Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.dabei mit Anstand ihrer Arme bedienen könne, namentlich, daß es eine sinnige Vorstellung erwecke, wenn sie bei einer unangenehmen Nachricht den Bewegungen der Hand etwas Abwehrendes gäbe; die vorletzte Manier zu erschrecken war bei ihm die Bedeckung der Augen mit der Hand, welches seiner Meinung nach auch echt antik wäre; die letzte aber wäre der höchste Triumph der Romantik, nämlich mit Beobachtung aller plastischen Schönheitsgesetze in Ohnmacht zu fallen. Sie müßte mit Bewußtseyn in Ohnmacht fallen, sagte der Schuft, der vielleicht nicht die Ahnung hat, wie einem gefühlvollen Weibe zu Muthe ist, wenn ihm schwach wird. Lettice, in einem leichten griechischen Gewande, machte alle seine handgreiflichen Demonstrationen nach und schien für des Menschen abgefeimte Verstellungskunst ein außerordentliches Talent zu besitzen. Nun ging er mit ihr nach und nach die ganze Reihefolge der menschlichen Leidenschaften durch: Furcht, Reue, Verzweiflung; für alle diese Affekte lernte sie die entsprechenden pantomimischen Bewegungen. Endlich kam er sogar auf ein Kapitel, wo ich mich eigentlich der Sünden schämte, noch ferner zuzusehen; er suchte ihr zuerst den Ausdruck einer künstlichen Scham beizubringen, wobei ich aber in mir den heimlichen Triumph hatte, daß man das Erröthen doch durch keinen so schimpflichen Fintenmeister erlernen konnte; dann zeigte er ihr jene Bewegungen, welche eine zärtliche Neigung ausdrücken, und erhob sich allmählig zur Darstellung aller nur möglichen Künste der dabei mit Anstand ihrer Arme bedienen könne, namentlich, daß es eine sinnige Vorstellung erwecke, wenn sie bei einer unangenehmen Nachricht den Bewegungen der Hand etwas Abwehrendes gäbe; die vorletzte Manier zu erschrecken war bei ihm die Bedeckung der Augen mit der Hand, welches seiner Meinung nach auch echt antik wäre; die letzte aber wäre der höchste Triumph der Romantik, nämlich mit Beobachtung aller plastischen Schönheitsgesetze in Ohnmacht zu fallen. Sie müßte mit Bewußtseyn in Ohnmacht fallen, sagte der Schuft, der vielleicht nicht die Ahnung hat, wie einem gefühlvollen Weibe zu Muthe ist, wenn ihm schwach wird. Lettice, in einem leichten griechischen Gewande, machte alle seine handgreiflichen Demonstrationen nach und schien für des Menschen abgefeimte Verstellungskunst ein außerordentliches Talent zu besitzen. Nun ging er mit ihr nach und nach die ganze Reihefolge der menschlichen Leidenschaften durch: Furcht, Reue, Verzweiflung; für alle diese Affekte lernte sie die entsprechenden pantomimischen Bewegungen. Endlich kam er sogar auf ein Kapitel, wo ich mich eigentlich der Sünden schämte, noch ferner zuzusehen; er suchte ihr zuerst den Ausdruck einer künstlichen Scham beizubringen, wobei ich aber in mir den heimlichen Triumph hatte, daß man das Erröthen doch durch keinen so schimpflichen Fintenmeister erlernen konnte; dann zeigte er ihr jene Bewegungen, welche eine zärtliche Neigung ausdrücken, und erhob sich allmählig zur Darstellung aller nur möglichen Künste der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0489" n="461"/> dabei mit Anstand ihrer Arme bedienen könne, namentlich, daß es eine sinnige Vorstellung erwecke, wenn sie bei einer unangenehmen Nachricht den Bewegungen der Hand etwas Abwehrendes gäbe; die vorletzte Manier zu erschrecken war bei ihm die Bedeckung der Augen mit der Hand, welches seiner Meinung nach auch echt antik wäre; die letzte aber wäre der höchste Triumph der Romantik, nämlich mit Beobachtung aller plastischen Schönheitsgesetze in Ohnmacht zu fallen. Sie müßte mit Bewußtseyn in Ohnmacht fallen, sagte der Schuft, der vielleicht nicht die Ahnung hat, wie einem gefühlvollen Weibe zu Muthe ist, wenn ihm schwach wird. Lettice, in einem leichten griechischen Gewande, machte alle seine handgreiflichen Demonstrationen nach und schien für des Menschen abgefeimte Verstellungskunst ein außerordentliches Talent zu besitzen. Nun ging er mit ihr nach und nach die ganze Reihefolge der menschlichen Leidenschaften durch: Furcht, Reue, Verzweiflung; für alle diese Affekte lernte sie die entsprechenden pantomimischen Bewegungen. Endlich kam er sogar auf ein Kapitel, wo ich mich eigentlich der Sünden schämte, noch ferner zuzusehen; er suchte ihr zuerst den Ausdruck einer künstlichen Scham beizubringen, wobei ich aber in mir den heimlichen Triumph hatte, daß man das Erröthen doch durch keinen so schimpflichen Fintenmeister erlernen konnte; dann zeigte er ihr jene Bewegungen, welche eine zärtliche Neigung ausdrücken, und erhob sich allmählig zur Darstellung aller nur möglichen Künste der </p> </div> </body> </text> </TEI> [461/0489]
dabei mit Anstand ihrer Arme bedienen könne, namentlich, daß es eine sinnige Vorstellung erwecke, wenn sie bei einer unangenehmen Nachricht den Bewegungen der Hand etwas Abwehrendes gäbe; die vorletzte Manier zu erschrecken war bei ihm die Bedeckung der Augen mit der Hand, welches seiner Meinung nach auch echt antik wäre; die letzte aber wäre der höchste Triumph der Romantik, nämlich mit Beobachtung aller plastischen Schönheitsgesetze in Ohnmacht zu fallen. Sie müßte mit Bewußtseyn in Ohnmacht fallen, sagte der Schuft, der vielleicht nicht die Ahnung hat, wie einem gefühlvollen Weibe zu Muthe ist, wenn ihm schwach wird. Lettice, in einem leichten griechischen Gewande, machte alle seine handgreiflichen Demonstrationen nach und schien für des Menschen abgefeimte Verstellungskunst ein außerordentliches Talent zu besitzen. Nun ging er mit ihr nach und nach die ganze Reihefolge der menschlichen Leidenschaften durch: Furcht, Reue, Verzweiflung; für alle diese Affekte lernte sie die entsprechenden pantomimischen Bewegungen. Endlich kam er sogar auf ein Kapitel, wo ich mich eigentlich der Sünden schämte, noch ferner zuzusehen; er suchte ihr zuerst den Ausdruck einer künstlichen Scham beizubringen, wobei ich aber in mir den heimlichen Triumph hatte, daß man das Erröthen doch durch keinen so schimpflichen Fintenmeister erlernen konnte; dann zeigte er ihr jene Bewegungen, welche eine zärtliche Neigung ausdrücken, und erhob sich allmählig zur Darstellung aller nur möglichen Künste der
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/489>, abgerufen am 28.07.2024. |