pheten schließen lassen, (ich erinnere nur an die Fabel von dem Stater im Leibe eines Fisches) das göttliche Gepräge ihrer Erzählungen ver¬ wischte. Ja, sie wußten nicht einmal, wieviel sie moralisch wagten, alle ihre Behauptungen wechselseitig ohne Prüfung anzunehmen. Denn das Alterthum war überall auf das Außerordent¬ liche hingerichtet und konnte sich keine große Be¬ gebenheit ohne Abweichungen von dem natürli¬ chen Laufe der Dinge erklären. Auffallend bleibt es indessen, daß die Apostel selbst im Neuen Testamente so wenig scharf und präcis als Ver¬ breiter der Lehre Jesu auftraten, daß erst An¬ dere meist ein Amt übernahmen, was ihnen vor Allen zukam. Hätten sie wirklich den Leich¬ nam Jesu gestohlen? Dann klänge dies Still¬ schweigen fast wie böses Gewissen. Hierüber mag ich nichts entscheiden: nur dies scheint fest, daß die Apostel Menschen von bornirtem Verstande waren, daß sie überhaupt viel Aehn¬
pheten ſchließen laſſen, (ich erinnere nur an die Fabel von dem Stater im Leibe eines Fiſches) das göttliche Gepräge ihrer Erzählungen ver¬ wiſchte. Ja, ſie wußten nicht einmal, wieviel ſie moraliſch wagten, alle ihre Behauptungen wechſelſeitig ohne Prüfung anzunehmen. Denn das Alterthum war überall auf das Außerordent¬ liche hingerichtet und konnte ſich keine große Be¬ gebenheit ohne Abweichungen von dem natürli¬ chen Laufe der Dinge erklären. Auffallend bleibt es indeſſen, daß die Apoſtel ſelbſt im Neuen Teſtamente ſo wenig ſcharf und präcis als Ver¬ breiter der Lehre Jeſu auftraten, daß erſt An¬ dere meiſt ein Amt übernahmen, was ihnen vor Allen zukam. Hätten ſie wirklich den Leich¬ nam Jeſu geſtohlen? Dann klänge dies Still¬ ſchweigen faſt wie böſes Gewiſſen. Hierüber mag ich nichts entſcheiden: nur dies ſcheint feſt, daß die Apoſtel Menſchen von bornirtem Verſtande waren, daß ſie überhaupt viel Aehn¬
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pheten ſchließen laſſen, (ich erinnere nur an
die Fabel von dem Stater im Leibe eines Fiſches)
das göttliche Gepräge ihrer Erzählungen ver¬
wiſchte. Ja, ſie wußten nicht einmal, wieviel
ſie moraliſch wagten, alle ihre Behauptungen
wechſelſeitig ohne Prüfung anzunehmen. Denn
das Alterthum war überall auf das Außerordent¬
liche hingerichtet und konnte ſich keine große Be¬
gebenheit ohne Abweichungen von dem natürli¬
chen Laufe der Dinge erklären. Auffallend bleibt
es indeſſen, daß die Apoſtel ſelbſt im Neuen
Teſtamente ſo wenig ſcharf und präcis als Ver¬
breiter der Lehre Jeſu auftraten, daß erſt An¬
dere meiſt ein Amt übernahmen, was ihnen
vor Allen zukam. Hätten ſie wirklich den Leich¬
nam Jeſu geſtohlen? Dann klänge dies Still¬
ſchweigen faſt wie böſes Gewiſſen. Hierüber
mag ich nichts entſcheiden: nur dies ſcheint
feſt, daß die Apoſtel Menſchen von bornirtem
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 279[277]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/286>, abgerufen am 17.06.2024.
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