geben wollte, mit welchen sie sich ihn erzählt haben.
Diese Abschweifung entschuldig' ich durch das, was ich sogleich sagen werde. Jch finde nämlich, daß Diejenigen, welche über die öffentlichen Angelegenheiten schreiben, den Charakter unsrer Zeit nicht gründlich studirt haben, und daß, wenn sie auch die Zeit kennen, ihnen doch wieder die Zeitgenossen gänzlich unbekannt geblieben sind. Es läßt sich vielen Verhältnissen unsres Jahrhunderts eine bessere Form geben; allein der Stoff, aus dem man schaffen will, wird ein andrer seyn, als der ist, welchen man vorfindet. Man kann, streng genommen, nichts Neues gründen, man kann immer nur das Alte verbessern, einen Acker, der brach lag, umpflügen, ihn düngen, man kann Früchte erzielen, Grund und Boden aber müssen gegeben seyn. Was sind nicht für Theorien aufgestellt worden, um unserm Jahrhundert zu Hülfe zu kommen! Sie schöpften alle nur den Schaum von den Zeitgenossen ab und berechneten ihre Schriften für ein Abstraktum, das
geben wollte, mit welchen sie sich ihn erzählt haben.
Diese Abschweifung entschuldig’ ich durch das, was ich sogleich sagen werde. Jch finde nämlich, daß Diejenigen, welche über die öffentlichen Angelegenheiten schreiben, den Charakter unsrer Zeit nicht gründlich studirt haben, und daß, wenn sie auch die Zeit kennen, ihnen doch wieder die Zeitgenossen gänzlich unbekannt geblieben sind. Es läßt sich vielen Verhältnissen unsres Jahrhunderts eine bessere Form geben; allein der Stoff, aus dem man schaffen will, wird ein andrer seyn, als der ist, welchen man vorfindet. Man kann, streng genommen, nichts Neues gründen, man kann immer nur das Alte verbessern, einen Acker, der brach lag, umpflügen, ihn düngen, man kann Früchte erzielen, Grund und Boden aber müssen gegeben seyn. Was sind nicht für Theorien aufgestellt worden, um unserm Jahrhundert zu Hülfe zu kommen! Sie schöpften alle nur den Schaum von den Zeitgenossen ab und berechneten ihre Schriften für ein Abstraktum, das
<TEI><text><front><divtype="dedication"><p><pbfacs="#f0019"n="XV"/>
geben wollte, mit welchen sie sich ihn erzählt haben.</p><p>Diese Abschweifung entschuldig’ ich durch das, was ich sogleich sagen werde. Jch finde nämlich, <refxml:id="TEXTdassDiejenigenBISgebliebensind"type="editorialNote"target="ZgZuE.htm#ERLdassDiejenigenBISgebliebensind">daß Diejenigen, welche über die öffentlichen Angelegenheiten schreiben, den Charakter unsrer Zeit nicht gründlich studirt haben, und daß, wenn sie auch die Zeit kennen, ihnen doch wieder die Zeitgenossen gänzlich unbekannt geblieben sind</ref>. Es läßt sich vielen Verhältnissen unsres Jahrhunderts eine bessere Form geben; allein der Stoff, aus dem man schaffen will, wird ein andrer seyn, als der ist, welchen man vorfindet. Man kann, streng genommen, nichts Neues gründen, man kann immer nur das Alte verbessern, einen Acker, der brach lag, umpflügen, ihn düngen, man kann Früchte erzielen, Grund und Boden aber müssen gegeben seyn. Was sind nicht für Theorien aufgestellt worden, um unserm Jahrhundert zu Hülfe zu kommen! Sie schöpften alle nur den Schaum von den Zeitgenossen ab und berechneten ihre Schriften für ein Abstraktum, das
</p></div></front></text></TEI>
[XV/0019]
geben wollte, mit welchen sie sich ihn erzählt haben.
Diese Abschweifung entschuldig’ ich durch das, was ich sogleich sagen werde. Jch finde nämlich, daß Diejenigen, welche über die öffentlichen Angelegenheiten schreiben, den Charakter unsrer Zeit nicht gründlich studirt haben, und daß, wenn sie auch die Zeit kennen, ihnen doch wieder die Zeitgenossen gänzlich unbekannt geblieben sind. Es läßt sich vielen Verhältnissen unsres Jahrhunderts eine bessere Form geben; allein der Stoff, aus dem man schaffen will, wird ein andrer seyn, als der ist, welchen man vorfindet. Man kann, streng genommen, nichts Neues gründen, man kann immer nur das Alte verbessern, einen Acker, der brach lag, umpflügen, ihn düngen, man kann Früchte erzielen, Grund und Boden aber müssen gegeben seyn. Was sind nicht für Theorien aufgestellt worden, um unserm Jahrhundert zu Hülfe zu kommen! Sie schöpften alle nur den Schaum von den Zeitgenossen ab und berechneten ihre Schriften für ein Abstraktum, das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/19>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.