Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.seine Blicke zuweilen so abwesend herumschweifen läßt bei Tische. Dieß ganze Prinzip einer allzu gewissenhaften Gerechtigkeit gegen die künftigen Erben scheint mir durchaus nicht dem Charakter der europäischen Gesellschaft angemessen zu seyn. Nur ein Bewohner der vereinigten Staaten dürfte im Stande seyn, bis in diesem entsetzlichen Grade die Mathematik zu einer Hülfswissenschaft der Moral zu machen. Weil ich in diesem Kapitel von Nordamerika sprechen will, spart' ich mir Mr. Point als einen Uebergang aus der alten in die neue Welt auf. Wenn irgend etwas der Charakter der letztern ist, so ist es die Tarifirung aller Dinge im Himmel und auf Erden. Dem Amerikaner hat Alles einen Werth, und zwar immer einen solchen, der verhältnißmäßig ist und durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Die Leichtigkeit, mit welcher der Amerikaner die subtilsten Begriffe auf Geld anschlagen kann, ist unglaublich. Selbst die Jmponderabilien, als da sind, Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, selbst die Metaphysik hat für ihn ein Gewicht. Sein Sinnen und Trachten ist eine ewige Reduktionsrechnung. Was unmittelbar mit dem Gelde keine Verbindung hat, das trägt er zuerst auf etwas Verwandtes über, sucht eine Analogie dafür, läßt diese die Metallprobe bestehen und findet so, daß sich Alles dasjenige, was zwischen dem Alles und Nichts in der Mitte liegt, auch mit einfachen arabischen Ziffern ausdrücken läßt. Eine Erörterung dieses Phänomens der immer mehr seine Blicke zuweilen so abwesend herumschweifen läßt bei Tische. Dieß ganze Prinzip einer allzu gewissenhaften Gerechtigkeit gegen die künftigen Erben scheint mir durchaus nicht dem Charakter der europäischen Gesellschaft angemessen zu seyn. Nur ein Bewohner der vereinigten Staaten dürfte im Stande seyn, bis in diesem entsetzlichen Grade die Mathematik zu einer Hülfswissenschaft der Moral zu machen. Weil ich in diesem Kapitel von Nordamerika sprechen will, spart’ ich mir Mr. Point als einen Uebergang aus der alten in die neue Welt auf. Wenn irgend etwas der Charakter der letztern ist, so ist es die Tarifirung aller Dinge im Himmel und auf Erden. Dem Amerikaner hat Alles einen Werth, und zwar immer einen solchen, der verhältnißmäßig ist und durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Die Leichtigkeit, mit welcher der Amerikaner die subtilsten Begriffe auf Geld anschlagen kann, ist unglaublich. Selbst die Jmponderabilien, als da sind, Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, selbst die Metaphysik hat für ihn ein Gewicht. Sein Sinnen und Trachten ist eine ewige Reduktionsrechnung. Was unmittelbar mit dem Gelde keine Verbindung hat, das trägt er zuerst auf etwas Verwandtes über, sucht eine Analogie dafür, läßt diese die Metallprobe bestehen und findet so, daß sich Alles dasjenige, was zwischen dem Alles und Nichts in der Mitte liegt, auch mit einfachen arabischen Ziffern ausdrücken läßt. Eine Erörterung dieses Phänomens der immer mehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="124"/> seine Blicke zuweilen so abwesend herumschweifen läßt bei Tische. Dieß ganze Prinzip einer allzu gewissenhaften Gerechtigkeit gegen die künftigen Erben scheint mir durchaus nicht dem Charakter der europäischen Gesellschaft angemessen zu seyn. Nur ein Bewohner der vereinigten Staaten dürfte im Stande seyn, bis in diesem entsetzlichen Grade die Mathematik zu einer Hülfswissenschaft der Moral zu machen.</p> <p>Weil ich in diesem Kapitel von Nordamerika sprechen will, spart’ ich mir Mr. Point als einen Uebergang aus der alten in die neue Welt auf. Wenn irgend etwas der Charakter der letztern ist, so ist es die Tarifirung aller Dinge im Himmel und auf Erden. Dem Amerikaner hat Alles einen Werth, und zwar immer einen solchen, der verhältnißmäßig ist und durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Die Leichtigkeit, mit welcher der Amerikaner die subtilsten Begriffe auf Geld anschlagen kann, ist unglaublich. Selbst die Jmponderabilien, als da sind, Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, selbst die Metaphysik hat für ihn ein Gewicht. Sein Sinnen und Trachten ist eine ewige Reduktionsrechnung. Was unmittelbar mit dem Gelde keine Verbindung hat, das trägt er zuerst auf etwas Verwandtes über, sucht eine Analogie dafür, läßt diese die Metallprobe bestehen und findet so, daß sich Alles dasjenige, was zwischen dem Alles und Nichts in der Mitte liegt, auch mit einfachen arabischen Ziffern ausdrücken läßt.</p> <p>Eine Erörterung dieses Phänomens der immer mehr </p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0152]
seine Blicke zuweilen so abwesend herumschweifen läßt bei Tische. Dieß ganze Prinzip einer allzu gewissenhaften Gerechtigkeit gegen die künftigen Erben scheint mir durchaus nicht dem Charakter der europäischen Gesellschaft angemessen zu seyn. Nur ein Bewohner der vereinigten Staaten dürfte im Stande seyn, bis in diesem entsetzlichen Grade die Mathematik zu einer Hülfswissenschaft der Moral zu machen.
Weil ich in diesem Kapitel von Nordamerika sprechen will, spart’ ich mir Mr. Point als einen Uebergang aus der alten in die neue Welt auf. Wenn irgend etwas der Charakter der letztern ist, so ist es die Tarifirung aller Dinge im Himmel und auf Erden. Dem Amerikaner hat Alles einen Werth, und zwar immer einen solchen, der verhältnißmäßig ist und durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Die Leichtigkeit, mit welcher der Amerikaner die subtilsten Begriffe auf Geld anschlagen kann, ist unglaublich. Selbst die Jmponderabilien, als da sind, Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, selbst die Metaphysik hat für ihn ein Gewicht. Sein Sinnen und Trachten ist eine ewige Reduktionsrechnung. Was unmittelbar mit dem Gelde keine Verbindung hat, das trägt er zuerst auf etwas Verwandtes über, sucht eine Analogie dafür, läßt diese die Metallprobe bestehen und findet so, daß sich Alles dasjenige, was zwischen dem Alles und Nichts in der Mitte liegt, auch mit einfachen arabischen Ziffern ausdrücken läßt.
Eine Erörterung dieses Phänomens der immer mehr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |