Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Regierung in der Provinz Mittel und Wege genug, sich dem Ehrgeiz und Jnteresse der Wähler auf eine ihren Ehrgeiz gefangennehmende Weise zu nähern. Der Präfekt schlägt diesem oder jenem eine Militärlieferung zu, weiß hier zu begünstigen, dort zurückzusetzen; eine Obergewalt, die die französische Regierung noch so lange wird ausüben können, bis einmal diesem Lande ein gediegenes Munizipalgesetz gegeben ist, welches ihm erlaubt, seine Freiheit von unten herauf, vom Geiste der Lokalität aus, aus eignen Mitteln, ungestört von aristokratischer Einmischung, nach oben hinauf zu bilden.

Wir haben die Bürger und Unterthanen nicht schildern können, ohne auch schon auf die Regierungen hie und da ein erläuterndes Licht fallen zu lassen. Das System derselben kümmert uns hier nicht, weil dieser Abschnitt dem Geist der Zeit nicht gewidmet ist. Wohl dürfen wir uns aber erlauben, hier eine Betrachtung über die Regierungsmethode, welche in Europa herrscht, anzuknüpfen, die Büreaukratie, wo sie noch herrscht, zu zergliedern und jenen Geist zu schildern, der gegenwärtig die hohen und niedern sogenannten Beamten beseelt.

Die Beamte sind nicht mehr die Aeltesten der Gemeinde, wo man sie bald gezeichnet hätte, wenn man die Tugenden und Fehler des Alters aufzählte. Auch sind sie kein einzelner levitischer Priesterstamm mehr, wo man vielleicht nur genöthigt wäre, von angestammten Vorurtheilen und hierarchischen kleinen Tyranneien zu

Regierung in der Provinz Mittel und Wege genug, sich dem Ehrgeiz und Jnteresse der Wähler auf eine ihren Ehrgeiz gefangennehmende Weise zu nähern. Der Präfekt schlägt diesem oder jenem eine Militärlieferung zu, weiß hier zu begünstigen, dort zurückzusetzen; eine Obergewalt, die die französische Regierung noch so lange wird ausüben können, bis einmal diesem Lande ein gediegenes Munizipalgesetz gegeben ist, welches ihm erlaubt, seine Freiheit von unten herauf, vom Geiste der Lokalität aus, aus eignen Mitteln, ungestört von aristokratischer Einmischung, nach oben hinauf zu bilden.

Wir haben die Bürger und Unterthanen nicht schildern können, ohne auch schon auf die Regierungen hie und da ein erläuterndes Licht fallen zu lassen. Das System derselben kümmert uns hier nicht, weil dieser Abschnitt dem Geist der Zeit nicht gewidmet ist. Wohl dürfen wir uns aber erlauben, hier eine Betrachtung über die Regierungsmethode, welche in Europa herrscht, anzuknüpfen, die Büreaukratie, wo sie noch herrscht, zu zergliedern und jenen Geist zu schildern, der gegenwärtig die hohen und niedern sogenannten Beamten beseelt.

Die Beamte sind nicht mehr die Aeltesten der Gemeinde, wo man sie bald gezeichnet hätte, wenn man die Tugenden und Fehler des Alters aufzählte. Auch sind sie kein einzelner levitischer Priesterstamm mehr, wo man vielleicht nur genöthigt wäre, von angestammten Vorurtheilen und hierarchischen kleinen Tyranneien zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0316" n="288"/>
Regierung in der Provinz Mittel und Wege genug, sich dem Ehrgeiz und Jnteresse der Wähler auf eine ihren Ehrgeiz gefangennehmende Weise zu nähern. Der Präfekt schlägt diesem oder jenem eine Militärlieferung zu, weiß hier zu begünstigen, dort zurückzusetzen; eine Obergewalt, die die französische Regierung noch so lange wird ausüben können, bis einmal diesem Lande ein gediegenes Munizipalgesetz gegeben ist, welches ihm erlaubt, seine Freiheit von unten herauf, vom Geiste der Lokalität aus, aus eignen Mitteln, ungestört von aristokratischer Einmischung, nach oben hinauf zu bilden.</p>
        <p>Wir haben die Bürger und Unterthanen nicht schildern können, ohne auch schon auf die Regierungen hie und da ein erläuterndes Licht fallen zu lassen. Das System derselben kümmert uns hier nicht, weil dieser Abschnitt dem Geist der Zeit nicht gewidmet ist. Wohl dürfen wir uns aber erlauben, hier eine Betrachtung über die Regierungsmethode, welche in Europa herrscht, anzuknüpfen, die Büreaukratie, wo sie noch herrscht, zu zergliedern und jenen Geist zu schildern, der gegenwärtig die hohen und niedern sogenannten <hi rendition="#g">Beamten</hi> beseelt.</p>
        <p>Die Beamte sind nicht mehr die Aeltesten der Gemeinde, wo man sie bald gezeichnet hätte, wenn man die Tugenden und Fehler des Alters aufzählte. Auch sind sie kein einzelner levitischer Priesterstamm mehr, wo man vielleicht nur genöthigt wäre, von angestammten Vorurtheilen und hierarchischen kleinen Tyranneien zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0316] Regierung in der Provinz Mittel und Wege genug, sich dem Ehrgeiz und Jnteresse der Wähler auf eine ihren Ehrgeiz gefangennehmende Weise zu nähern. Der Präfekt schlägt diesem oder jenem eine Militärlieferung zu, weiß hier zu begünstigen, dort zurückzusetzen; eine Obergewalt, die die französische Regierung noch so lange wird ausüben können, bis einmal diesem Lande ein gediegenes Munizipalgesetz gegeben ist, welches ihm erlaubt, seine Freiheit von unten herauf, vom Geiste der Lokalität aus, aus eignen Mitteln, ungestört von aristokratischer Einmischung, nach oben hinauf zu bilden. Wir haben die Bürger und Unterthanen nicht schildern können, ohne auch schon auf die Regierungen hie und da ein erläuterndes Licht fallen zu lassen. Das System derselben kümmert uns hier nicht, weil dieser Abschnitt dem Geist der Zeit nicht gewidmet ist. Wohl dürfen wir uns aber erlauben, hier eine Betrachtung über die Regierungsmethode, welche in Europa herrscht, anzuknüpfen, die Büreaukratie, wo sie noch herrscht, zu zergliedern und jenen Geist zu schildern, der gegenwärtig die hohen und niedern sogenannten Beamten beseelt. Die Beamte sind nicht mehr die Aeltesten der Gemeinde, wo man sie bald gezeichnet hätte, wenn man die Tugenden und Fehler des Alters aufzählte. Auch sind sie kein einzelner levitischer Priesterstamm mehr, wo man vielleicht nur genöthigt wäre, von angestammten Vorurtheilen und hierarchischen kleinen Tyranneien zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/316
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/316>, abgerufen am 24.11.2024.