der Nachtdämmerung eine blasse Gestalt von ihrem Lager erhob, nach einem Pistol griff und sich an den erleuchteten Häusern der Pariser Straßen dicht unter den ersten Stock¬ werken entlang schlich. Es war ein wenig Schnee gefallen. Die Straßen waren leer, oder doch hatte Alles, was auf ihnen war, Eile, sie wieder zu verlassen. Nirgends brannten Later¬ nen. Der Kalender hatte Mondschein.
Jeronimo stand endlich vor dem Hotel sei¬ nes Bruders. Man sah es, daß dieses Haus kein Sitz der Freude war. Nur hie und da war ein Fenster erleuchtet. Jeronimo spähte nach dem, welches zu Wally's Schlafkabinet gehörte. Er sah es, doch war es noch finster. Wally mußte aus dem Theater schon zurück sein. Einige falsche Accorde auf dem Clavier dran¬ gen zu dem Ohr des Unglücklichen. Jeden An¬ dern, dessen Geist nicht schon in wahnsinnige Erstarrung übergegangen war, hätten diese
der Nachtdämmerung eine blaſſe Geſtalt von ihrem Lager erhob, nach einem Piſtol griff und ſich an den erleuchteten Häuſern der Pariſer Straßen dicht unter den erſten Stock¬ werken entlang ſchlich. Es war ein wenig Schnee gefallen. Die Straßen waren leer, oder doch hatte Alles, was auf ihnen war, Eile, ſie wieder zu verlaſſen. Nirgends brannten Later¬ nen. Der Kalender hatte Mondſchein.
Jeronimo ſtand endlich vor dem Hotel ſei¬ nes Bruders. Man ſah es, daß dieſes Haus kein Sitz der Freude war. Nur hie und da war ein Fenſter erleuchtet. Jeronimo ſpähte nach dem, welches zu Wally's Schlafkabinet gehörte. Er ſah es, doch war es noch finſter. Wally mußte aus dem Theater ſchon zurück ſein. Einige falſche Accorde auf dem Clavier dran¬ gen zu dem Ohr des Unglücklichen. Jeden An¬ dern, deſſen Geiſt nicht ſchon in wahnſinnige Erſtarrung übergegangen war, hätten dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="194"/>
der Nachtdämmerung eine blaſſe Geſtalt von<lb/>
ihrem Lager erhob, nach einem Piſtol griff<lb/>
und ſich an den erleuchteten Häuſern der<lb/>
Pariſer Straßen dicht unter den erſten Stock¬<lb/>
werken entlang ſchlich. Es war ein wenig Schnee<lb/>
gefallen. Die Straßen waren leer, oder doch<lb/>
hatte Alles, was auf ihnen war, Eile, ſie<lb/>
wieder zu verlaſſen. Nirgends brannten Later¬<lb/>
nen. Der Kalender hatte Mondſchein.</p><lb/><p>Jeronimo ſtand endlich vor dem Hotel ſei¬<lb/>
nes Bruders. Man ſah es, daß dieſes Haus<lb/>
kein Sitz der Freude war. Nur hie und da<lb/>
war ein Fenſter erleuchtet. Jeronimo ſpähte<lb/>
nach dem, welches zu Wally's Schlafkabinet<lb/>
gehörte. Er ſah es, doch war es noch finſter.<lb/>
Wally mußte aus dem Theater ſchon zurück ſein.<lb/>
Einige falſche Accorde auf dem Clavier dran¬<lb/>
gen zu dem Ohr des Unglücklichen. Jeden An¬<lb/>
dern, deſſen Geiſt nicht ſchon in wahnſinnige<lb/>
Erſtarrung übergegangen war, hätten dieſe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[194/0203]
der Nachtdämmerung eine blaſſe Geſtalt von
ihrem Lager erhob, nach einem Piſtol griff
und ſich an den erleuchteten Häuſern der
Pariſer Straßen dicht unter den erſten Stock¬
werken entlang ſchlich. Es war ein wenig Schnee
gefallen. Die Straßen waren leer, oder doch
hatte Alles, was auf ihnen war, Eile, ſie
wieder zu verlaſſen. Nirgends brannten Later¬
nen. Der Kalender hatte Mondſchein.
Jeronimo ſtand endlich vor dem Hotel ſei¬
nes Bruders. Man ſah es, daß dieſes Haus
kein Sitz der Freude war. Nur hie und da
war ein Fenſter erleuchtet. Jeronimo ſpähte
nach dem, welches zu Wally's Schlafkabinet
gehörte. Er ſah es, doch war es noch finſter.
Wally mußte aus dem Theater ſchon zurück ſein.
Einige falſche Accorde auf dem Clavier dran¬
gen zu dem Ohr des Unglücklichen. Jeden An¬
dern, deſſen Geiſt nicht ſchon in wahnſinnige
Erſtarrung übergegangen war, hätten dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/203>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.