Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

sprechen. Der Beamte bildet sich jetzt aus dem Schooße der Nation herauf und eignet sich, ehe er in die praktische Laufbahn tritt, erst alle theoretischen Begründungen derselben an. Angewiesen, eine einzelne Branche ausschließlich zu betreiben, verliert er oft den Zusammenhang mit der Maschine der Verwaltung im Ganzen und Großen, und nimmt nicht selten, wo der Volksgeist oder die Volksstärke einen solchen Muth unterstützt, sogar gegen das System der höhern Chefs, welche ihn besolden, Partei. Wenn wir in diesem Augenblicke sehen, daß dieser letztere Freimuth immer mehr zu verschwinden droht, so liegt das theils in den Veranstaltungen der Regierungen selbst, theils aber auch in der allmähligen Vergessenheit jenes demokratischen Ursprunges, welchem ein großer Theil der europäischen Regierungen neuerdings seine Einsetzung zu verdanken hat.

Die Regierungen hatten in frühern Zeiten nur die Aufgabe, das, was der Staat besitzt, zusammenzuhalten; so lange noch der Staat die bloße Person des Königs war, dienten sie dazu, die königlichen Jnteressen zu erhalten und zu mehren; sie standen in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rathgebern, welche zunächst den König bedienten. Je mehr sich aber in den Begriff des Staates demokratische Elemente einschlichen, je mehr in den Begriff Staat die Abstraction einer durch gegenseitige Rechte und Pflichten gebundenen Gesammtheit kam, desto populärer wurden auch die bisher nur im einseitigen Haus- und Cameralinteresse der Monarchie verfahrenden

sprechen. Der Beamte bildet sich jetzt aus dem Schooße der Nation herauf und eignet sich, ehe er in die praktische Laufbahn tritt, erst alle theoretischen Begründungen derselben an. Angewiesen, eine einzelne Branche ausschließlich zu betreiben, verliert er oft den Zusammenhang mit der Maschine der Verwaltung im Ganzen und Großen, und nimmt nicht selten, wo der Volksgeist oder die Volksstärke einen solchen Muth unterstützt, sogar gegen das System der höhern Chefs, welche ihn besolden, Partei. Wenn wir in diesem Augenblicke sehen, daß dieser letztere Freimuth immer mehr zu verschwinden droht, so liegt das theils in den Veranstaltungen der Regierungen selbst, theils aber auch in der allmähligen Vergessenheit jenes demokratischen Ursprunges, welchem ein großer Theil der europäischen Regierungen neuerdings seine Einsetzung zu verdanken hat.

Die Regierungen hatten in frühern Zeiten nur die Aufgabe, das, was der Staat besitzt, zusammenzuhalten; so lange noch der Staat die bloße Person des Königs war, dienten sie dazu, die königlichen Jnteressen zu erhalten und zu mehren; sie standen in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rathgebern, welche zunächst den König bedienten. Je mehr sich aber in den Begriff des Staates demokratische Elemente einschlichen, je mehr in den Begriff Staat die Abstraction einer durch gegenseitige Rechte und Pflichten gebundenen Gesammtheit kam, desto populärer wurden auch die bisher nur im einseitigen Haus- und Cameralinteresse der Monarchie verfahrenden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0317" n="289"/>
sprechen. Der Beamte bildet sich jetzt aus dem Schooße der Nation herauf und eignet sich, ehe er in die praktische Laufbahn tritt, erst alle theoretischen Begründungen derselben an. Angewiesen, eine einzelne Branche ausschließlich zu betreiben, verliert er oft den Zusammenhang mit der Maschine der Verwaltung im Ganzen und Großen, und nimmt nicht selten, wo der Volksgeist oder die Volksstärke einen solchen Muth unterstützt, sogar gegen das System der höhern Chefs, welche ihn besolden, Partei. Wenn wir in diesem Augenblicke sehen, daß dieser letztere Freimuth immer mehr zu verschwinden droht, so liegt das theils in den Veranstaltungen der Regierungen selbst, theils aber auch in der allmähligen Vergessenheit jenes demokratischen Ursprunges, welchem ein großer Theil der europäischen Regierungen neuerdings seine Einsetzung zu verdanken hat.</p>
        <p>Die Regierungen hatten in frühern Zeiten nur die Aufgabe, das, was der Staat besitzt, zusammenzuhalten; so lange noch der Staat die bloße Person des Königs war, dienten sie dazu, die königlichen Jnteressen zu erhalten und zu mehren; sie standen in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rathgebern, welche zunächst den König bedienten. Je mehr sich aber in den Begriff des Staates demokratische Elemente einschlichen, je mehr in den Begriff <hi rendition="#g">Staat</hi> die Abstraction einer durch gegenseitige Rechte und Pflichten gebundenen Gesammtheit kam, desto populärer wurden auch die bisher nur im einseitigen Haus- und Cameralinteresse der Monarchie verfahrenden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0317] sprechen. Der Beamte bildet sich jetzt aus dem Schooße der Nation herauf und eignet sich, ehe er in die praktische Laufbahn tritt, erst alle theoretischen Begründungen derselben an. Angewiesen, eine einzelne Branche ausschließlich zu betreiben, verliert er oft den Zusammenhang mit der Maschine der Verwaltung im Ganzen und Großen, und nimmt nicht selten, wo der Volksgeist oder die Volksstärke einen solchen Muth unterstützt, sogar gegen das System der höhern Chefs, welche ihn besolden, Partei. Wenn wir in diesem Augenblicke sehen, daß dieser letztere Freimuth immer mehr zu verschwinden droht, so liegt das theils in den Veranstaltungen der Regierungen selbst, theils aber auch in der allmähligen Vergessenheit jenes demokratischen Ursprunges, welchem ein großer Theil der europäischen Regierungen neuerdings seine Einsetzung zu verdanken hat. Die Regierungen hatten in frühern Zeiten nur die Aufgabe, das, was der Staat besitzt, zusammenzuhalten; so lange noch der Staat die bloße Person des Königs war, dienten sie dazu, die königlichen Jnteressen zu erhalten und zu mehren; sie standen in unmittelbarer Abhängigkeit von den Rathgebern, welche zunächst den König bedienten. Je mehr sich aber in den Begriff des Staates demokratische Elemente einschlichen, je mehr in den Begriff Staat die Abstraction einer durch gegenseitige Rechte und Pflichten gebundenen Gesammtheit kam, desto populärer wurden auch die bisher nur im einseitigen Haus- und Cameralinteresse der Monarchie verfahrenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/317
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/317>, abgerufen am 24.11.2024.