Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.der Bank des Vaters. Die Hebamme kostete soviel Guineen, der Kindtaufschmaus soviel; ist das Kind größer geworden, so heißt es: Soviel Teller zerschlagen, soviel Schaden im Garten angerichtet, so oft gefallen durch eigene Schuld, Heilungskosten; kurz, Mr. Point ist seit zwanzig Jahren keinen Abend ins Bett gegangen, daß er nicht mit seiner Frau, die schon völlig auf seine Jdeen eingegangen ist, vorher die Tagesberechnung macht. Der kleine Robert z. B. ist ein Näscher. Statt ihm nun dieses Laster abzugewöhnen, kann er Alles, was er nur wünscht, erhalten; doch sagt ihm Mr. Point jeden Tag: Es wird dir aber angeschrieben! Der kleine Robert denkt: Schreib du nur an! und ißt sich an Näschereien ungesund. Jch muß gestehen, daß mir diese Methode, alle Tugenden und Thorheiten der Kinder in barem Gelde anzuschlagen, fürchterlich ist. Mr. Point mag mir das nicht übel nehmen. Wenn ich bei ihm im Familienkreise esse, so fehlen die Kinder nicht. Allein sie sind durch das ewige Vorrechnen, was der Eine mehr kostet, als der Andere, so bedächtig und pedantisch geworden, daß es mir war, als hungerten sie absichtlich bei den schönsten Speisen, weil sie gehört hatten und täglich hören, daß sie, je mehr sie jetzt äßen, künftig desto weniger zu essen haben würden. Der Vater beobachtet ganz genau, wie viel ein Jeder auf seinem Teller liegen läßt, und obgleich von verschiedenen Gegenständen die Unterhaltung immer recht gut belebt ist, so weiß ich doch, warum Mr. Point der Bank des Vaters. Die Hebamme kostete soviel Guineen, der Kindtaufschmaus soviel; ist das Kind größer geworden, so heißt es: Soviel Teller zerschlagen, soviel Schaden im Garten angerichtet, so oft gefallen durch eigene Schuld, Heilungskosten; kurz, Mr. Point ist seit zwanzig Jahren keinen Abend ins Bett gegangen, daß er nicht mit seiner Frau, die schon völlig auf seine Jdeen eingegangen ist, vorher die Tagesberechnung macht. Der kleine Robert z. B. ist ein Näscher. Statt ihm nun dieses Laster abzugewöhnen, kann er Alles, was er nur wünscht, erhalten; doch sagt ihm Mr. Point jeden Tag: Es wird dir aber angeschrieben! Der kleine Robert denkt: Schreib du nur an! und ißt sich an Näschereien ungesund. Jch muß gestehen, daß mir diese Methode, alle Tugenden und Thorheiten der Kinder in barem Gelde anzuschlagen, fürchterlich ist. Mr. Point mag mir das nicht übel nehmen. Wenn ich bei ihm im Familienkreise esse, so fehlen die Kinder nicht. Allein sie sind durch das ewige Vorrechnen, was der Eine mehr kostet, als der Andere, so bedächtig und pedantisch geworden, daß es mir war, als hungerten sie absichtlich bei den schönsten Speisen, weil sie gehört hatten und täglich hören, daß sie, je mehr sie jetzt äßen, künftig desto weniger zu essen haben würden. Der Vater beobachtet ganz genau, wie viel ein Jeder auf seinem Teller liegen läßt, und obgleich von verschiedenen Gegenständen die Unterhaltung immer recht gut belebt ist, so weiß ich doch, warum Mr. Point <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="123"/> der Bank des Vaters. Die Hebamme kostete soviel Guineen, der Kindtaufschmaus soviel; ist das Kind größer geworden, so heißt es: Soviel Teller zerschlagen, soviel Schaden im Garten angerichtet, so oft gefallen durch eigene Schuld, Heilungskosten; kurz, Mr. Point ist seit zwanzig Jahren keinen Abend ins Bett gegangen, daß er nicht mit seiner Frau, die schon völlig auf seine Jdeen eingegangen ist, vorher die Tagesberechnung macht. Der kleine Robert z. B. ist ein Näscher. Statt ihm nun dieses Laster abzugewöhnen, kann er Alles, was er nur wünscht, erhalten; doch sagt ihm Mr. Point jeden Tag: Es wird dir aber angeschrieben! Der kleine Robert denkt: Schreib du nur an! und ißt sich an Näschereien ungesund.</p> <p>Jch muß gestehen, daß mir diese Methode, alle Tugenden und Thorheiten der Kinder in barem Gelde anzuschlagen, fürchterlich ist. Mr. Point mag mir das nicht übel nehmen. Wenn ich bei ihm im Familienkreise esse, so fehlen die Kinder nicht. Allein sie sind durch das ewige Vorrechnen, was der Eine mehr kostet, als der Andere, so bedächtig und pedantisch geworden, daß es mir war, als hungerten sie absichtlich bei den schönsten Speisen, weil sie gehört hatten und täglich hören, daß sie, je mehr sie jetzt äßen, künftig desto weniger zu essen haben würden. Der Vater beobachtet ganz genau, wie viel ein Jeder auf seinem Teller liegen läßt, und obgleich von verschiedenen Gegenständen die Unterhaltung immer recht gut belebt ist, so weiß ich doch, warum Mr. Point </p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0151]
der Bank des Vaters. Die Hebamme kostete soviel Guineen, der Kindtaufschmaus soviel; ist das Kind größer geworden, so heißt es: Soviel Teller zerschlagen, soviel Schaden im Garten angerichtet, so oft gefallen durch eigene Schuld, Heilungskosten; kurz, Mr. Point ist seit zwanzig Jahren keinen Abend ins Bett gegangen, daß er nicht mit seiner Frau, die schon völlig auf seine Jdeen eingegangen ist, vorher die Tagesberechnung macht. Der kleine Robert z. B. ist ein Näscher. Statt ihm nun dieses Laster abzugewöhnen, kann er Alles, was er nur wünscht, erhalten; doch sagt ihm Mr. Point jeden Tag: Es wird dir aber angeschrieben! Der kleine Robert denkt: Schreib du nur an! und ißt sich an Näschereien ungesund.
Jch muß gestehen, daß mir diese Methode, alle Tugenden und Thorheiten der Kinder in barem Gelde anzuschlagen, fürchterlich ist. Mr. Point mag mir das nicht übel nehmen. Wenn ich bei ihm im Familienkreise esse, so fehlen die Kinder nicht. Allein sie sind durch das ewige Vorrechnen, was der Eine mehr kostet, als der Andere, so bedächtig und pedantisch geworden, daß es mir war, als hungerten sie absichtlich bei den schönsten Speisen, weil sie gehört hatten und täglich hören, daß sie, je mehr sie jetzt äßen, künftig desto weniger zu essen haben würden. Der Vater beobachtet ganz genau, wie viel ein Jeder auf seinem Teller liegen läßt, und obgleich von verschiedenen Gegenständen die Unterhaltung immer recht gut belebt ist, so weiß ich doch, warum Mr. Point
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/151>, abgerufen am 16.02.2025. |