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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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Kammer. Sie hörte diese Serenade, sie wußte
Alles, denn sie hatte den Tambour gekannt, ihn
bevorzugt, ehe die Trompete kam. Sie zitterte
unter der Bettdecke, denn es klang, wie zum
Grab so hohl unterm Fenster. Aber die Töne
hoben sich, die Schlägel wurden dringender, die
abgestoßenen Punkte folgten Schlag auf Schlag:
sie mußte aufspringen vor Entsetzen; die ganze
Straße schien zu grollen und die Steine dumpf
an einander zu schlagen. Man rief: "Feuer!"
Sie riß das Fenster auf. Draußen war alles
still; der Tambour war nirgends zu sehen; auch
beim Appell nicht. Man schiffte seine Trommel
bei Mainz an der Rheinbrücke auf: ihn selber
einen Tag später auf der nämlichen Stelle."

Wally hatte von dieser Erzählung erwartet,
daß sie in einer Beziehung mit Schwalbach
stünde und allem, was auf diese Erwartung
keine Rücksicht nahm, nur eine oberflächliche
Aufmerksamkeit geschenkt. Sie blickte Cäsar mit

Gutzkow's Wally. 5

Kammer. Sie hörte dieſe Serenade, ſie wußte
Alles, denn ſie hatte den Tambour gekannt, ihn
bevorzugt, ehe die Trompete kam. Sie zitterte
unter der Bettdecke, denn es klang, wie zum
Grab ſo hohl unterm Fenſter. Aber die Töne
hoben ſich, die Schlägel wurden dringender, die
abgeſtoßenen Punkte folgten Schlag auf Schlag:
ſie mußte aufſpringen vor Entſetzen; die ganze
Straße ſchien zu grollen und die Steine dumpf
an einander zu ſchlagen. Man rief: „Feuer!“
Sie riß das Fenſter auf. Draußen war alles
ſtill; der Tambour war nirgends zu ſehen; auch
beim Appell nicht. Man ſchiffte ſeine Trommel
bei Mainz an der Rheinbrücke auf: ihn ſelber
einen Tag ſpäter auf der nämlichen Stelle.“

Wally hatte von dieſer Erzählung erwartet,
daß ſie in einer Beziehung mit Schwalbach
ſtünde und allem, was auf dieſe Erwartung
keine Rückſicht nahm, nur eine oberflächliche
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Gutzkow's Wally. 5
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[65/0074] Kammer. Sie hörte dieſe Serenade, ſie wußte Alles, denn ſie hatte den Tambour gekannt, ihn bevorzugt, ehe die Trompete kam. Sie zitterte unter der Bettdecke, denn es klang, wie zum Grab ſo hohl unterm Fenſter. Aber die Töne hoben ſich, die Schlägel wurden dringender, die abgeſtoßenen Punkte folgten Schlag auf Schlag: ſie mußte aufſpringen vor Entſetzen; die ganze Straße ſchien zu grollen und die Steine dumpf an einander zu ſchlagen. Man rief: „Feuer!“ Sie riß das Fenſter auf. Draußen war alles ſtill; der Tambour war nirgends zu ſehen; auch beim Appell nicht. Man ſchiffte ſeine Trommel bei Mainz an der Rheinbrücke auf: ihn ſelber einen Tag ſpäter auf der nämlichen Stelle.“ Wally hatte von dieſer Erzählung erwartet, daß ſie in einer Beziehung mit Schwalbach ſtünde und allem, was auf dieſe Erwartung keine Rückſicht nahm, nur eine oberflächliche Aufmerkſamkeit geſchenkt. Sie blickte Cäſar mit Gutzkow's Wally. 5

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/74>, abgerufen am 22.05.2024.