Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.auf die ihm zunächst stehende Aristokratie und Beamtenwelt verderblich wirkt; der persönliche Charakter des Fürsten ist heutiges Tags, wo keine Garantie für die Freiheit, wenigstens eine Garantie für die Moral des Landes. Wir sind auf ein persönliches Gebiet gerathen, wir sind nicht mehr in der heitern und erhebenden Perspektive, jener großartigen, das ganze Leben unserer Zeitgenossen umfassenden Anschauung; enteilen wir einem Bereiche, wo der Tadel für Aufwiegelung und das Lob für Schmeichelei angesehen wird. Kehren wir in den Schooß der Nationen zurück, verlassen wir die Einseitigkeit, mit welcher sie sich unter einander abschließen, und gestehen wir uns aufrichtig, ob bei den Fortschritten unserer Humanität, bei der Gemeinschaftlichkeit aller der Schicksale, welche die Völker mitsammen seit 50 Jahren erlebt haben, noch immer jene öffentliche Empfindung in den Herzen der Völker herrscht, welche man Nationalhaß nennt? Der größte Haß, der zwischen Nationen stattgefunden haben kann, war der zwischen Spanien und England. England strebte nach jener Seemacht, welche an Spanien, wie zufällig, durch die Entdeckung von Amerika kam. England reformirte seine Kirche, es bekam eine Herrschaft, die katholisch geblieben war, und mußte mit Schmerz sehen, wie diese sich an die spanische Macht anlehnte. Seither wurde ein Spanier in England ein Wild, das man verfolgte; konnte man es nicht treffen, so machte man es lächerlich, als Hasenfuß, Charlatan, Don Quixote. auf die ihm zunächst stehende Aristokratie und Beamtenwelt verderblich wirkt; der persönliche Charakter des Fürsten ist heutiges Tags, wo keine Garantie für die Freiheit, wenigstens eine Garantie für die Moral des Landes. Wir sind auf ein persönliches Gebiet gerathen, wir sind nicht mehr in der heitern und erhebenden Perspektive, jener großartigen, das ganze Leben unserer Zeitgenossen umfassenden Anschauung; enteilen wir einem Bereiche, wo der Tadel für Aufwiegelung und das Lob für Schmeichelei angesehen wird. Kehren wir in den Schooß der Nationen zurück, verlassen wir die Einseitigkeit, mit welcher sie sich unter einander abschließen, und gestehen wir uns aufrichtig, ob bei den Fortschritten unserer Humanität, bei der Gemeinschaftlichkeit aller der Schicksale, welche die Völker mitsammen seit 50 Jahren erlebt haben, noch immer jene öffentliche Empfindung in den Herzen der Völker herrscht, welche man Nationalhaß nennt? Der größte Haß, der zwischen Nationen stattgefunden haben kann, war der zwischen Spanien und England. England strebte nach jener Seemacht, welche an Spanien, wie zufällig, durch die Entdeckung von Amerika kam. England reformirte seine Kirche, es bekam eine Herrschaft, die katholisch geblieben war, und mußte mit Schmerz sehen, wie diese sich an die spanische Macht anlehnte. Seither wurde ein Spanier in England ein Wild, das man verfolgte; konnte man es nicht treffen, so machte man es lächerlich, als Hasenfuß, Charlatan, Don Quixote. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0343" n="315"/> auf die ihm zunächst stehende Aristokratie und Beamtenwelt verderblich wirkt; der persönliche Charakter des Fürsten ist heutiges Tags, wo keine Garantie für die Freiheit, wenigstens eine Garantie für die Moral des Landes.</p> <p>Wir sind auf ein persönliches Gebiet gerathen, wir sind nicht mehr in der heitern und erhebenden Perspektive, jener großartigen, das ganze Leben unserer Zeitgenossen umfassenden Anschauung; enteilen wir einem Bereiche, wo der Tadel für Aufwiegelung und das Lob für Schmeichelei angesehen wird. Kehren wir in den Schooß der Nationen zurück, verlassen wir die Einseitigkeit, mit welcher sie sich unter einander abschließen, und gestehen wir uns aufrichtig, ob bei den Fortschritten unserer Humanität, bei der Gemeinschaftlichkeit aller der Schicksale, welche die Völker mitsammen seit 50 Jahren erlebt haben, noch immer jene öffentliche Empfindung in den Herzen der Völker herrscht, welche man <hi rendition="#g">Nationalhaß</hi> nennt?</p> <p>Der größte Haß, der zwischen Nationen stattgefunden haben kann, war der zwischen Spanien und England. England strebte nach jener Seemacht, welche an Spanien, wie zufällig, durch die Entdeckung von Amerika kam. England reformirte seine Kirche, es bekam eine Herrschaft, die katholisch geblieben war, und mußte mit Schmerz sehen, wie diese sich an die spanische Macht anlehnte. Seither wurde ein Spanier in England ein Wild, das man verfolgte; konnte man es nicht treffen, so machte man es lächerlich, als Hasenfuß, Charlatan, Don Quixote. </p> </div> </body> </text> </TEI> [315/0343]
auf die ihm zunächst stehende Aristokratie und Beamtenwelt verderblich wirkt; der persönliche Charakter des Fürsten ist heutiges Tags, wo keine Garantie für die Freiheit, wenigstens eine Garantie für die Moral des Landes.
Wir sind auf ein persönliches Gebiet gerathen, wir sind nicht mehr in der heitern und erhebenden Perspektive, jener großartigen, das ganze Leben unserer Zeitgenossen umfassenden Anschauung; enteilen wir einem Bereiche, wo der Tadel für Aufwiegelung und das Lob für Schmeichelei angesehen wird. Kehren wir in den Schooß der Nationen zurück, verlassen wir die Einseitigkeit, mit welcher sie sich unter einander abschließen, und gestehen wir uns aufrichtig, ob bei den Fortschritten unserer Humanität, bei der Gemeinschaftlichkeit aller der Schicksale, welche die Völker mitsammen seit 50 Jahren erlebt haben, noch immer jene öffentliche Empfindung in den Herzen der Völker herrscht, welche man Nationalhaß nennt?
Der größte Haß, der zwischen Nationen stattgefunden haben kann, war der zwischen Spanien und England. England strebte nach jener Seemacht, welche an Spanien, wie zufällig, durch die Entdeckung von Amerika kam. England reformirte seine Kirche, es bekam eine Herrschaft, die katholisch geblieben war, und mußte mit Schmerz sehen, wie diese sich an die spanische Macht anlehnte. Seither wurde ein Spanier in England ein Wild, das man verfolgte; konnte man es nicht treffen, so machte man es lächerlich, als Hasenfuß, Charlatan, Don Quixote.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/343 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/343>, abgerufen am 28.07.2024. |