Bedürfniß der Menschheit: die Worte eines Gläubigen suchen es zu befriedigen, aber sie befriedigen es nur zur Hälfte.
Ich habe die Thatsachen der Vergangenheit verfolgt und breche da ab, wo Alles, was nun kommen muß, nicht so von mir vorgezeichnet werden kann, sondern in die Hand der Zeitge¬ nossen gegeben ist. Lasset mich an einem Orte inne halten, den wir selber auszufüllen haben, bei jenen weißen Blättern der Geschichte, die hinfort von uns beschrieben werden sollen!
Ich höre draußen ein simultanes Glocken¬ geläut: katholische und protestantische Töne. Es ist Pfingsten, ein Fest, wo man zwar nicht mehr plötzlich wie einst in Jerusalem, gut Eng¬ lisch, Spanisch und Sanscrit lernt, was mir sehr lieb wäre: wo aber der heilige Geist auf alle Welt ausgegossen wurde. Wir leben in der Zeit des heiligen Geistes, von dem Christus selber sagt, daß er uns in alle Wahr¬
Bedürfniß der Menſchheit: die Worte eines Gläubigen ſuchen es zu befriedigen, aber ſie befriedigen es nur zur Hälfte.
Ich habe die Thatſachen der Vergangenheit verfolgt und breche da ab, wo Alles, was nun kommen muß, nicht ſo von mir vorgezeichnet werden kann, ſondern in die Hand der Zeitge¬ noſſen gegeben iſt. Laſſet mich an einem Orte inne halten, den wir ſelber auszufüllen haben, bei jenen weißen Blättern der Geſchichte, die hinfort von uns beſchrieben werden ſollen!
Ich höre draußen ein ſimultanes Glocken¬ geläut: katholiſche und proteſtantiſche Töne. Es iſt Pfingſten, ein Feſt, wo man zwar nicht mehr plötzlich wie einſt in Jeruſalem, gut Eng¬ liſch, Spaniſch und Sanscrit lernt, was mir ſehr lieb wäre: wo aber der heilige Geiſt auf alle Welt ausgegoſſen wurde. Wir leben in der Zeit des heiligen Geiſtes, von dem Chriſtus ſelber ſagt, daß er uns in alle Wahr¬
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[303[301]/0310]
Bedürfniß der Menſchheit: die Worte eines
Gläubigen ſuchen es zu befriedigen, aber ſie
befriedigen es nur zur Hälfte.
Ich habe die Thatſachen der Vergangenheit
verfolgt und breche da ab, wo Alles, was nun
kommen muß, nicht ſo von mir vorgezeichnet
werden kann, ſondern in die Hand der Zeitge¬
noſſen gegeben iſt. Laſſet mich an einem Orte
inne halten, den wir ſelber auszufüllen haben,
bei jenen weißen Blättern der Geſchichte, die
hinfort von uns beſchrieben werden ſollen!
Ich höre draußen ein ſimultanes Glocken¬
geläut: katholiſche und proteſtantiſche Töne. Es
iſt Pfingſten, ein Feſt, wo man zwar nicht
mehr plötzlich wie einſt in Jeruſalem, gut Eng¬
liſch, Spaniſch und Sanscrit lernt, was mir
ſehr lieb wäre: wo aber der heilige Geiſt
auf alle Welt ausgegoſſen wurde. Wir leben
in der Zeit des heiligen Geiſtes, von dem
Chriſtus ſelber ſagt, daß er uns in alle Wahr¬
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 303[301]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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