Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.gewissen Menschenrace anzugehören, als der Nordamerikaner, welcher wohl fühlt, daß ihm das Gedächtniß an Vater und Mutter entschwunden ist und daß sich sein Ursprung weit mehr auf ein Findelhaus, als auf eine achtbare christliche Familie zurückführt. Der Nordamerikaner ist stolz auf die geschriebene Urkunde seiner Freiheit; der Engländer weniger auf den Buchstaben, als auf die freie lebendige Tradition seiner Rechte, denen zum größten Theil auch in der That keine geschriebene Quelle zu Grunde liegt. Uebrigens ist die Gewöhnung an den schwierigen Kampf, mit welchem sich der Europäer seine politischen Rechte hat erobern müssen, doch bei ihm so überwiegend, daß man wohl sagen kann: Der Engländer ist stolz auf das, was ihm erlaubt ist; der Amerikaner stolz auf das, was ihm nicht verboten ist; jener ist stolz auf alles, was er darf, dieser auf alles, was er kann. Jener pocht auf die vielen Rechte, die er hat, dieser auf die wenigen Pflichten, die man von ihm verlangen darf. Jn allen Staaten, welche sich einer geschlossenen Nationalität und eines gewissen Grundstocks von Freiheit, den die Fürsten inne haben mögen, den sie aber nicht antasten werden, weil sie sonst von dem Volke, an welches sie den Grundstock ausleihen, keine Zinsen mehr ziehen, also in allen Staaten, welche sich des Fortschrittes im Lichte des Jahrhunderts bewußt sind, sind mit dem Bürgerthum einige Begriffe verbunden, welche unverjährliche Rechte ausdrücken. Wenn ein gewissen Menschenrace anzugehören, als der Nordamerikaner, welcher wohl fühlt, daß ihm das Gedächtniß an Vater und Mutter entschwunden ist und daß sich sein Ursprung weit mehr auf ein Findelhaus, als auf eine achtbare christliche Familie zurückführt. Der Nordamerikaner ist stolz auf die geschriebene Urkunde seiner Freiheit; der Engländer weniger auf den Buchstaben, als auf die freie lebendige Tradition seiner Rechte, denen zum größten Theil auch in der That keine geschriebene Quelle zu Grunde liegt. Uebrigens ist die Gewöhnung an den schwierigen Kampf, mit welchem sich der Europäer seine politischen Rechte hat erobern müssen, doch bei ihm so überwiegend, daß man wohl sagen kann: Der Engländer ist stolz auf das, was ihm erlaubt ist; der Amerikaner stolz auf das, was ihm nicht verboten ist; jener ist stolz auf alles, was er darf, dieser auf alles, was er kann. Jener pocht auf die vielen Rechte, die er hat, dieser auf die wenigen Pflichten, die man von ihm verlangen darf. Jn allen Staaten, welche sich einer geschlossenen Nationalität und eines gewissen Grundstocks von Freiheit, den die Fürsten inne haben mögen, den sie aber nicht antasten werden, weil sie sonst von dem Volke, an welches sie den Grundstock ausleihen, keine Zinsen mehr ziehen, also in allen Staaten, welche sich des Fortschrittes im Lichte des Jahrhunderts bewußt sind, sind mit dem Bürgerthum einige Begriffe verbunden, welche unverjährliche Rechte ausdrücken. Wenn ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0309" n="281"/> gewissen Menschenrace anzugehören, als der Nordamerikaner, welcher wohl fühlt, daß ihm das Gedächtniß an Vater und Mutter entschwunden ist und daß sich sein Ursprung weit mehr auf ein Findelhaus, als auf eine achtbare christliche Familie zurückführt. Der Nordamerikaner ist stolz auf die geschriebene Urkunde seiner Freiheit; der Engländer weniger auf den Buchstaben, als auf die freie lebendige Tradition seiner Rechte, denen zum größten Theil auch in der That keine geschriebene Quelle zu Grunde liegt. Uebrigens ist die Gewöhnung an den schwierigen Kampf, mit welchem sich der Europäer seine politischen Rechte hat erobern müssen, doch bei ihm so überwiegend, daß man wohl sagen kann: Der Engländer ist stolz auf das, was ihm erlaubt ist; der Amerikaner stolz auf das, was ihm nicht verboten ist; jener ist stolz auf alles, was er darf, dieser auf alles, was er kann. Jener pocht auf die vielen Rechte, die er hat, dieser auf die wenigen Pflichten, die man von ihm verlangen darf.</p> <p>Jn allen Staaten, welche sich einer geschlossenen Nationalität und eines gewissen Grundstocks von Freiheit, den die Fürsten inne haben mögen, den sie aber nicht antasten werden, weil sie sonst von dem Volke, an welches sie den Grundstock ausleihen, keine Zinsen mehr ziehen, also in allen Staaten, welche sich des Fortschrittes im Lichte des Jahrhunderts bewußt sind, sind mit dem Bürgerthum einige Begriffe verbunden, welche unverjährliche Rechte ausdrücken. Wenn ein </p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0309]
gewissen Menschenrace anzugehören, als der Nordamerikaner, welcher wohl fühlt, daß ihm das Gedächtniß an Vater und Mutter entschwunden ist und daß sich sein Ursprung weit mehr auf ein Findelhaus, als auf eine achtbare christliche Familie zurückführt. Der Nordamerikaner ist stolz auf die geschriebene Urkunde seiner Freiheit; der Engländer weniger auf den Buchstaben, als auf die freie lebendige Tradition seiner Rechte, denen zum größten Theil auch in der That keine geschriebene Quelle zu Grunde liegt. Uebrigens ist die Gewöhnung an den schwierigen Kampf, mit welchem sich der Europäer seine politischen Rechte hat erobern müssen, doch bei ihm so überwiegend, daß man wohl sagen kann: Der Engländer ist stolz auf das, was ihm erlaubt ist; der Amerikaner stolz auf das, was ihm nicht verboten ist; jener ist stolz auf alles, was er darf, dieser auf alles, was er kann. Jener pocht auf die vielen Rechte, die er hat, dieser auf die wenigen Pflichten, die man von ihm verlangen darf.
Jn allen Staaten, welche sich einer geschlossenen Nationalität und eines gewissen Grundstocks von Freiheit, den die Fürsten inne haben mögen, den sie aber nicht antasten werden, weil sie sonst von dem Volke, an welches sie den Grundstock ausleihen, keine Zinsen mehr ziehen, also in allen Staaten, welche sich des Fortschrittes im Lichte des Jahrhunderts bewußt sind, sind mit dem Bürgerthum einige Begriffe verbunden, welche unverjährliche Rechte ausdrücken. Wenn ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/309 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/309>, abgerufen am 28.07.2024. |