Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.der Reihe herum freien Tisch gehabt hätte. Und in allen diesen widerwärtigen Schicksalen hörten die Briefe an seine Braut nicht auf, Hoffnung, Freude und Trost auszusprechen. Die Arme war verwelkt, als sie von ihm endlich geheirathet wurde. Sein Pfarrer erhielt glücklicher Weise noch eine zweite erledigte Stelle, und konnte daher den Gehalt für die Erste um ein Geringes erhöhen. So ringt nun Job in einem versteckten Winkel Englands mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, hat für einen reichen Nachwuchs an Kindern zu sorgen und ist oft Wochen lang von den nothwendigsten Bedürfnissen entblöst. Wäre unsere Natur weniger üppig und schön, so würde man glauben müssen, daß ein solcher Mann auch nicht eine einzige Freude im Leben genösse. Wenn die geistlichen Charaktere sich hauptsächlich nur durch innere Herzens- und Verstandesrichtungen unterscheiden, so ist es der geistliche Stand überhaupt, welcher die Entfaltung eigener Manieren hintertreibt. Dennoch haben sie in ihrem Bereiche noch viel Abschattirungen. Der eine neigt zum Zweifel hin und zeigt dies, wenn auch nicht auf der Kanzel, doch im Schachclubb; der andere ist so religiös, daß alle seine Reden auch im gewöhnlichen Leben Predigten sind. Jene Clubbisten pflegen das Christenthum an den Meistbietenden, d. h. den Witzigsten loszuschlagen. Manchmal sind sie es selbst; sie legen die Speisen vor und geben den Ton an; ihre Ruhe, ihr Stand muß der Reihe herum freien Tisch gehabt hätte. Und in allen diesen widerwärtigen Schicksalen hörten die Briefe an seine Braut nicht auf, Hoffnung, Freude und Trost auszusprechen. Die Arme war verwelkt, als sie von ihm endlich geheirathet wurde. Sein Pfarrer erhielt glücklicher Weise noch eine zweite erledigte Stelle, und konnte daher den Gehalt für die Erste um ein Geringes erhöhen. So ringt nun Job in einem versteckten Winkel Englands mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, hat für einen reichen Nachwuchs an Kindern zu sorgen und ist oft Wochen lang von den nothwendigsten Bedürfnissen entblöst. Wäre unsere Natur weniger üppig und schön, so würde man glauben müssen, daß ein solcher Mann auch nicht eine einzige Freude im Leben genösse. Wenn die geistlichen Charaktere sich hauptsächlich nur durch innere Herzens- und Verstandesrichtungen unterscheiden, so ist es der geistliche Stand überhaupt, welcher die Entfaltung eigener Manieren hintertreibt. Dennoch haben sie in ihrem Bereiche noch viel Abschattirungen. Der eine neigt zum Zweifel hin und zeigt dies, wenn auch nicht auf der Kanzel, doch im Schachclubb; der andere ist so religiös, daß alle seine Reden auch im gewöhnlichen Leben Predigten sind. Jene Clubbisten pflegen das Christenthum an den Meistbietenden, d. h. den Witzigsten loszuschlagen. Manchmal sind sie es selbst; sie legen die Speisen vor und geben den Ton an; ihre Ruhe, ihr Stand muß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="131"/> der Reihe herum freien Tisch gehabt hätte. Und in allen diesen widerwärtigen Schicksalen hörten die Briefe an seine Braut nicht auf, Hoffnung, Freude und Trost auszusprechen. Die Arme war verwelkt, als sie von ihm endlich geheirathet wurde. Sein Pfarrer erhielt glücklicher Weise noch eine zweite erledigte Stelle, und konnte daher den Gehalt für die Erste um ein Geringes erhöhen. So ringt nun <hi rendition="#g">Job</hi> in einem versteckten Winkel Englands mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, hat für einen reichen Nachwuchs an Kindern zu sorgen und ist oft Wochen lang von den nothwendigsten Bedürfnissen entblöst. Wäre unsere Natur weniger üppig und schön, so würde man glauben müssen, daß ein solcher Mann auch nicht eine einzige Freude im Leben genösse.</p> <p>Wenn die geistlichen Charaktere sich hauptsächlich nur durch innere Herzens- und Verstandesrichtungen unterscheiden, so ist es der geistliche Stand überhaupt, welcher die Entfaltung eigener Manieren hintertreibt. Dennoch haben sie in ihrem Bereiche noch viel Abschattirungen. Der eine neigt zum Zweifel hin und zeigt dies, wenn auch nicht auf der Kanzel, doch im Schachclubb; der andere ist so religiös, daß alle seine Reden auch im gewöhnlichen Leben Predigten sind. Jene Clubbisten pflegen das Christenthum an den Meistbietenden, d. h. den Witzigsten loszuschlagen. Manchmal sind sie es selbst; sie legen die Speisen vor und geben den Ton an; ihre Ruhe, ihr Stand muß </p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0133]
der Reihe herum freien Tisch gehabt hätte. Und in allen diesen widerwärtigen Schicksalen hörten die Briefe an seine Braut nicht auf, Hoffnung, Freude und Trost auszusprechen. Die Arme war verwelkt, als sie von ihm endlich geheirathet wurde. Sein Pfarrer erhielt glücklicher Weise noch eine zweite erledigte Stelle, und konnte daher den Gehalt für die Erste um ein Geringes erhöhen. So ringt nun Job in einem versteckten Winkel Englands mit den Widerwärtigkeiten des Lebens, hat für einen reichen Nachwuchs an Kindern zu sorgen und ist oft Wochen lang von den nothwendigsten Bedürfnissen entblöst. Wäre unsere Natur weniger üppig und schön, so würde man glauben müssen, daß ein solcher Mann auch nicht eine einzige Freude im Leben genösse.
Wenn die geistlichen Charaktere sich hauptsächlich nur durch innere Herzens- und Verstandesrichtungen unterscheiden, so ist es der geistliche Stand überhaupt, welcher die Entfaltung eigener Manieren hintertreibt. Dennoch haben sie in ihrem Bereiche noch viel Abschattirungen. Der eine neigt zum Zweifel hin und zeigt dies, wenn auch nicht auf der Kanzel, doch im Schachclubb; der andere ist so religiös, daß alle seine Reden auch im gewöhnlichen Leben Predigten sind. Jene Clubbisten pflegen das Christenthum an den Meistbietenden, d. h. den Witzigsten loszuschlagen. Manchmal sind sie es selbst; sie legen die Speisen vor und geben den Ton an; ihre Ruhe, ihr Stand muß
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/133>, abgerufen am 27.07.2024. |