Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Patriarch, der Großvater des Hauses, ein schlichter, rein an jüdische Sitte haltender Greis. Sein Anblick erregt Ehrfurcht. Sein weißes Haar, ein kurzer Bart, von dem er sich nicht trennen kann, sein dreieckiger Hut, sein Gang, sein röthlicher Rock, Alles dieß ruft eine verschwundene Zeit zurück, die nirgends weniger noch zu ahnen wäre, als in dem Hause, wo der alte Patriarch noch immer die erste Person ist, wo alle Extravaganzen der Mode ihren duftenden Tempel finden, wo Teppiche und Tapeten als Unterlagen einer Pracht dienen, die selbst von den Häusern der reichsten Würdenträger unserer Krone nicht wiedergegeben werden kann. Jm Vorgrunde dagegen steht der Sohn des Hauses, ein bildschöner junger Mann, der dem charakteristischen Ausdruck eines Jtalieners mehr gleicht, als einem Juden. Der Großvater heißt Moses, dieser Enkel Moritz. Moritz spricht die meisten neuern Sprachen, zeichnet, malt, ist Virtuose auf dem Pianoforte, componirt, dichtet, er ist ein Genie. Und dieß noch nicht einmal genug! Moritz ist sogar Schwärmer, Enthusiast mit der Reverbere der Melancholie. Er fühlt sich unglücklich. Er verachtet seinen Reichthum, seine Eltern sogar, die ihn zusammenscharren. Er steht, kaum wissend, daß er Jude ist, an der Spitze eines Comite's zur Emanzipation der Jsraeliten. Er hat Herrn Grant++) einen Wagen mit ++) Herr Grant pflegt öfters die Emanzipation der Juden beim Parlamente einzubringen.
Patriarch, der Großvater des Hauses, ein schlichter, rein an jüdische Sitte haltender Greis. Sein Anblick erregt Ehrfurcht. Sein weißes Haar, ein kurzer Bart, von dem er sich nicht trennen kann, sein dreieckiger Hut, sein Gang, sein röthlicher Rock, Alles dieß ruft eine verschwundene Zeit zurück, die nirgends weniger noch zu ahnen wäre, als in dem Hause, wo der alte Patriarch noch immer die erste Person ist, wo alle Extravaganzen der Mode ihren duftenden Tempel finden, wo Teppiche und Tapeten als Unterlagen einer Pracht dienen, die selbst von den Häusern der reichsten Würdenträger unserer Krone nicht wiedergegeben werden kann. Jm Vorgrunde dagegen steht der Sohn des Hauses, ein bildschöner junger Mann, der dem charakteristischen Ausdruck eines Jtalieners mehr gleicht, als einem Juden. Der Großvater heißt Moses, dieser Enkel Moritz. Moritz spricht die meisten neuern Sprachen, zeichnet, malt, ist Virtuose auf dem Pianoforte, componirt, dichtet, er ist ein Genie. Und dieß noch nicht einmal genug! Moritz ist sogar Schwärmer, Enthusiast mit der Reverbère der Melancholie. Er fühlt sich unglücklich. Er verachtet seinen Reichthum, seine Eltern sogar, die ihn zusammenscharren. Er steht, kaum wissend, daß er Jude ist, an der Spitze eines Comité’s zur Emanzipation der Jsraeliten. Er hat Herrn Grant‡) einen Wagen mit ‡) Herr Grant pflegt öfters die Emanzipation der Juden beim Parlamente einzubringen.
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Patriarch, der Großvater des Hauses, ein schlichter, rein an jüdische Sitte haltender Greis. Sein Anblick erregt Ehrfurcht. Sein weißes Haar, ein kurzer Bart, von dem er sich nicht trennen kann, sein dreieckiger Hut, sein Gang, sein röthlicher Rock, Alles dieß ruft eine verschwundene Zeit zurück, die nirgends weniger noch zu ahnen wäre, als in dem Hause, wo der alte Patriarch noch immer die erste Person ist, wo alle Extravaganzen der Mode ihren duftenden Tempel finden, wo Teppiche und Tapeten als Unterlagen einer Pracht dienen, die selbst von den Häusern der reichsten Würdenträger unserer Krone nicht wiedergegeben werden kann. Jm Vorgrunde dagegen steht der Sohn des Hauses, ein bildschöner junger Mann, der dem charakteristischen Ausdruck eines Jtalieners mehr gleicht, als einem Juden. Der Großvater heißt Moses, dieser Enkel Moritz. Moritz spricht die meisten neuern Sprachen, zeichnet, malt, ist Virtuose auf dem Pianoforte, componirt, dichtet, er ist ein Genie. Und dieß noch nicht einmal genug! Moritz ist sogar Schwärmer, Enthusiast mit der Reverbère der Melancholie. Er fühlt sich unglücklich. Er verachtet seinen Reichthum, seine Eltern sogar, die ihn zusammenscharren. Er steht, kaum wissend, daß er Jude ist, an der Spitze eines Comité’s zur Emanzipation der Jsraeliten. Er hat Herrn Grant ‡) einen Wagen mit
‡) Herr Grant pflegt öfters die Emanzipation der Juden beim Parlamente einzubringen.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/134>, abgerufen am 28.07.2024. |