Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.auf seine aufgeworfene Oberlippe herab, auf welcher freilich ein Flaum, wie ihn auch Mädchen haben, nicht fehlt. Jn der Sonne sitzend, richtet er seinen Kopf immer so auf die Seite, daß er im Schatten, wo die kleinen Federn sich vergrößern, in der That einen Dragonerunteroffizier zu sitzen glaubt. Wir Engländer, die wir keine Bärte tragen, haben keinen Begriff von dieser stillen Tollheit, welcher sich in Frankreich, Deutschland, Spanien, Jtalien, Rußland, kurz auf dem ganzen Continente die jungen Leute hinzugeben pflegen. Sie lassen sich rasiren, um das Wachsthum zu befördern, ja es fehlt sogar an einer Leichtgläubigkeit nicht, die sich aufreden läßt, der Abgang der Tauben, frisch aufgelegt, beförderte den Haarwuchs. Mein Freund sagte mir, er hätte einen jungen Mann beobachten können, der sich Buxbaumholz siedend heiß abkochen ließ und mit der daraus erzeugten Lauge sich täglich Oberlippe und beide Wangen bepinselte! Endlich aber ermüden entweder die fruchtlosen Anstrengungen oder die ersehnte Zierde stellt sich wirklich ohne Geheimmittel ein. Das Nächste, dem sich der werdende Dandy auf dem Continente hingibt, sind jetzt die Kaffeehäuser bei den Feinern, die Tabakspfeifen bei den Gröberen. Jch unterlaß' es, eine Schilderung der ungeheuren Schwierigkeiten zu machen, die beim Tabakrauchen überwunden werden müssen, und erinnere nur, daß das achtzehnte Jahrhundert diese Mode nur bei Holländern und alten Philistern kannte. Sie ist auf seine aufgeworfene Oberlippe herab, auf welcher freilich ein Flaum, wie ihn auch Mädchen haben, nicht fehlt. Jn der Sonne sitzend, richtet er seinen Kopf immer so auf die Seite, daß er im Schatten, wo die kleinen Federn sich vergrößern, in der That einen Dragonerunteroffizier zu sitzen glaubt. Wir Engländer, die wir keine Bärte tragen, haben keinen Begriff von dieser stillen Tollheit, welcher sich in Frankreich, Deutschland, Spanien, Jtalien, Rußland, kurz auf dem ganzen Continente die jungen Leute hinzugeben pflegen. Sie lassen sich rasiren, um das Wachsthum zu befördern, ja es fehlt sogar an einer Leichtgläubigkeit nicht, die sich aufreden läßt, der Abgang der Tauben, frisch aufgelegt, beförderte den Haarwuchs. Mein Freund sagte mir, er hätte einen jungen Mann beobachten können, der sich Buxbaumholz siedend heiß abkochen ließ und mit der daraus erzeugten Lauge sich täglich Oberlippe und beide Wangen bepinselte! Endlich aber ermüden entweder die fruchtlosen Anstrengungen oder die ersehnte Zierde stellt sich wirklich ohne Geheimmittel ein. Das Nächste, dem sich der werdende Dandy auf dem Continente hingibt, sind jetzt die Kaffeehäuser bei den Feinern, die Tabakspfeifen bei den Gröberen. Jch unterlaß’ es, eine Schilderung der ungeheuren Schwierigkeiten zu machen, die beim Tabakrauchen überwunden werden müssen, und erinnere nur, daß das achtzehnte Jahrhundert diese Mode nur bei Holländern und alten Philistern kannte. Sie ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="28"/> auf seine aufgeworfene Oberlippe herab, auf welcher freilich ein Flaum, wie ihn auch Mädchen haben, nicht fehlt. Jn der Sonne sitzend, richtet er seinen Kopf immer so auf die Seite, daß er im Schatten, wo die kleinen Federn sich vergrößern, in der That einen Dragonerunteroffizier zu sitzen glaubt. Wir Engländer, die wir keine Bärte tragen, haben keinen Begriff von dieser stillen Tollheit, welcher sich in Frankreich, Deutschland, Spanien, Jtalien, Rußland, kurz auf dem ganzen Continente die jungen Leute hinzugeben pflegen. Sie lassen sich rasiren, um das Wachsthum zu befördern, ja es fehlt sogar an einer Leichtgläubigkeit nicht, die sich aufreden läßt, der Abgang der Tauben, frisch aufgelegt, beförderte den Haarwuchs. Mein Freund sagte mir, er hätte einen jungen Mann beobachten können, der sich Buxbaumholz siedend heiß abkochen ließ und mit der daraus erzeugten Lauge sich täglich Oberlippe und beide Wangen bepinselte!</p> <p>Endlich aber ermüden entweder die fruchtlosen Anstrengungen oder die ersehnte Zierde stellt sich wirklich ohne Geheimmittel ein. Das Nächste, dem sich der werdende Dandy auf dem Continente hingibt, sind jetzt die Kaffeehäuser bei den Feinern, die Tabakspfeifen bei den Gröberen. Jch unterlaß’ es, eine Schilderung der ungeheuren Schwierigkeiten zu machen, die beim Tabakrauchen überwunden werden müssen, und erinnere nur, daß das achtzehnte Jahrhundert diese Mode nur bei Holländern und alten Philistern kannte. Sie ist </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0056]
auf seine aufgeworfene Oberlippe herab, auf welcher freilich ein Flaum, wie ihn auch Mädchen haben, nicht fehlt. Jn der Sonne sitzend, richtet er seinen Kopf immer so auf die Seite, daß er im Schatten, wo die kleinen Federn sich vergrößern, in der That einen Dragonerunteroffizier zu sitzen glaubt. Wir Engländer, die wir keine Bärte tragen, haben keinen Begriff von dieser stillen Tollheit, welcher sich in Frankreich, Deutschland, Spanien, Jtalien, Rußland, kurz auf dem ganzen Continente die jungen Leute hinzugeben pflegen. Sie lassen sich rasiren, um das Wachsthum zu befördern, ja es fehlt sogar an einer Leichtgläubigkeit nicht, die sich aufreden läßt, der Abgang der Tauben, frisch aufgelegt, beförderte den Haarwuchs. Mein Freund sagte mir, er hätte einen jungen Mann beobachten können, der sich Buxbaumholz siedend heiß abkochen ließ und mit der daraus erzeugten Lauge sich täglich Oberlippe und beide Wangen bepinselte!
Endlich aber ermüden entweder die fruchtlosen Anstrengungen oder die ersehnte Zierde stellt sich wirklich ohne Geheimmittel ein. Das Nächste, dem sich der werdende Dandy auf dem Continente hingibt, sind jetzt die Kaffeehäuser bei den Feinern, die Tabakspfeifen bei den Gröberen. Jch unterlaß’ es, eine Schilderung der ungeheuren Schwierigkeiten zu machen, die beim Tabakrauchen überwunden werden müssen, und erinnere nur, daß das achtzehnte Jahrhundert diese Mode nur bei Holländern und alten Philistern kannte. Sie ist
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |