Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

wie möglich die Andern zu überbieten, und ich habe mich immer bereitwillig gezeigt, meine Töchter in diesen Bestrebungen zu unterstützen. So soll Cecilly jetzt Reitstunde nehmen und eine von euch andern bei der ersten Luftfahrt, die nur wieder angezeigt werden dürfte, mit in die Lüfte steigen." Als Bab diesen Vortrag geendigt hatte, und sie sowohl, wie die Mädchen, dabei ganz ernsthaft blieben, konnt' ich denn doch nicht umhin, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und über dieß ruchlose Treiben in ein lautes Zetergeschrei auszubrechen: Kunstreiter und Komödianten willst du aus deinen Kindern machen? Bab, unsre Mutter muß sich ja im Grabe umdrehen. Leider wurd' ich in dem Flusse meiner Vorwürfe von der Anmeldung einer Lektion unterbrochen, die die jüngste Tochter regelmäßig des Tages um diese Stunde nahm. Und worin bestand diese? Alle Tage kam ein französischer Schauspieler und gab Lettice Unterricht in mimisch-plastischen Darstellungen, in dieser schändlichen Kunst, durch welche Lady Hamilton den Admiral Nelson zu fesseln wußte. Jch habe einmal durch das Schlüsselloch den Hergang einer solchen Stunde mit angesehen. Ein Sünder von Regisseur trug Lettice einen vollständigen Cursus der Leidenschaften vor; er zeigte ihr für jedes ihren Busen bewegende Gefühl eine entsprechende Attitüde; es war ein auf die kompletteste Verführung abgesehener Unterricht; sie mußte dabei immer auf einer Erhöhung stehen, weil der schändliche Mensch sagte: Eine Frau darf sich an gar nichts anlehnen.

wie möglich die Andern zu überbieten, und ich habe mich immer bereitwillig gezeigt, meine Töchter in diesen Bestrebungen zu unterstützen. So soll Cecilly jetzt Reitstunde nehmen und eine von euch andern bei der ersten Luftfahrt, die nur wieder angezeigt werden dürfte, mit in die Lüfte steigen." Als Bab diesen Vortrag geendigt hatte, und sie sowohl, wie die Mädchen, dabei ganz ernsthaft blieben, konnt’ ich denn doch nicht umhin, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und über dieß ruchlose Treiben in ein lautes Zetergeschrei auszubrechen: Kunstreiter und Komödianten willst du aus deinen Kindern machen? Bab, unsre Mutter muß sich ja im Grabe umdrehen. Leider wurd’ ich in dem Flusse meiner Vorwürfe von der Anmeldung einer Lektion unterbrochen, die die jüngste Tochter regelmäßig des Tages um diese Stunde nahm. Und worin bestand diese? Alle Tage kam ein französischer Schauspieler und gab Lettice Unterricht in mimisch-plastischen Darstellungen, in dieser schändlichen Kunst, durch welche Lady Hamilton den Admiral Nelson zu fesseln wußte. Jch habe einmal durch das Schlüsselloch den Hergang einer solchen Stunde mit angesehen. Ein Sünder von Regisseur trug Lettice einen vollständigen Cursus der Leidenschaften vor; er zeigte ihr für jedes ihren Busen bewegende Gefühl eine entsprechende Attitüde; es war ein auf die kompletteste Verführung abgesehener Unterricht; sie mußte dabei immer auf einer Erhöhung stehen, weil der schändliche Mensch sagte: Eine Frau darf sich an gar nichts anlehnen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0487" n="459"/>
wie möglich die Andern zu überbieten, und ich habe mich immer bereitwillig gezeigt, meine Töchter in diesen Bestrebungen zu unterstützen. So soll Cecilly jetzt Reitstunde nehmen und eine von euch andern bei der ersten Luftfahrt, die nur wieder angezeigt werden dürfte, mit in die Lüfte steigen." Als Bab diesen Vortrag geendigt hatte, und sie sowohl, wie die Mädchen, dabei ganz ernsthaft blieben, konnt&#x2019; ich denn doch nicht umhin, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und über dieß ruchlose Treiben in ein lautes Zetergeschrei auszubrechen: Kunstreiter und Komödianten willst du aus deinen Kindern machen? Bab, unsre Mutter muß sich ja im Grabe umdrehen. Leider wurd&#x2019; ich in dem Flusse meiner Vorwürfe von der Anmeldung einer Lektion unterbrochen, die die jüngste Tochter regelmäßig des Tages um diese Stunde nahm. Und worin bestand diese? Alle Tage kam ein französischer Schauspieler und gab Lettice Unterricht in mimisch-plastischen Darstellungen, in dieser schändlichen Kunst, durch welche Lady Hamilton den Admiral Nelson zu fesseln wußte. Jch habe einmal durch das Schlüsselloch den Hergang einer solchen Stunde mit angesehen. Ein Sünder von Regisseur trug Lettice einen vollständigen Cursus der Leidenschaften vor; er zeigte ihr für jedes ihren Busen bewegende Gefühl eine entsprechende Attitüde; es war ein auf die kompletteste Verführung abgesehener Unterricht; sie mußte dabei immer auf einer Erhöhung stehen, weil der schändliche Mensch sagte: Eine Frau darf sich an gar nichts anlehnen.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0487] wie möglich die Andern zu überbieten, und ich habe mich immer bereitwillig gezeigt, meine Töchter in diesen Bestrebungen zu unterstützen. So soll Cecilly jetzt Reitstunde nehmen und eine von euch andern bei der ersten Luftfahrt, die nur wieder angezeigt werden dürfte, mit in die Lüfte steigen." Als Bab diesen Vortrag geendigt hatte, und sie sowohl, wie die Mädchen, dabei ganz ernsthaft blieben, konnt’ ich denn doch nicht umhin, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und über dieß ruchlose Treiben in ein lautes Zetergeschrei auszubrechen: Kunstreiter und Komödianten willst du aus deinen Kindern machen? Bab, unsre Mutter muß sich ja im Grabe umdrehen. Leider wurd’ ich in dem Flusse meiner Vorwürfe von der Anmeldung einer Lektion unterbrochen, die die jüngste Tochter regelmäßig des Tages um diese Stunde nahm. Und worin bestand diese? Alle Tage kam ein französischer Schauspieler und gab Lettice Unterricht in mimisch-plastischen Darstellungen, in dieser schändlichen Kunst, durch welche Lady Hamilton den Admiral Nelson zu fesseln wußte. Jch habe einmal durch das Schlüsselloch den Hergang einer solchen Stunde mit angesehen. Ein Sünder von Regisseur trug Lettice einen vollständigen Cursus der Leidenschaften vor; er zeigte ihr für jedes ihren Busen bewegende Gefühl eine entsprechende Attitüde; es war ein auf die kompletteste Verführung abgesehener Unterricht; sie mußte dabei immer auf einer Erhöhung stehen, weil der schändliche Mensch sagte: Eine Frau darf sich an gar nichts anlehnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/487
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/487>, abgerufen am 22.11.2024.