Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.seine berühmte Rede über den Aberglauben hatte halten wollen und verlor zuletzt die Unterstützung jener frommen Herren, welche gehofft hatten, aus diesem Klotz einen Stab für Jsrael zu schnitzen. Er verließ die Schule, weil man seine Fähigkeiten zu gering achtete, um sie ihm unentgeltlich zu gestatten. Sein Vater machte ihm schon wieder den Sitz am Webstuhle zurecht. Doch nun erklärte er, wenn auch nicht Prediger, doch wenigstens Lehrer werden zu wollen. Nach jahrelangem Bemühen hat er es endlich dahin gebracht, daß er die Leitung einer kleinen Landschule erhielt, deren Ertrag kaum hinreicht, ihn vor dem Hunger zu schützen. Eine andere Figur unter den Volkslehrern spielt jener junge Mann, der eines Morgens zu Fuß in das kleine Städtchen tritt, welches der Sitz eines Schulmeisterkollegiums ist. Auch er hat, wie der Sultan außer dem Schulregiment, welches er erst erlernen will, schon etwas anderes gelernt, nämlich ein Handwerk. Er ist das, was sein Vater ist, nämlich Schneider, und will das werden, was sein Vater ebenfalls ist, nämlich Schulmeister. Auf dem Lande pflegen diese beiden Handthierungen nicht selten verknüpft zu seyn. Die Löcher, welche sich die Kinder auf den Bänken der Schule in ihren Kleidern reißen, können auch in der Schule wieder zugenäht werden. Die Einkleidung des Geistes und des Körpers geht von einer und derselben Kunstfertigkeit aus. Der Sohn wird einst vom Vater die Elle, welche auch zugleich der Schulbakel ist, erben. Er verläßt auf seine berühmte Rede über den Aberglauben hatte halten wollen und verlor zuletzt die Unterstützung jener frommen Herren, welche gehofft hatten, aus diesem Klotz einen Stab für Jsrael zu schnitzen. Er verließ die Schule, weil man seine Fähigkeiten zu gering achtete, um sie ihm unentgeltlich zu gestatten. Sein Vater machte ihm schon wieder den Sitz am Webstuhle zurecht. Doch nun erklärte er, wenn auch nicht Prediger, doch wenigstens Lehrer werden zu wollen. Nach jahrelangem Bemühen hat er es endlich dahin gebracht, daß er die Leitung einer kleinen Landschule erhielt, deren Ertrag kaum hinreicht, ihn vor dem Hunger zu schützen. Eine andere Figur unter den Volkslehrern spielt jener junge Mann, der eines Morgens zu Fuß in das kleine Städtchen tritt, welches der Sitz eines Schulmeisterkollegiums ist. Auch er hat, wie der Sultan außer dem Schulregiment, welches er erst erlernen will, schon etwas anderes gelernt, nämlich ein Handwerk. Er ist das, was sein Vater ist, nämlich Schneider, und will das werden, was sein Vater ebenfalls ist, nämlich Schulmeister. Auf dem Lande pflegen diese beiden Handthierungen nicht selten verknüpft zu seyn. Die Löcher, welche sich die Kinder auf den Bänken der Schule in ihren Kleidern reißen, können auch in der Schule wieder zugenäht werden. Die Einkleidung des Geistes und des Körpers geht von einer und derselben Kunstfertigkeit aus. Der Sohn wird einst vom Vater die Elle, welche auch zugleich der Schulbakel ist, erben. Er verläßt auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0383" n="355"/> seine berühmte Rede über den Aberglauben hatte halten wollen und verlor zuletzt die Unterstützung jener frommen Herren, welche gehofft hatten, aus diesem Klotz einen Stab für Jsrael zu schnitzen. Er verließ die Schule, weil man seine Fähigkeiten zu gering achtete, um sie ihm unentgeltlich zu gestatten. Sein Vater machte ihm schon wieder den Sitz am Webstuhle zurecht. Doch nun erklärte er, wenn auch nicht Prediger, doch wenigstens Lehrer werden zu wollen. Nach jahrelangem Bemühen hat er es endlich dahin gebracht, daß er die Leitung einer kleinen Landschule erhielt, deren Ertrag kaum hinreicht, ihn vor dem Hunger zu schützen.</p> <p>Eine andere Figur unter den Volkslehrern spielt jener junge Mann, der eines Morgens zu Fuß in das kleine Städtchen tritt, welches der Sitz eines Schulmeisterkollegiums ist. Auch er hat, wie der Sultan außer dem Schulregiment, welches er erst erlernen will, schon etwas anderes gelernt, nämlich ein Handwerk. Er ist das, was sein Vater ist, nämlich Schneider, und will das werden, was sein Vater ebenfalls ist, nämlich Schulmeister. Auf dem Lande pflegen diese beiden Handthierungen nicht selten verknüpft zu seyn. Die Löcher, welche sich die Kinder auf den Bänken der Schule in ihren Kleidern reißen, können auch in der Schule wieder zugenäht werden. Die Einkleidung des Geistes und des Körpers geht von einer und derselben Kunstfertigkeit aus. Der Sohn wird einst vom Vater die Elle, welche auch zugleich der Schulbakel ist, erben. Er verläßt auf </p> </div> </body> </text> </TEI> [355/0383]
seine berühmte Rede über den Aberglauben hatte halten wollen und verlor zuletzt die Unterstützung jener frommen Herren, welche gehofft hatten, aus diesem Klotz einen Stab für Jsrael zu schnitzen. Er verließ die Schule, weil man seine Fähigkeiten zu gering achtete, um sie ihm unentgeltlich zu gestatten. Sein Vater machte ihm schon wieder den Sitz am Webstuhle zurecht. Doch nun erklärte er, wenn auch nicht Prediger, doch wenigstens Lehrer werden zu wollen. Nach jahrelangem Bemühen hat er es endlich dahin gebracht, daß er die Leitung einer kleinen Landschule erhielt, deren Ertrag kaum hinreicht, ihn vor dem Hunger zu schützen.
Eine andere Figur unter den Volkslehrern spielt jener junge Mann, der eines Morgens zu Fuß in das kleine Städtchen tritt, welches der Sitz eines Schulmeisterkollegiums ist. Auch er hat, wie der Sultan außer dem Schulregiment, welches er erst erlernen will, schon etwas anderes gelernt, nämlich ein Handwerk. Er ist das, was sein Vater ist, nämlich Schneider, und will das werden, was sein Vater ebenfalls ist, nämlich Schulmeister. Auf dem Lande pflegen diese beiden Handthierungen nicht selten verknüpft zu seyn. Die Löcher, welche sich die Kinder auf den Bänken der Schule in ihren Kleidern reißen, können auch in der Schule wieder zugenäht werden. Die Einkleidung des Geistes und des Körpers geht von einer und derselben Kunstfertigkeit aus. Der Sohn wird einst vom Vater die Elle, welche auch zugleich der Schulbakel ist, erben. Er verläßt auf
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/383>, abgerufen am 28.07.2024. |