Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

was Waldemar versicherte, daß er sich dieses
Mädchens durchaus nicht entsinne, nie mit ihr
ein Wort gewechselt, und auch im vorigen Jahre
zum erstenmale Schwalbach besucht habe. Cä¬
sar aber glaubte diesen Versicherungen; denn
Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬
den betrüben konnte, noch weniger aber wäre
eine Unwahrheit über seine Zunge gekommen. Er
nahm den Wahnsinn Bärbels von der lächer¬
lichen Seite und suchte Waldemar zu trösten.
Ja, diesem melancholischen Manne fehlte nur
noch eine neue Ursache seiner Schwermuth!

Wally befand sich in einer Stimmung, die
ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer
gewisse Gränzen und Nüancen hatte, recht zum
Genuß machte. Einst wollte sie in einem Garten
zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide
Freunde unter einem Bosket von verwelkenden
Rosen sich unterhielten; da sie aber hörte, daß ihr
Gespräch religiöse Saiten aufgezogen hatte, so

Gutzkow's Wally. 6

was Waldemar verſicherte, daß er ſich dieſes
Mädchens durchaus nicht entſinne, nie mit ihr
ein Wort gewechſelt, und auch im vorigen Jahre
zum erſtenmale Schwalbach beſucht habe. Cä¬
ſar aber glaubte dieſen Verſicherungen; denn
Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬
den betrüben konnte, noch weniger aber wäre
eine Unwahrheit über ſeine Zunge gekommen. Er
nahm den Wahnſinn Bärbels von der lächer¬
lichen Seite und ſuchte Waldemar zu tröſten.
Ja, dieſem melancholiſchen Manne fehlte nur
noch eine neue Urſache ſeiner Schwermuth!

Wally befand ſich in einer Stimmung, die
ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer
gewiſſe Gränzen und Nüancen hatte, recht zum
Genuß machte. Einſt wollte ſie in einem Garten
zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide
Freunde unter einem Bosket von verwelkenden
Roſen ſich unterhielten; da ſie aber hörte, daß ihr
Geſpräch religiöſe Saiten aufgezogen hatte, ſo

Gutzkow's Wally. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="81"/>
was Waldemar ver&#x017F;icherte, daß er &#x017F;ich die&#x017F;es<lb/>
Mädchens durchaus nicht ent&#x017F;inne, nie mit ihr<lb/>
ein Wort gewech&#x017F;elt, und auch im vorigen Jahre<lb/>
zum er&#x017F;tenmale Schwalbach be&#x017F;ucht habe. Cä¬<lb/>
&#x017F;ar aber glaubte die&#x017F;en Ver&#x017F;icherungen; denn<lb/>
Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬<lb/>
den betrüben konnte, noch weniger aber wäre<lb/>
eine Unwahrheit über &#x017F;eine Zunge gekommen. Er<lb/>
nahm den Wahn&#x017F;inn Bärbels von der lächer¬<lb/>
lichen Seite und &#x017F;uchte Waldemar zu trö&#x017F;ten.<lb/>
Ja, die&#x017F;em melancholi&#x017F;chen Manne fehlte nur<lb/>
noch eine neue Ur&#x017F;ache &#x017F;einer Schwermuth!</p><lb/>
          <p>Wally befand &#x017F;ich in einer Stimmung, die<lb/>
ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Gränzen und Nüancen hatte, recht zum<lb/>
Genuß machte. Ein&#x017F;t wollte &#x017F;ie in einem Garten<lb/>
zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide<lb/>
Freunde unter einem Bosket von verwelkenden<lb/>
Ro&#x017F;en &#x017F;ich unterhielten; da &#x017F;ie aber hörte, daß ihr<lb/>
Ge&#x017F;präch religiö&#x017F;e Saiten aufgezogen hatte, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Gutzkow's Wally. 6<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0090] was Waldemar verſicherte, daß er ſich dieſes Mädchens durchaus nicht entſinne, nie mit ihr ein Wort gewechſelt, und auch im vorigen Jahre zum erſtenmale Schwalbach beſucht habe. Cä¬ ſar aber glaubte dieſen Verſicherungen; denn Waldemar war eine treue Seele, die Nieman¬ den betrüben konnte, noch weniger aber wäre eine Unwahrheit über ſeine Zunge gekommen. Er nahm den Wahnſinn Bärbels von der lächer¬ lichen Seite und ſuchte Waldemar zu tröſten. Ja, dieſem melancholiſchen Manne fehlte nur noch eine neue Urſache ſeiner Schwermuth! Wally befand ſich in einer Stimmung, die ihr den Verkehr mit beiden Männern, der immer gewiſſe Gränzen und Nüancen hatte, recht zum Genuß machte. Einſt wollte ſie in einem Garten zu ihnen unbemerkt herantreten, während beide Freunde unter einem Bosket von verwelkenden Roſen ſich unterhielten; da ſie aber hörte, daß ihr Geſpräch religiöſe Saiten aufgezogen hatte, ſo Gutzkow's Wally. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/90
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/90>, abgerufen am 24.11.2024.