und jezt sogar für einen Gegner desselben gehalten wird. Karl .... erzählte mir: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="134"/> sondern auch gewinnen, locken, überzeugen. Um über einen einzigen Sünder den Sieg zu gewinnen, wird der pietistische Geistliche Jahrelang nicht müde, sondern umstrickt ihn so lange mit seinen oft spitzfindigen Erörterungen, bis jener matt wird und sich ergibt. Diese Geistlichen, die unter den Dissenters so häufig sind, wenden sich im Leben und in der Kirche immer gern an den Einzelnen, wenn sie bekehren und an die Masse, wenn sie verdammen wollen. Die Masse verwerfen sie, aber sie suchen Einen nach dem Andern von ihr abzusondern. Sie besuchen seine Wohnung und helfen, wenn er darbt; sie geben ihm die Bücher, die ihm zu seiner Erweckung und Erbauung fehlen. Diese Geistlichen sind in einer ewigen Aufregung, weil natürlich das Gepräge aller der Dinge und Verhältnisse, die wir um uns her sehen, durchaus nicht mehr apostolisch ist; wüßten sie ein Mittel, alle Künste, Gewerbe und Handelszweige in Berührung mit der Kirche zu bringen! Wüßten sie eine neue Hierarchie herzustellen, bei der sie weit entfernt sind, das Pabstthum nachzuahmen, sondern nur die erste christliche Gesellschaftsverfassung!</p> <p>Um das Zusammenleben junger und älterer Theologen, wie es sich z. B. in unserer Zeit findet, zu charakterisiren, will ich hier die Mittheilung eines Freundes hersetzen, der zuerst geistlich studirte, später den Stand verließ und jezt sogar für einen Gegner desselben gehalten wird. <hi rendition="#g">Karl ....</hi> erzählte mir:</p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0136]
sondern auch gewinnen, locken, überzeugen. Um über einen einzigen Sünder den Sieg zu gewinnen, wird der pietistische Geistliche Jahrelang nicht müde, sondern umstrickt ihn so lange mit seinen oft spitzfindigen Erörterungen, bis jener matt wird und sich ergibt. Diese Geistlichen, die unter den Dissenters so häufig sind, wenden sich im Leben und in der Kirche immer gern an den Einzelnen, wenn sie bekehren und an die Masse, wenn sie verdammen wollen. Die Masse verwerfen sie, aber sie suchen Einen nach dem Andern von ihr abzusondern. Sie besuchen seine Wohnung und helfen, wenn er darbt; sie geben ihm die Bücher, die ihm zu seiner Erweckung und Erbauung fehlen. Diese Geistlichen sind in einer ewigen Aufregung, weil natürlich das Gepräge aller der Dinge und Verhältnisse, die wir um uns her sehen, durchaus nicht mehr apostolisch ist; wüßten sie ein Mittel, alle Künste, Gewerbe und Handelszweige in Berührung mit der Kirche zu bringen! Wüßten sie eine neue Hierarchie herzustellen, bei der sie weit entfernt sind, das Pabstthum nachzuahmen, sondern nur die erste christliche Gesellschaftsverfassung!
Um das Zusammenleben junger und älterer Theologen, wie es sich z. B. in unserer Zeit findet, zu charakterisiren, will ich hier die Mittheilung eines Freundes hersetzen, der zuerst geistlich studirte, später den Stand verließ und jezt sogar für einen Gegner desselben gehalten wird. Karl .... erzählte mir:
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/136>, abgerufen am 27.07.2024. |